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hinterlassen. Nach seinen Worten stimmen die Kinder das „Susan!", das aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts stammende geistliche Wiegenlied an: „Dom Himmel hoch, o Engel kommt! Eia susani." Ihm folgen Vaterunser und Segen mit dem dreimaligen Amen der Gemeinde. Und wäh rend nun zum Spiel der Orgel alle in die alten lieben Weih- nachtslieder einfallen „O Tannenbaum" und „Der Lhristbaum ist der schönste Baum" und „Alle Jahre wieder kommt das Christuskind", vollzieht sich das Lichtwunder zum andern Male. Wie beim ersten Umgang setzt sich die schier endlose Lichtkette in Bewegung, voran die Knaben mit den Lichterbäumen, da- nach die Mädchen mit ihren Kerzen, schließt wieder den Altar in einen Lichterkranz ein und zieht sich den ganzen Längsgang entlang, bis in den hintersten Winkel Licht verbreitend, um dann auf dem Rückwege durch den Quergang zum seitlich ge legenen Hauptportal hinaus in die Nacht zu verschwinden. Licht um Licht entschwindet den Augen, und mit jedem Lichter baum und jedem Wachsstock sinkt die Kirchenhalle mehr und mehr in nächtliches Dunkel zurück. Auch die Gemeindeglieder löschen ihre Kerzen und schließen sich den Kindern an, und bald ist der Märchenzauber der Christnacht versunken, ins Dunkel getaucht, um im nächsten Jahre in strahlender Helle wieder zu erstehen. F. Th. Advent Im größten Leid ringt sick zum Lickt sein Ende, Oer tiefsten Nackt folgt Wintersonnenwende, - Und Sternen leucbten oft dem grauen lag. - Und in den Zeiten bittrer Mensckkeitsqualen Sick Licktgedanken auf die Erde staklen; Oas Jesuskind in einer Krippe lag. — Cs war von Sternen seine Spur umlicktet, Um dis sick tiefe vunkelkeit gesckicktet, Ikr zeicknete der Stern das Cnde vor. So geben wir der XVeiknacktszeit entgegen, Lius ewgen lööken brickt der Sternensegen, Und licktdurckdrungen sckausn wir empor. Lldvent - geduldet euck ein kleines Cnde, vann sündet uns die Wintersonnenwende Oas keilge Lickt der Liebe wieder an! Cs öffnet sick die lür zum Weiknacktszimmer, Und kinderselig sckaun wir kerzensckimmsr, IZekreit von Sckatten finden wir die IZakn! Helen« Helblg-Tränkner Die Pfefferkuchen-Stadt Von Otto Flösse!, Bautzen (^8 O ""ge schon, bevor wir anderswo im Lande an Weih« nachten auch nur denken, liegt ein weihnachtlicher Zauber über dieser Stadt. Man heißt das Pulsnitz nicht umsonst die — süße Stadt. Da riechen die Häuser nach Honig und Mandeln, da zieht durch die Gassen ein feines Düsten von Zucker und Marzipan. Vertraute Gerüche! Wir kennen sie aus Kindertagen, von jenen Abenden vor Weihnachten. Mutter rührte die Stollen an. Die Streusel standen fertig in tönernen Schüsseln. Wir standen um den Tisch und bewunderten mit großen, leuchtenden Augen die süßen Sachen. Und dann erst, wenn die großen Bretter mit frischen Kuchen vom Bäcker kamen, wie knusprig fein es da im Hause roch! So süßer Atem liegt Monate vor Weih nachten über der Stadt. Man möchte die Pulsnitzer schier um solche Weihnachtsvorfreuden beneiden. In den Häusern stehn Männer und Mädchen, mischen und mengen, rühren und kneten, gießen und streichen und backen tausend leckere Dinge. Rede mir niemand von HonigkuchenfabriKen! Hohe Schlote, rußgeschwärzte Fensterfronten, nüchterne Arbeitssäle, sausende Maschinen: das will schlecht taugen zu Kleinstadtidyll und Psefferkuchenpoesie. O