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Der Heiratsteufel Ein lustiger Roman aus der Oberlausitz von Richard Blasius Ich (Fortsetzung) Toni schaute mit ängstlichem Mißtrauen nach dem Verärgerten und fragte erstaunt, was er denn eigentlich mit ihm habe. Diese Furcht zwang dem Zimmermann ein spöttisches Lachen ab, während er erklärte, er habe gar nichts. Das sei nur so sein Zustand, der ihn manchmal plage. Ihm komme oft eine plötzliche Wut. Doch sei das jetzt schon wieder vorbei. Toni atmete tief auf und rief naiv: „Gott sei Dank! Iech docht schonn, wellst mer od Gorgl. Gfarrlch gnung sog's aus " Langsam, aber immer noch mißtrauisch rückte er wieder ein Stück näher, ließ aber kein Auge von dem Gesicht des Andern. Leo biß sich auf die Lippen, kaute erregt an den Spitzen seines pechschwarzen Schnurrbartes und fragte dann endlich zögernd, sodaß ein andrer als Toni hätte hören müssen, wie schwer ihm die Worte von dem Munde gingen: „Wie l«ng ös'n no bis zo dr Huchst zwöschn Euch zween, dr Ruth ond Diär?" Toni lachte geschmeichelt auf. Hier ergab sich eine billige Gelegenheit, sich einmal als einer zu zeigen, der er eigentlich nicht war. Die Renommiersucht gewann die Oberhand in ihm, und so versetzte er mit dummem Stolze: „Komm mer ock nö orscht fu vo hinn röm! Denkst wu, iech Krieg 's nö glei weg, doß D' miech ock aushorchn wöllst?" Wieder kaute Leo an seinen Bartenden und knurrte im Tone eines bösen Katers: „Nu freich, Du kriggst abn oalls glei weg." Tonl warf sich in die Brust. „Denkst wu, iech bien su — iech sah su — na, wiedn glei?" Er fand sich aus dem Satzgewirr nicht heraus, das er an den Mann hatte bringen wollen. Wie war das doch gleich? Gehört hatte er das schöne Sprichwort doch so oft, freilich aber seinen Sinn nur halb verstanden, weswegen es ihm auch jetzt nicht von den Lippen ging. „Na, woas denn?" forderte ihn Leo auf, weiter zu reden, „ömmer quetsch denn Quoatsch, bis a quietscht!" Toni kratzte sich hinter den Ohren und überlegte. Es wollte wirklich nicht heraus. „Iech wo—wollt ock soin," stotterte er, „denkst wu, iech bien su — iech sah su domm aus, wie 'ch bien." Leo lachte und hieb die Faust auf den Tisch. Aber es war kein belustigtes Lachen. Es klang wie Schaden freude und verhaltene Wut daraus. „Nee, mei Kraut- Tonl," erwiderte er höhnisch, „doas denk 'ch wörklch nö. Wenn Du su domm aussägst, wie D' böst, do lissn se Diech iberhaupt nö frei römlausn." Geschmeichelt lachte Tonl laut. Das war doch un zweifelhaft ein Kompliment gewesen, sagte er sich in seines Herzens Einfalt. Aus der Tür trat Ruth mit einem Tablett voll aller hand Sachen, die jeder hungrige Magen zu des Lebens Annehmlichkeiten zählen durfte. Ein Berg geschnittenen Brotes duftete auf einem Teller. Auf einem zweiten glänzten Scheiben rohen Schinkens in dunkler Röte. Daneben lag goldgelb ein Butterwecken. Sie setzte es aus den Tisch, hob die Teller von dem Brett und schob sie Leo hin. „Na, nu ieß!" Ihr Blick fiel auf den Bauernsohn, dem noch immer das breite Lachen im Gesichte stand. „Herrjeh, der Tonl lacht ja, oas wenn Körms ond Arntfest of en Tag gfoalln wärn. Woas hottn dar zo grönsn?" Leo betrachtete all die Herrlichkeiten, die v»r ihm standen, mit ziemlich gleichgültiger Miene und meinte so obenhin, der Kraut-Tonl freue sich jedenfalls darüber, daß er eben der Kraut-Tonl sei. Aber noch immer stach verhaltener Arger spitz aus den Worten. Ruth lächelte nur zufrieden. Noch immer also! Der Wurm fraß tief in seinem Herzen. Der Schlag war ihr vollkommen geglückt. Sie nahm das Tablett vom Tische, sagte zu Leo, daß sie ihm etwas zu trinken bringen werde und wandte sich wieder dem Hause zu. Der Zimmermann aber schaute mißmutig auf das leckere Mahl und sagte höchst undankbarerweise: „Tofl ock nö goar su groußoartg uf! Wöllst wu ock zeign, woas dr Riegerhof hargahn koan?" Aber Ruth hörte es nicht mehr. Schon war sie wieder im Wohngebäude verschwunden. Da machte sich nun Adam über das Essen, aber nicht wie einer, der vor Hunger schon lange gewartet hat, daß er den ersten Bissen in den Mund bringe. Nein, nur unwillig und zögernd begann er sein Mahl. Tonl sah ihm eine Weile zu. Dann lachte er auf und meinte, wunder wie galant zu sein, als er den Andern aufforderte: „Nu, do ieß ock richtg! Wörscht's nö oall Tag su hoan." Der Zimmermann warf ihm einen finstern Blick zu und brummte, ob ihm das denn überhaupt etwas angehe. Er war durchaus nicht in der Laune, sich dumme Be merkungen gefallen zu lassen, überhaupt wenn sie darauf ausgingen, es ihm noch unter die Nase zu reiben, daß er ein armer Schlucker war. Als ob er das nicht selbst am besten gewußt hätte! Ob des finstern Gesichts und der funkelnden Augen, die ihm unter schwarzen, buschigen Brauen hervor an blitzten, fuhr Tonl erschrocken von der Bank in die Höhe. Mit dem dort war heute wirklich nicht gut Kirschen essen. Leo lachte ingrimmig vor sick hin. Dieser Trottel, dieser seige Iammermensch, der Krautbauernsohn! Und vor diesem Häuflein Unglück mußte er sich nun verkriechen. In seinem Zorne hieb er abermals mit der Faust auf die Tischplatte, daß die Teller zu tanzen begannen. Tonl sprang ängstlich einen Schritt zurück und starrte aus furchtsamen Augen auf den Wüterich. Der aber griff wieder, als sei nichts geschehen, zu Gabel und Messer und sagte nur so ganz obenhin: „De Rieger-Ruth gfällter wühl?" „Hm, nö groad," gestand Tonl ei. Leo hatte eben ein Stück Schinken auf die Gabel zinken genommen. Klatsch, fiel es auf den Teller zurück, und die Gabel folgte ihm mit Geklirre. Erstaunt ruhten seine Augen auf den stumpfen Zügen Tonls, und lang sam fragte er: „Woas? Ond do ziehst su öm se röm?" Der Bauernsohn plusterte sich wieder auf wie ein frierender Spatz und erwiderte protzig gleichgültig: „Nu ja, mer muß doach an Zeitvertreib oa su an Sonntg- nomöttg hoan."