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zu errichten, das in Sachsens südöstlicher Ecke den Gegenpol bilden sollte zu einem zweiten in Sachsens nordwestlicher Ecke bei Leipzig und welches zur Fernversorgung Dresdens und des übrigen mittleren und östlichen Sachsen dienen sollte. Nur dem Umstande, daß um die gleiche Zeit der Staat die Elektrizitätsversorgung in die Hände nahm, ist es zuzuschreiben, daß das Projekt scheiterte. Wäre es zu stande gekommen, so wäre das Berzdorfer Kohlenwerk jetzt nicht daran, zum Erliegen zu kommen. Denn es sollte mit seinen Kohlenvorräten das Kraftwerk speisen, hätte also eine dauernde Zukunft gehabt. Die Stadt Dresden hatte auch sonst große Pläne mit dem Werke vor. Sie trug sich während des Krieges mit dem Ausschluß eines Tagebaues südlich über die Pließnitz hinaus, und man hatte sogar mit dem gänzlichen Verschwinden des Ortes Berzdorf gerechnet. Da dieser auf einem Flöze steht und man notwendig das Flöz abbauen wollte, war das Dorf dem Untergange ge weiht. An seiner Statt sollte abseits ein neuer Ort, Neu- berzdorf, erstehen. Der Grundstein dazu wurde um die gleiche Zeit mit dem Bau des Siedelungsheimes gemacht. In der Tat hatte sich die Stadt Dresden hier ein großes kohlenwirtschafttiches Operationsfeld gesichert. Nicht nur, daß sie den gesamten Ort Berzdorf (mit Ausnahme einiger kleinerer Anwesen, die für die Förderung kaum in Frage kamen) erworben hatte, auch einen Teil des Nachbarortes Schönau a. d. Eig. nannte sie ihr eigen. Dazu waren die Lagerverhältnisse hier außerordentlich günstig. Unter einer aus Sand, Lehm, Ton und Kies bestehenden Deckschicht, deren Mächtigkeit zwischen 4 und 60 m schwankt, ruht ein günstiges, abbauwürdiges Kohlenflöz von einer durchschnitt lichen Mächtigkeit von 40 m. Im Gegensatz zu den übrigen Oberlausitzer Kohlengruben, die gänzlich oder doch über- wiegend im Tagebau fördern, geschah seinerzeit der Abbau hier im Tiefbau und zwar in neun Sohlen, die in Ab ständen von fünf und fünf Metern angelegt waren. Erst später gesellte sich der Tagebau hinzu. Einigermaßen un günstig sind die Wasseroerhältnisse, es galt, große Mengen Wassers zu beseitigen. Durch die umfangreichen Neubauten — auch ein neuer Förderturm wurde während des Krieges gebaut — war das Werk bald auf größte Leistungsfähigkeit gestellt. Die täg liche Förderung betrug gegen 5000 Hektoliter Kohle, die Ziegelei lieferte täglich 25000 Stück Backsteine (das sind 3000 Stück in der Stunde), und die Stadt Dresden konnte sich immerhin rühmen, das Werk rasch auf durchaus neu zeitliche Grundlage gestellt zu haben. Der Kaufpreis betrug 3 Vz Millionen Goldmark. Dafür besaß die Stadt Dresden einen geschlossenen Besitz von 700Hektar mit 100 Millionen Tonnen oder IV2 Milliarden Hektolitern gewinnbarem Kohleninhalt mit Oberiidischem oder Unterirdischem ein schließlich der bestehenden Gruben nebst Dampfziegelei. Welch umfangreiche Anlagen die Stadt auf diesem Besitz geschaffen hat, erhellt daraus, daß sie bis zum 30. Sep tember 1921 dort rund 11 Vr Millionen Mark investiert hatte. Der rasch sinkende Bedarf an Rohbraunkohle nach dem Kriege sollte eine neue Wandelung für das Werk bringen. Da die Rohkohle bald kaum mehr Absatz fand, war mit der Fortführung des Werkes auf der bisherigen Grundlage nicht mehr zu rechnen, und die Stadt sah sich vor die Notwendig keit gestellt, entweder eine Brikettfabrik zu errichten oder eine andere (chemische oder thermo-chemische) Verarbeitung der dortigen Kohle herbeizuführen. Durch