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In welch wirtschaftliche und finanzielle Machtstellung die Steingut AG Colditz aus eigener Kraft infolge der für sie überaus günstigen Umstände gelangt ist, ergibt zum Teil der Geschäftsbericht vom Jahre 1924. Die Firma erzielte einen Reingewinn von 606 566,- RM, schrieb 550 899,- RM ab, vermehrte die Bargeldkonten um 317 183,- RM, ließ einen großen Neubau beginnen und das bei einem Aktienkapital von 3,4 Mill. RM. Eine bessere Verzinsung des Aktienkapitals in einer Zeit der Wirtschafts krise und ungeheuren Verelendung der Arbeitermassen läßt sich wohl kaum erreichen." Doch sie fügten sich nicht diesem Druck. Aus der gleichen Angabe geht hervor, daß sie nicht klein beigaben. Wir können dort lesen: Gegen die überbildmäßige Ausbeutung, gegen die Bewucherung der Werteschaffer in so hohem Maße müssen sich die Colditzer Arbeiter und Arbeiterinnen geschlossen zur Wehr setzen. Hinweg mit dem gegen seitigen Hader, dem Neid, der Mißgunst. Beschimpft und verspottet euch nicht selbst, behaltet euren Gegner im Auge. Seid ihm gegenüber einig, schließt euch wieder im Verband zusammen, dann seid ihr in der Lage, euch den richtigen Anteil eurer Arbeitswerte zu erringen. Gebt euch nicht selbst preis, sondern habt den Mut, euer Organisationsrecht zu wahren. Zeigt Arbeiterstolz und tretet geschlossen auf die Seite eurer organisier ten, opferbereiten Kampf- und Klassengenossen!" Dieser Artikel aus dem Jahre 1925 kennzeichnet eindeutig die Aktie in Colditz. Sie, die bei den Arbeitern als „Knochenmühle" verschrieene Ausbeuterbude, hat eine unselige Tradition für die Menschen, die hier arbeiten mußten. Demzufolge konnte es nicht ausbleiben, daß fort schrittliche Arbeiter sich immer mehr gegen das Ausbeutertum schützten. So entstand in den Jahren 1928/29 die von dem Kommunisten Georg Wünsche herausgegebene Zeitung „Der Ruf“ als Betriebszeitung der Arbeiterder Steingutfabrik AG Colditz. Es lohnt, in dieser alten Zeitung zu blättern. Hauptanliegen dieses Kampforgans der Arbeiterklasse war die Arbeitereinheit, um die es in der damaligen Steingut AG sehr schlecht bestellt war. In Nummer 2/1928 veröffentlichte „Der Ruf": „Der entscheidende Punkt der proletarischen Diktatur liegt nicht darin, wie die Sozialdemokraten uns unterstellen, als ob wir Kommunisten uns auf dem Weg zur blutigen Gewalt versteifen und geradezu versessen sind, unter keinen Umständen sanft, friedlich und legal zur Macht zu kommen, nein, aber die geschichtliche Erfahrung einer Anzahl von Gene rationen, die Junischlacht der Pariser Kommune, der Bürgerkrieg in Ruß land, unsere eigenen blutigen Erfahrungen lehren uns, daß es kindisch wäre, von der deutschen Bourgeoisie erwarten zu wollen, daß sie anders als unter Aufbietung gewaltsamen Widerstandes ihren Platz räumt.” Diese klare Sprache gefiel den Arbeitern der damaligen Aktie, und so war es nicht verwunderlich, daß sie sich auf jede Neuerscheinung der Zeitung „Der Ruf" freuten.