nein, das sind niedliche, kleine Häuschen, so wie sie in der Kleinstadt allesamt sind, und lägen nicht Schokoladenherzen, Makronen kuchen, Leckerlis, Pflastersteine und Spitzkugeln im Fenster, man würde ihnen wahrlich die Pfefferküchlerei nicht ansehen. Wer da aber meint, das Pfefferkuchenmachen ginge wie das Bretzelbacken, der irrt gar gewaltig. Pulsnitzer Pfeffer kuchen sino gute Sachen, und gut Ding will Weile haben. Will man's glauben, daß die Pfefferkuchen, die heute unterm Lichterbaum liegen, vor einem Jahr bereits gerührt worden sind? Gleich nach dem Feste steht der Pfefferküchler am Feuer beim Honig- und Sirupkuchen. Honig und Sirup, das macht den Kuchen süß und mild. Sie kommen weit her llber's Meer, von Valparaiso, Mexiko und Havanna. Waren das schlimme Jahre während des Krieges, da man mit Kunsthonig und Rübenmehl backen mußte! Manch einer hat's gar nicht erst versucht und lieber den Ofen all die Zeit über kalt stehen lassen, als den verwöhnten Pfefferkuchen- Essern Bitternis zu bereiten. Heute aber ist man in Pulsnitz wieder ganz wie in Vorkriegszeiten eingestellt, und hat man auch noch keine Friedenspreise, so doch Friedenskuchen. Ein halbes Hundert verschiedener Arten gibt's in den Läden, und eine ist immer besser als die andere. Stille Zeit ist in Pulsnitz nur im Januar. Im Februar schon hebt das „Weihnachtsgeschäft" wieder an. Da wird Mehl mit Honig und Sirup zu Teig verrührt. Der kommt auf den Boden. Dort mag er nun stehen. Denn je länger er zieht, desto besser wird der Kuchen. Später dann wird er mit köstlichen Gewürzen vermengt, in Scheiben geschnitten und gebacken. Was für das Auge ist, das kommt zuletzt darauf. Zuckerguß und Schokoladenspiegel und was der herrlichen Dinge mehr sind. Dis billigen Sorten kommen unverpackt in den Laden, die besseren werden in Blechdosen oder Pappschachteln gesperrt oder in die vom Weihnachts markte her bekannten roten und blaugrünen Papterhllllen mit dem gelatinenen Guckfenster, an das sie sich mit Hellen Mandelaugen drängen. So treten sie ihre Reise in die Weihnachtsstuben an. Einst gingen schwere Kisten davon in alle Welt. Dem ist nun nicht mehr so. Kaum, daß Amerika einmal darnach verlangt. Um so fleißiger sind wir daheim im Pfefferkuchen-Knabbern. Die lieben Pulsnitzer können noch so viel der süßen Gabe zum Markte bringen, sie brauchen nicht lange feilzuhalten, gar bald sind ihre Stände leer. Das war im Jahre 1750. Da wanderte der Bäckergeselle Tobias Thomas in Pulsnitz ein. Er hatte oben in Thorn einem Meister viele Jahre lang treulich gedient und dabei die Pfefferküchlerei erlernt. Die brachte er mit in seine Vaterstadt Pulsnitz. Wohl saßen dazumalen hier schon Pfefferkuchenbäcker über dem Teig, denn die Pulsnitzer Pfefferküchlerei ist so alt als man nur denken kann. Georg Ziegenbolg und Johann Teubel buken Pfeffer- und Kümmel kuchen und die seinerzeit in ganz Sachsen so beliebten Bauer hasen. Aber ihre Kunst war Stümperei gegen die des Thorner Gesellen. Grobes Gebäck buken sie; die Kunst, feine Kuchen herzustellen, kannte hier niemand, die führte er ein, und damit wurde der Ruf von Pulsnitz als Pfeffer kuchenstadt begründet. Nirgends in Sachsen findet sich ihres gleichen, und es ist bezeichnend für die Güte der Pulsnitzer Pfefferkuchen, daß diese selbst in Nürnberg — der anderen Psefferkuchenstadt — gute Abnehmer finden.