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Werke des Dreigestirns Leonardo, Michelangelo und Raffael. Am stärksten verkörpert findet mar. den Geist der reichen, prunkliebenden alten Handelsrepublik in den Schöpfungen des Malers Tizian (1477—1576), der in einem fast hundert jährigen glanzvollen Leben und Schaffen den Sieg der Farbe verkündete. In seinen kostbaren Porträts von Kaisern und Königen, von Päpsten und schönen Frauen feiert der Zauber des Lichts, der Schmelz köstlicher Farbigkeit höchste Triumphe, tiefe Inbrunst leuchtet aus seinen religiösen Bildern und strahlende Heiterkeit aus den Gemälden, in denen er das üppige Genußleben seiner Mitwelt und die ungezwungene Fröhlichkeit mythologischer Liebesgeschichten schildert. An der Spitze der reichen Republik Venedig standen seit Jahrhunderten die Dogen, die teils durch kriegerische Talente, meist aber durch diplomatisches Geschick sich auszeichneten, in jedem Falle Meister höchster Prachtentfaltung waren. MarinoGrimani (gest. nach 1605) war einer dieser machtvoll gebietenden Herrscher. Er entstammte einem altvenezianischen Geschlecht, das sich durch die Erhaltung der Kunstschätze, die in der Republik zusammenströmten, besonders verdient gemacht hat. Die kleineren Fürstenhöfe Italiens wetteiferten in der Blüte zeit der Renaissance mit den Zentren der neuen freien Bildung und wollten, soweit es in ihren Kräften stand, daran teil nehmen. So sammelten auch die Herzöge von Ferrara einen Torquato Tasso Kreis von Dichtern und Gelehrten um sich, zu denen Tor quato Tasso (1544—1595), der jugendliche und gefeierte Dichter des „Befreiten Jerusalem“, gehörte, einer mit vielen lieblichen Einzelzügen geschmückten Dichtung, die den Sieg über die Türken verherrlichte. Doch der Dichter wurde unter dem Eindruck der Ketzerverfolgungen von dem Wahn be fallen, auch ein Ketzer zu sein, die man für schlimmer hielt als die Türken. Er stellte sich immer wieder dem Inquisitions gericht, das ihn jedoch für schuldlos erklärte. Tasso aber verfiel gänzlich dem Irrsinn, wurde lange Jahre ein gesperrt und starb in Rom, wohin er geeilt war, um die Weihe einer Dichterkrönung zu erhalten, welche Ehrung seit Petrarca keinem italienischen Dichter zuteil geworden war. Goethes dramatisches Gedicht hat uns seine Gestalt besonders vertraut gemacht. Es gehört zum Charakterbild dieser Zeit, daß sie Freveltaten in der grausamsten Weise bestrafte, wenn kein Mächtiger Einhalt gebot. So half es der blutjungen schönen Beatrice Cenci (1585—1599), deren unschuldsvolles Antlitz Guido Reni festgehalten hat, nichts, daß sie, der Anstiftung zur Er mordung ihres lasterhaften Vaters überführt, darauf hinwies, in welch schändlicher Weise er sich an ihr vergangen, wie er Beatrice Cenci (i}8)—IJ99) Nach einer Miniatur von Antonio und Fanny Romanini nach dem Gemälde von Guido Reni die Stiefmutter gequält, die Brüder dem Verderben preis gegeben hätte. Sie wurde löjährig gleichzeitig mit ihrer Stief mutter und einem ihrer Brüder auf Befehl des Papstes Cle mens VIII. gefoltert und hingerichtet. Ein Jahr später verbrannte derselbe Papst den freigeistigen Philosophen und Naturforscher Giordano Bruno, der es gewagt hatte auf Grund des kopernikanischen Weltsystems ein großartiges Weltbild zu entwerfen und die Gottheit als die höchste Einheit beseelter Stoffteilchen zu bezeichnen. 1635 mußte Galileo Galilei (1564—1642) vor dem römischen Inquisitionsgericht seine ketzerischen Lehren von der Sonne als dem Mittelpunkt der Welt und von der zwei fachen Bewegung der Erde abschwören; denn in der Bibel stand geschrieben, daß Josua der Sonne befahl, still zu stehen, bis die Schlacht beendet war. Die hohe Zeit der Renaissance war endgültig vorbei, die Gegenreformation des Jesuiten ordens hatte auf allen Linien gesiegt. Galileo Galilei (1464—cd42) Nach einer Miniatur des r 8. Jahrhunderts nach einem zeitgenössischen Gemälde l6