Volltext Seite (XML)
der Zittauer Gegend lassen eine hochentwickelte Volks- .. knnst erkennen. i Das Museum will jedoch nicht eine Art Mausoleum ! sür überlebte Dinge abgeschlossen hinter uns liegender ! Zeitabschnitte sein, sondern vielmehr auch der zeitgenössi- ! schen Volkskunst dienen. Davon überzeugt uns der Rund gang durch das erste Obergeschoß, wo wir in lebendiger Verbindung mit der neueren Zeit und mit der Gegenwart stehen. Hier finden wir auch die Abteilung „Volksbelusti gungen", in der Zittau mit zehn unverhältnismäßig großen, aber höchst ausdrucksvollen Kasperletheaterfiguren aus dem Jahre 1820 vertreten ist. In der Spielzeuggruppe fallen uns gute tönerne Tiergestalten aus Bernstadt auf. Unter den Krippenfiguren tritt eine feine, im barocken Kirchenstil gehaltene Gruppe aus Schluckens» her vor. Besonders reich vertreten ist die Lausitz natürlich in der Abteilung „Volkstrachten", wo namentlich die Wenden ausgedehnten Raum beherrschen .Ihre Gewänder unter scheiden sich nach dem Glaubensbekenntnis ihrer Träger. Die Evangelischen sind u. a. durch zwei Frauen aus Nesch witz, drei Trauerweiber der niederlausitzer Heidedörfer, Mädchen- und Hochzeitsbitter aus Schleife, ganz präch tige Stücke aus der Gegend von Hoyerswerda usw. vertreten. Hier findet das Auge des Malers reiche Nah rung, ebenso wie in der Gruppe der katholischen Wenden. Hier zeigen sich Braut und Brautjungfern im vollen Staate, Frauen in der Alltagskleidung und in der Trauer tracht. Natürlich fehlen auch die eigenartigen wendischen Musikinstrumente, Dudelsack, große und kleine Geige, nicht. Auch die verschiedenen Vitrinen des oberen Stockwerkes bergen allerlei sehenswerte Kulturöokumente aus der Ober- und Niederlausitz. Weiterhin finden wir hier zahlreiche Ab- schießvügel, wie sie die Giebel unserer ländlichen Häuser häufig zieren. Im dritten, dem Dachgeschoß, ist der Raum infolge der schiefen Wände einigermaßen beschränkt, aber doch vortreff lich ausgenützt. Hier sehen wir unter den Modellen der Architektur ein Lausitzer Haus mit vollständiger Aus stattung der Jnnenräume, das ^wn Kriegsverletzten wäh rend ihres Aufenthaltes in einem Dresdener Lazarett in künstlerischer Weise hergestellt worden ist. Auch die zweite Abteilung dieses Stockwerks enthält noch verschiedene an heimelnde Dinge, die in den übrigen Räumen keine gün stige Unterkunft finden konnten. Einen besonders intimen nnd geschlossenen Eindruck empfangen wir in den äußerlich umgrenzten Abteilungen, die vollständig ausgestattete Wohnräume aus den ver schiedenen Laudesteilen darstellen. Diese sind mit ganz be sonderer Liebe und Sorgfalt zusammengestellt, da fehlt auch nicht das Jtüpfel. Von diesen Sonderräumen sind der Lausitz nicht weniger als vier zugeteilt. Sie wirken so freündlich und lebensvoll, als hätten die Bewohner eben die Stube verlassen, um Einkäufe zu besorgen oder ein wenig mit den Nachbarsleuten zu plauschen. Da finden wir im Erdgeschoß gleich an zweiter Stelle hinter dem Eingang die Lausitzer Stube. Sie stammt aus der Gegend von Wilthen und dem Jahre 1830 und macht einen ungemein behaglichen Eindruck. Noch ziert die Weihnachtspyramide den Tisch und zaubert Christfest stimmung in den stillen Raum, von dem das zweimenschige Himmelbett voll 1833 einen beträchtlichen Teil beansprucht. Es ist in braun und gelb gehalten und zeigt gute Holz schnitzerei. Von der Himmelsdecke grüßen in friedlicher Gleichzeitigkeit Sonne, Mond und Sterne die Schläfer. Sehr schön ist auch der Kleiderschrank von 1788 mit seiner bemerkenswert hübschen Malerei. Ein Prachtstück ist auch, der massige Kachelofen mit seinen konkaven Kacheln, in denen mancher Apfel geschmort worden sein mag. Das „Bruthoisl" müssen wir, wie es ganz in