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XVI. Jahrgang. ELEKTROTECHNISCHE RUNDSCHAU. No 2. 1898/99. 19 jedes Magnetes ist also gleich und entgegengesetzt dem für den Südpol geltenden. Obwohl beide Pole von gleicher Polstärke, die Hebelarme aber ungleich sind, ist doch pr + qr, 0, d. h. die Ablenkungskräfte p und q für gleich starke Pole sind umgekehrt proportional den Entfernungen vom Drahte. Leicht ist ferner zu zeigen, daß die Ablenkungskräfte proportional der Stärke J des Stromes sind, also für die Polstärke 1 der Formel p x J gehorchen, . wo eine Konstante ist. Der Ausdruck p heißt die Feldstärke. Die Gleichungen der Kraftlinien, der obigen Kreise, lauten nach elementar zu gehenden Entwickelungen c •/. J . log r = c oder r = e^’ die Niveaulinien des Potentials dagegen (Strahlenbüschel) haben die Gleichung xij = c + 2nnJK oder A — + 2nit. xj — Könnte man also einen isolierten Nordpol in das Feld bringen, so würde er sich unaufhörlich im Kreise um den Draht drehen, wenn nur von der Zentrifugalkraft abgesehen wird. Eichtet man es so ein, daß die Wirkungen auf die Pole desselben Magnetes gleichgerichtete werden, dann dreht sich der Magnet um den Strom. Solche Vorrichtungen sind von Faraday uod Ampere hergestellt und werden in den Lehrbüchern beschrieben, ebenso ihre Um kehrungen. Die vorstehenden Formeln, aus denen sich die interessantesten Dinge ab leiten lassen, gebe ich nur, damit ich verstanden werde, wenn ich von Feld, Feldstärke, Kraftlinie und Potential spreche. Mit eigentlichen Keehnungen werde ich mich nicht weiter abgeben; nur sei bemerkt, daß das Biot-Savartsche Gesetz, welches von den Lehrbüchern in der Eegel der höheren Mathematik zu gewiesen wird, von hier aus elementar abgeleitet werden kann (vergleiche Ingenieur-Math. II). Die Anordnung der Kraftlinien für Stromkreise, d. h. für (annähernd) in sich geschlossene Ströme, ergiebt sich aus Fig. 4 und 5. Die letztere giebt einen Kreisstrom an und zeigt, daß der Nordpol in demselben Sinne austritt wie die bogenförmigen Pfeile. Das Anordnen der Molekularmagnete im Felde soll als die elektro magnetische Polarisation des Feldes bezeichnet werden. Nach Ampere läßt sich jeder Magnet durch ein Solenoid ersetzen, d. h. durch eine stromdurchflossene Drahtspirale. Die Pfeile in Fig. 6 geben an, wie Nord- und Südpol sich je nach der Stromrichtung anordnen. Man dehne diese Anschauung auf die Molekular magnete aus, wobei natürlich Stromwindungen ohne Draht, noch besser selbst ständige kleine Kreisströme anznnehmen sind. Fig. 7 deutet dann an, wie man sich die elektromagnetische Polarisation des Feldes veranschaulichen kann. Man erhält konzentrische „Wirbelringe“ in unzähliger Menge. Das Wirbeln geschieht so, daß die Bewegung auf der Innenseite jedes Einges der Richtung- des posi tiven Stromes im Drahte entspricht. Der Durchmesser jedes einzelnen Wirbel kreises ist unendlich klein zu denken. Man hat sich also vorzustellen, daß sofort nach Beginn der Strömung im Drahte die entsprechenden Wirbelbewegungen eintreten, und zwar zunächst im ersten, dann im zweiten, dann im dritten Ringe u. s. w. Die Fortpflanzungs geschwindigkeit der Einwirkung- im Felde ist als sehr groß anzunehmen und der Theorie nach gleich der Geschwindigkeit des Lichtes. Um. bei rein mechanischen Veranschaulichungen zu bleiben, denke man sich die kleinen Wirbelkreise etwa als Zahnräder. Bei den gezeichneten Bewegungsverhältnissen ist es unmöglich, daß ein Zahnrad das andere unvermittelt in Bewegung setzt; denn um je zwei benachbarten denselben Drehsinn zu geben, muß man iu der Mechanik ein Zwischen!ad eiuschalten, welches naturgemäß entgegengesetzten Drehsinn erhält Die Zwischenteilchen sind in Figur 8 ein gezeichnet, die Wirbelringe sind im Durchschnitt schraffiert. Die Zwischen teilchen kann man sich als sehr leicht bewegliche Aetherkugeln vorstellen, die durch Zähne mit den Wirbelrädern „verkoppelt“ sind, wie der Ausdruck von Hertz lautet. . Diese Zahnrad-Vorstellung ist aber zu