Verwirklichung jenes Zieles würden der Rohkohle zweifellos neue Absatz wege geschaffen worden sein. Gleichwohl konnte sich die Stadt dazu nicht entschließen. Einerseits waren die Kosten ungeheuer — man schätzte sie auf 75 Millionen Mark Inflationsgeldes. Doch würde die Stadt auch diese auf gewendet haben, wenn sie Gewähr gehabt hätte, daß die mit hohen Kohlenverlusten arbeitende Brikettierung in Zu kunft die damalige Vorherrschaft behalten würde und daß nicht die chemische Verarbeitung der Rohkohle die Ober hand gewinnen werde. In diese Zeit der Krise in Berzdorf fiel ein Angebot der Deutschen Petroleum-A.-G., einer Tochtergesellschaft der Deutschen Bank, die ihre rumänischen Petroleum-Unter nehmungen liquidieren mußte und — ausgehend von prak tischen Versuchen zur Gewinnung von Mineralölen aus heimischen Rohstoffen — nach geeigneten Braunkohlen vorkommen suchte. Gleichzeitig zeigten auch die großen Niederlausitzer Kohlenwerke Interesse für das Berzdorfer Werk. Der Stadt Dresden erschien jenes Angebot aber günstiger, und so schloß sie im Jahre 1921 mit der Deutschen Petroleum-A.-G. ein Abkommen dahingehend, daß Berz dorf an eine von der Deutschen Petroleum-A.-G. bezw. der Deutschen Bank nahestehenden Seite gegründete Gesell schaft, die Deutsche Bergbau-A.-G., überging. Die neue Gesellschaft erstattete der Stadt in bar die dort investierten Kapitalien und gewährte ihr eine Aktienbeteiligung, welche der Stadt Dresden dauernden Einfluß auf die Ausgestal tung des Unternehmens sicherte. Den Gegenwert für das Kohleunterirdische erhielt die Stadt Dresden durch eine lau fende Abgabe von der jeweiligen Fördermenge. Dabei wurde ihr für die ersten zehn Jahre, das heißt für die Zeit des Abbaues der Förderung, ein Mindestertrag der Förder abgabe gewährleistet. Die neue Besitzerin hat wiederum große Summen auf das Werk verwendet und den Ausbau desselben in noch größerer Weise betrieben. So hat sie einen riesigen Tagebau erschlossen, umfangreiche Anlagen und auch sonst moderne Einrichtungen geschaffen. Dadurch wurde die Förderung weiter wesentlich erhöht. Doch scheint die Schicksalsstunde des Werkes nunmehr geschlagen zu haben. Dem allmählichen Ausstieg im vergangenen halben Jahrhundert ist jetzt ein rascher Niedergang gefolgt. Die Anlagen sind zum Teil ver kauft, und es ist merklich still geworden auf dem Grunde der Grube. Nunmehr kommt das Werk zum gänzlichen Erliegen. Damit geht ein Abschnitt heimischer Wirtschaft zu Ende, der nicht nur für die sächsische und preußische Ober lausitz, sondern darüber hinaus für ganz Sachsen jahrzehnte lang von großer Bedeutung gewesen ist. Vom Palmsonntage in der Oberlausitz Der letzte Sonntag vor Ostern trägt die Bezeichnung „Palm- sonntag". Dieser Name bezieht sich bekanntermaßen aus eine bib lische Begebenheit, auf den Einzug Jesu in Jerusalem. Damit steht auch in enger Verbindung das urkundliche Auftreten des Tages in den Schriftstücken des Mittelalters. Hier wird er u. a. „Palmtag", „Palm-Ostertag", „Palmfest", auch „grüner Sonn- tag", „Dominica palmarum" und „Tag der Palmweihe" ge- nannt. Wie die gesamte Osterzeit reich ist an altüberlieferten Sitten und Gebräuchen, an uraltem Volksglauben und halboerschol- lener Sagendichtung, so gilt dies auch von dem Sonntage, mit dem die Karwoche ihren Anfang nimmt, nur daß bei ihm der kirchliche Charakter der Bräuche gegenüber dem vor- christlichen Ursprung des Osterglaubens und der damit tn Zusammenhang stehenden Sitten stark überwiegt. Auf solcher