der Ordnung ist, außerhalb des Wohnraumes suchen und haben es auch bald gefunden. Im ersten Obergeschoß interessieren uns drei neben einander liegende Sonderzimmer. Das erste ist eine Lau sitzer Weberstube, die in ihrer Engigkeit Wohn- und Ar beitsraum zugleich ist und uns erkennen läßt, daß ihre Bewohner wirtschaftlich nicht auf Rosen gebettet sind. Die Sorge war hier stündige Zwangseinquartierung und Schmalhans Küchenmeister. Darüber belehrt uns sinnfällig die kärgliche Mahlzeit auf dem wurmstichigen Tische. Dem entsprechend ist auch die übrige Ausstattung: das übliche Doppelbett in schlichtester Form, ein Tellerbrett, ein paar einfache Stühle, die auf keine allzuschwere Belastung be rechnet sind. Der einfache Handwebstuhl ist insofern von besonderem Werte, als er von dem Lausitzer Heimatdichter Wilhelm von Polenz gestiftet worden ist. Von einem gewissen Wohlstand dagegen zeugt die Damast weberstube aus Großschönau. Auf der Tllrschwelle ist ein starkes glückverheißendes Hufeisen fest genagelt. Dem Besucher kann es allerdings verhängnisvoll werden, wenn er beim Betreten des Zimmers die Nase zu hoch trägt. Die Fenster sind durch inwendig angebrachte Schiebeläden gesichert. Der Raum wird von dem mächtigen Webstuhl beherrscht, der bis zum Jahre 1830 betrieben wor den ist. Er ist ein Geschenk des Herrn Direktor Gustav Mark-Großschönau. Zu seiner Bedienung waren zwei Personen erforderlich. An der Weife saß die junge Frau, die aber neben der Berufsarbeit gleichzeitig ihren Mutter pflichten zu genügen wußte: mittels eines am Fußgelenk befestigten Strickes konnte sie die Wiege ihres Jüngsten in Bewegung setzen. Schön ist auch hier der Ofen mit sei ner gemütlichen „Hölle", wo gegebenen Falles auch das junge Federvieh eine behagliche Unterkunft fand. Eine besondere Sehenswürdigkeit endlich ist die wen disch e W ö chner in nenstube. In der geschütztesten Ecke des Zimmers steht das Himmelbett der jungen Mutter, mit blendendem Weiß überdeckt. Es macht allerdings eher den Eindruck einer Folterkammer, denn die Bettlade wird durch einen wahren Berg aus Federbetten von etwa 1 Meter Höhe ausgefüllt, den die Frau vor dem Eintritt ihrer schweren Stunde erklimmen muß— Dort aber 6 Wochen lang Hausen zu müssen, mag namentlich in den Hundstagen ein ziemlich problematischer Genuß sein. Die weißen Vorhänge tragen je nach dem Bekenntnis der Eltern die sogenannten Patenbänder oder kleine Heiligen bilder. Ein vor dem Bette stehender Kleiderschrank hat den besonderen Zweck, Mutter und Kind in erhöhtem Maße gegen Zugluft zu schützen. Auf dem Fensterbrett sehen wir einen Topf, einen Waschlappen, ein Stück Seife und ein Strohbündel. Der Zweck der erstgenannten drei Gegen stände ist leicht erkennbar: sie dienen der täglichen Säube rung Les jungen Erdenbürgers. Das Strohbünüel aber wird ihm sorglich unter den Kopf gelegt, um seine Ver bundenheit mit der Erde anzudeuten. Ein Spötter be merkte, als er von dieser eigenartigen Gepflogenheit ver nahm: „wenn es nur dadurch kein Strohkopf wird!" Viel fach bekommt übrigens das Menschlein auch noch ein auf geschlagenes Gesangbuch unter das Kopfkissen gelegt. Inter essant ist es, was der Führer an dieser Stelle über wen dische Sitten und Gebräuche berichtet. Wenn man sich zum Besuche des' Museums die nötige Zeit gönnt, wir- man es stark bereichert an Eindrücken und Anregungen verlassen, aber auch mit dem Gefühle dankbarster Anerkennung für den Mann, der in einem rast losen Menschenleben eine derartige Fülle kostbarer Schätze der Volkskunst zusammengetragen und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat. Bruno Reichard. Wervt für die Dverlausßtzer HeSrnatHettungr Probcnummrrn werden auf Wunsch kostenlos und portofrei zugesandt.