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und die Niederlande Die Begriffe Renaissance, Humanismus und Reformation nahmen im Ausgang des Mittelalters in den verschiedenen europäischen Nationen ganz andersartige Formen an. Am auffälligsten ist der Unterschied bei den beiden Ländern, die eine Zeitlang denselben Herrschern untertan waren: den Nieder landen und Spanien. Hier in Spanien hatte von all dem Hohen und Edlen, das die italienische Renaissance in Kunst und Wissen schaft hervorgebracht hatte, nur die Kehrseite Eingang ge funden: die schrankenlose Willkür, wie sie Machiavelli be schrieben hat, am stärksten verkörpert in der Persönlichkeit des finsteren Philipp II. Hier war keine Möglichkeit zur Entfaltung reinen Menschentums, dem Ideal der Humanisten, denn Karl V. und Philipp II. unterdrückten durch die Zerschlagung der Cortesverfassung und durch die verschärfte Anwendung der Inquisition jede freie Regung und alles selbständige Denken des ausgesogenen Volkes. Hier wurde auch die Reformation im Keime erstickt. Ganz anders verhielt es sich in den Nieder landen. Dort hatte zwar durch das Fehlen unmittelbarer Beziehungen zu Italien das goldene Zeitalter der Renaissance keinen Einfluß gewinnen können, doch die burgundisch- ihren Einzug, und in ihrem Gefolge blühte die Kunst. Spanien sank unterdes unter unfähigen Monarchen zur Bedeutungs losigkeit herab. Nur wenige Männer ragen daraus hervor, etwa ein Staatsmann wie Olivarez, einige Dichter wie Cer vantes, Lope de Vega, Calderon, Maler wie Velasquez, Murillo, Ribera und Greco. Im Heere Karls V. kämpfte zu Beginn der Kriege, die der spanische Habsburger gegen Franz I. von Frankreich führte, der baskische Edelmann Ignatius von Loyola (1491 bis 1556) und wurde 1521 so schwer verwundet, daß er das Kriegshandwerk aufgeben mußte. Heiligenlegenden ver zückten sein Gemüt. Er hatte Erscheinungen und Erleuch tungen und wurde, von starker Willenskraft gestützt, ein anderer Mensch, pilgerte nach Jerusalem, studierte als Dreißiger auf spanischen Hochschulen und in Paris Philo sophie und Theologie und gründete mit Gleichgesinnten in Rom den Orden der Jesuiten, den der Papst bestätigte. Dieser Orden machte es sich zur Aufgabe, im Verein mit der Inqui sition die Ketzerei zu vernichten und die Macht der Kirche neu zu begründen. Mit ihm setzt die Gegenreformation mit Ignatius von Loyola (1491—1776) Nach einem Limoges-Email von Nandrin Philipp II., König von Spanien (1427—ijf>8) Nach einer Miniatur von Isaac Oliver flämische Gotik erlebte eine herrliche Nachblüte in einem freiheitlich gesinnten reichen Bürgertum. Der Humanismus fand dort eine seiner fruchtbarsten Pflegestätten und die Reformation einen wohlbereiteten Boden. Naturgemäß mußte bei einem Zusammenprall dieser beiden Welten eine folgen schwere Entladung vor sich gehen. Sie geschah, als Philipp II. die Niederländer zur katholischen Kirche zurückführen wollte und eine Schreckensherrschaft ohnegleichen aufrichtete. Bewundernswert war der heldenmütige Widerstand der kleinen Nation, der die Zurückgewinnung ihrer Freiheiten zur Folge hatte und die Blütezeit der Republik heraufführte. Holland wurde die stärkste Seemacht, sein Handel erstreckte sich über die ganze Welt. Wohlstand und Reichtum hielten größter Schärfe ein. Von dem persönlich untadeligen, vom heiligsten Eifer und mystischer Inbrunst erfüllten Loyola, als dem Ordensgeneral, geführt und unterwiesen, wußten sich seine Mitglieder an allen Höfen und Lehranstalten mit Geschmeidigkeit einzuführen und mit Energie unter Ver leugnung ihrer Persönlichkeit durchzusetzen. Sie wirkten offen oder im geheimen und bildeten eine ungeheure, klug disziplinierte Macht, die Unzählige wieder in den Schoß der Kirche zurückführte. Nur Spanien bedurfte ihrer nicht. Hier herrschte seit Loyolas Tode Karls V. Sohn Philipp II. (1527—-i598) unumschränkt. Er befestigte seine Macht durch glückliche Kriege, ver nichtete durch Mord und Verrat die letzten Mauren und durch