roh, denn der Mechanismus ist dabei zwangläufig und beansprucht sofortige Bewegung des ganzen leides; es ist also besser, sich etwa Reibräder zu denken, bei denen sich die Bewegung vom Drahte aus schrittweise entwickeln kann. Der Strom selbst ist so zu denken, als ob infolge der galvanischen Ein wirkung kleine Zahn- oder Reibräder an dem Drahte wie an einer Zahnstange vorwärts rollten und dabei die Wirbel des Feldes in Bewegung setzten und erhielten. Hat man sich diese Vorstellungsweise eingeprägt, so ist man imstande, zahlreiche Ersehtinungen, die in den Elementarbüchern nur beschrieben werden, zwanglos zu erklären. Absichtlich schicke ich diese auf Ampereschen Anschau ungen fußende kinetische Auffassung voran, da Bewegungsvortellungen ge läufiger sind, und da die kinetische Energie leichter zu begreifen ist als die später einzuführende potentielle Energie. a) Die beiden Extraströme. Angenommen, der Stromkreis wird geschlossen und der galvanische Strom in Gang gesetzt; dann rollen die am Draht befindlichen elektrischen Teilchen, die man sich als Aetherteilchen vor steilen kann, vorwärts je nach der Stärke des Stromes in größerer oder kleinerer Anzahl. Da die ersten die Aufgabe erhalten, die Wirbelringe in Bewegung zu setzen, verlieren sie an Drehungs- und Fortbewegungsgeschwindigkeit. Sie geben einen Teil der Energie an das elektromagnetische Feld ab. (In gewissem Sinne muß man also hier den mechanischen Energiebeg-riff und damit den des Arbeitsaufwandes und der zu überwindenden Trägheit, wohl auch eine Art von Reibungswiderstand einführen.) Durch die Verlangsamung der vorwärts rollen den Anfangsteilchen des Stromes tritt eine Art von Rückstau ein, der rechnerisch durch die Einwirkung eines Gegenstromes ersetzt werden könnte. Dies ist der entgegengesetzt gerichtete Schließungsextrastrom, der den Hauptstrom nur allmählig zur vollen Geschwindigkeit gelangen läßt. Diese tritt erst dann ein, wenn die benachbarten Wirbelringe des Feldes die ihnen zukommende Ge schwindigkeit erreicht haben. Wird jetzt der Strom unterbrochen, so werden durch die galvanische Einwirkung keine Teilchen mehr vorwärts geschleudert. Denkt man sich jedoch bisher ruhende am Drahte befindlich, oder irgendwie in den Zwischenraum tretend, so werden sie von dem ersten Wirbelringe gefaßt, unter Energieabgabe in Drehung versetzt und den Nachzüglern des galvanischen Stromes naehge- schleudert. Dies ist der gleichgerichtete Oeffnungsextrastrom, der ohne eigenen Energieverlust eintritt, da das gesamte Feld, welches er durchströmt, noch in voller Wirbelbewegung begriffen ist. Er setzt also weit plötzlicher ein als der Hauptstrom, zeigt bei geringerer Stärke weit größere elektromotorische Kraft oder Spannung und kann z. B. die durch das Oeffnen entstandene Funkenstrecke überspringen (Oeffnungsfunke). Damit sind die beiden Extraströme zwanglos erklärt. Zugleich ergiebt sich ohne weiteres, daß, wenn der Hauptstrom eine plötzliche Aenderung seiner Stärke erfährt, ebenfalls ein Extrastrom eintreten muß. Der Verstärkung ent spricht ein dem Schließungsstrom, der Schwächung ein dem Oeffnungsstrom analoger Extrastrom. Will man die Extraströme schwächen, so biegt man den Draht in der Mitte um und wickelt ihn doppelt (.bifilar) auf, sodaß der Hauptstrom in den I benachbarten Windungen entgegengesetzt läuft. Dadurch werden gleichzeitig einander entgegengesetzte Drehungen der Wirbelringe im Zwischenfelde erzeugt, die sich teilweise aufheben, wobei Reibungsarbeit verrichtet werden mag. Das Feld hat jetzt nicht die nötige Energie, um einen stärkeren Extrastrom hervor zubringen. Da bei Anwendung von Wechselströmen die Stromstärke plötzlich von + J auf — J springt, so werden die Extraströme dabei mit etwa doppelt so großer elektromotorischer Kiaft auftreten wie bei dem einfachen Wechsel von Oeffnen und Schließen des Stromes. Um die damit verbundene Widerstandsvergrößerung einzuschränken, ist hier doppelte (bifilare) Wickelung notwendig oder wenigstens zweckmäßig. Die