Volltext Seite (XML)
gemütvolle Idyllik seiner Schilderungen des bürgerlichen und bäuerlichen Lebens, die Ausdruckskraft seiner Bildnisse, die Schlagkraft seiner graphischen Bilderfolgen, oft angefüllt mit politischen Anspielungen, sein technisches Können, seine Vertrautheit mit den in Italien wiedergefundenen Regeln der Proportion, über die er selbst ein bedeutendes Werk verfaßt hat, seine Beschäftigung mit dem Bau militärischer Befesti gungswerke, über den er gleichfalls eine Schrift heraus gegeben hat, alles dies machte ihn zu einem der universalsten Geister seiner Zeit. Hans Sachs Nürnberg war auch die Heimatstadt des bedeutendsten und fruchtbarsten Dichters dieses an großen Männern wahrhaft reichen Jahrhunderts: des Hans Sachs (1494—1576). Als Schustergeselle Deutschland und Österreich durchwandernd, begann er mit dem Meistergesang, jener mittelalterlichen biederen Handwerksdichtung, die an die Stelle des verfallen den höfischen Minnesangs getreten war. Als Schuhmacher meister in Nürnberg schloß er sich der Reformation an und hat in seiner volkstümlichen Art für die neue Lehre geworben. Mehr als 6000 Dichtungen hat er verfaßt, über eine halbe Million Verse geschmiedet: Lieder und Spruchgedichte, Fast nachtsspiele und Tragödien, Schwänke und Erzählungen. Alle erdenkbaren Stoffe, religiöse und weltliche, zeitgeschichtliche und mythologische, das ganze Wissen seines Jahrhunderts, Nikolaus Kopernikus hat er poetisch verarbeitet. Und daneben muß er noch Zeit gefunden haben, sein Handwerk mit Erfolg auszuüben, denn er war zu großem Wohlstand gelangt, als er öyjährig zum zweiten Male (eine Siebzehnjährige) heiratete. In Nürnberg kam auch auf einem ganz anderen Gebiet eine umstürzlerische Tat zur Welt: hier erschien 1545 die erste Ausgabe der für unsere heutige Auffassung der Sternenwelt grundlegenden Schrift des Mediziners, Mathematikers und Astronomen Nikolaus Kopernikus (1473—1543), der die im ganzen Mittelalter geltende Auffassung des Ptolomäus von der Erde als einer vom Ozean umflossenen Scheibe ver warf, die Erde als Weltkörper entdeckte und die Sonne in den Mittelpunkt des Planetensystems rückte. Kopernikus hatte zunächst nicht gewagt, seine Erkenntnisse zu veröffentlichen. Ein Schüler gab das Werk heraus, und Kopernikus erhielt das erste Exemplar des Druckes wenige Stunden vor seinemTode. Als stillerer Kämpe stand seit dem Jahre 1518 an Luthers Seite PhilippMelanchthon (1497—15 60), ein Neffe des großen Humanisten Reuchlin. Schon früh in die Welt der lateinischen und griechischen Sprache und Literatur eingeführt, bezog er 13jährig die Universität, erhielt er im 15. Lebensjahre den ersten akademischen Grad und war zwei Jahre später Magister. In zahlreichen Schriften und Vorlesungen im Sinne des huma nistischen Bildungsideals tätig, ebenso eifrig für die Sache Luthers werbend, überall mildernd und stets zur Versöhnung gestimmt, war er neben dem Streiter Luther der wahre Prae- ceptor Germaniae (Lehrer Deutschlands). Seine kursächsische Kirchen- und Schulordnung wurde auch für andere Länder vorbildlich, die von ihm abgefaßte „Confessio Augustana“ suchte in entgegenkommender Tonart die Übereinstimmung der neuen Lehre mit den Heiligen Schriften und den Regeln der Kirchenväter zu beweisen. Trotz seiner steten Bereit willigkeit zur Ausgleichung von Gegensätzen hat er sich mannhaft gegen zahllose Angriffe zu behaupten gewußt und in engster Verbindung mit Luther Außerordentliches für die Durchsetzung des neuen Glaubens geleistet. Wieganzanders war Erasmus vonRotterdam(i4Ö5/6bis 1536). Widerwillig war der Rotterdamer Jüngling ins Kloster gegangen, begeistert hatte er sich aber dort auf das Studium der alten Sprachen gestürzt. Sein Leben lang ist er unstet umhergeirrt, ohne sich an einer Stätte festzusetzen, immer voller Furcht vor Fesseln, Bindungen und Entscheidungen. In einer Zeit, die gebieterisch Entscheidung nach rechts oder links, voraus oder rückwärts verlangte, verschanzte er sich hinter der weisen Mäßigung, die er bei den antiken Klassikern Nach einer Miniatur von Plans Holbein d. J., um ijpo IO