beiden Extraströme entstehen also dadurch, daß an das umgebende Feld Stromenergie abgegeben bezw. von ihm zurückgegeben wird. Handelte es sich um magnetische Verschiebungsarbeit, wie bei einer anderen Vovstellungs- weise, so würde die Energieaufspeielicrung eine potentielle sein Bei der jetzt vorgetragenen Auffassung dagegen ist die abgegebene Energie als kinetische auzuseheu. Diese Energie wird beim zweiten Extrastrome nur teilweise an den Draht zurückgegeben; der Rest wird aufgebraucht, um ferner und ferner liegende Wirbelringe in Bewegung zu versetzen, bis in größerer Entfernung die Erscheinung schwächer und schwächer wird. Darauf kommen wir bei der Besprechung der elektrischen Strahlung zurück b) Feldstärke. Hat ein Wirbelring n,. Moleküle, der benachbarte n.,, so überträgt sich naturgemäß seine Kraft p, so, daß der zweite Ring mit einer Kraft p 2 wirkt, die sich aus p, : p 2 n, : n, berechnen läßt. Nun ist aber n 2 : n, = = r a : r„ also folgt p, : p 2 = r, : r,; d. h. die Feldstärke ist umgekehrt proportional der Entfernung vom Drahte. Gehen in der Sekunde n-rnal so viele Stromteilcheu durch die Normalebene des Drahtes, so wird auch die n-fache Energie übertragen. Man hat sich z. B. zu denken, das n-mal so viele Wirbel gebildet werden, die nun enger an einander liegen. Dies ist die Erklärung für das vorher ausgesprochene Grundgesetz p x J— Man kann sich die Sache rein mechanisch auch so vorstellen, das von den n 2 im zweiten Ringe möglichen Wirbeln nur n, in Bewegung gesetzt werden, sodaß die Dichtigkeiten der in beiden Ringen bewegten Wirbel sich wie n 2 : n, verhalten. c) ,I n d u k t i o n s s t rö m e. Man denke sich in einiger Entfernung rechts vom Hauptstrome A einen parallelen Draht (Nebendraht), der entweder gradlinig und erst im unendlichen Bereiche geschlossen, oder wenigstens erst in großer Entfernung geschlossen sein soll. Nun schließt man den Kreis des Haupt stromes. Was wird geschehen? Erst wird Wirbelring l, dann 2, dann 3 usw. in Bewegung gesetzt. Sobald die links am Nebendrahte befindlichen Zwischen- teilc.hen in die Drehung versetzt werden, die in Fig. 8 angedeutet ist, schließen sie am Nebendrahte abwärts und bilden den entgegengesetzten Schließungs induktionsstrom. Lange hält dieser nicht an, denn sobald sieh die jenseits des Nebendrahtes sich bildenden Wirbelringe geordnet und in Drehung versetzt haben, entsteht auf der entgegengesetzten Seite des Drahtes ein nach oben gerichteter Strom. Jetzt fließt im Drahte links ebensoviel Strom nach unten wie rechts nach oben; die beiden Strömungen'gleichen sich also aus und ihre Wirkung ist Null. Wird nunmehr der Hauptstrom durch Oeffnen des Kreises unterbrochen, so beruhigt sich erst der Ring 1, dann der Ring 2 usw. Sobald die links am Nebendrahte befindlichen Zwischenteilchen zur Ruhe kommen, während die rechts davon liegenden noch in lebendiger Bewegung sind, überwiegt der durch die letzteren dargestellte Strom, und zo entsteht der gleichgerichtete Oeffnungs- induktionsstrom, der nach weiterer Beruhigung des Feldes gleichfalls aufhört. Befinden sich an der Stelle des einen Nebendrahtes zwei, die zu derselben Wicklung gehören und gleiche Entfernung von A haben," so werden bei der Schließung- auf ihrer linken Seite doppelt so viele Teilchen in Bewegung gesetzt als vorher, die elektromotorische. Kraft also verdoppelt. Dies kann auf drei, vier usw. Drähte ausgedehnt werden; es wird eben in der gleichen Zeit eine entsprechend größere Elektrizitätsmenge in Gang gesetzt. Aus diesem Grunde giebt man der Nebenrolle mehr Windungen als der Hauptrolle. ' Da die Induktionsströme, ähnlich wie die Extraströme das Feld nicht erst zu polarisieren haben, also keinen Rückstau erleiden, setzen sie kräftig ein, besonders der Oeffnungsindnktionsstrom, der die Eigenschaften des Oeffnungs- extrastromes teilt und lange Funkenstrecken überspringen und kräftige physio logische Wirkungen ausüben kann. Damit sind z. B die Erscheinungen am Rulnnkorffschen Funkeninduktor