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starb er bereits am 30. April 1723 und wurde abgelöst durch einen Pedanten sondergleichen, den Obristen Johann Hein rich von Boblick; mürrisch und eingebildet, verschärfte dieser noch ihre Haft. Hauptmann Heinecken wurde am 3. Feb ruar 1727 durch den Hauptmann Holm abgelöst, der, ob gleich militärisch streng und pünktlich, mit seiner Frau jahre lang mit der Gräfin Cosel in lebhaftem gesellschaftlichen Verkehr gestanden hat. Seit dem Herbst 1717 versuchte man erneut, die Gräfin zurHerausgabe deswichtigen „Eheversprechens" des Königs zu bewegen; endlich — 1727 wurde das wertvolle Dokument aufgefunden. Bis zu ihrem Tode wurde der Aufwand der Gräfin aufs genaueste überwacht. Bei der Erbitterung der Gefan genen hierüber war die Tätigkeit ihrer Kuratoren natürlich sehr schwierig; da ihre Güter an zehn verschiedenen Orten ausfindig zu machen waren, hat die Feststellung ihres Be sitzes annähernd 10 Fahre gedauert. Trotzdem auch ihre Mutier zugunsten der Gefangenen die äußersten Schritte tat und sogar nach dem „Ehrenwort des Königs" ihre Freilassung zu erlangen vermocht hätte, hat die Gräfin Cosel dies doch selbst durch ihre Halsstarrigkeit vereitelt. Durch Rescriptum vom 10. August 1724 wurde ihr die Pension von 15000 Talern entzogen, und auch über ihre Entlassung aus der Festung Stolpen wurde nicht mehr ver handelt. Aus den Erträgnissen ihres eigenen Vermögens bezog sie seitdem eine jährliche Pension von nur 1200 Talern, und seit 1745 floß ihr durch die Hand der „Frau Amt männin" zur Bestreitung außerordentlicher Bedürfnisse noch ein sog. Nadelgeld von 150 Talern zu. Die Kosten des zehnjährigen Verfahrens beliefen sich auf nicht weniger als 66558 Taler 1 Groschen 8 Pfennige, ihr Gesamtoermögen betrug 624934 Taler 5 Groschen 10 Pfennige. Uber den Kops der Gräfin hinweg wurde ihr Gut Pillnitz „über nommen", wofür 64100 Taler an die Kuratoren abgeliefert wurden. Ihr letzter Kurator war von 1727 an der Hof- und Iustizrat v. Wichmannshausen. Nur schwer, aber mit der Zeit doch immer geduldiger, fügte sie sich in ihr Schicksal. Der allzu engherzige Festungr-Kommandant o. Boblick verschärfte, trotzdem die Gräfin und ihre Dienerschaft den Vorschriften nachkamen, ihr die Gefangenschaft noch dadurch, daß sie nur in seiner und Hauptmann Holms Begleitung unter Aufgebot einer Wachmannschaft spazierengehen durfte. Sie hielt sich daher meist in ihren Zimmern auf und vermied den Verkehr mit der Außenwelt. Bis 1734 hat sie die Festung selten verlassen und Besuche von Kindern, Freun den und Bekannten innerhalb der Festung angenommen. Ihre Besucher waren dann genötigt, in der Stadt zu über nachten, und zwar in dem damals einzigen Gasthause in Stolpen oder in der Apotheke. Ihr Stolpener Freundes kreis bestand aus den Festungsoffizieren, Orlszeistlichen, Ratsmännern, Apothekern und deren Frauen; oft haben diese in der Wohnung der Gräfin bei „einem Spielchen" geweilt. Die Gräfin Cosel unterhielt einen lebhaften Brief wechsel; sie führte auch Buch und Rechnung über ihren Haushalt und betätigte sich selbst in Küche und Keller. Sie ließ sich einen Raum einrichten, in dem sie allerhand Mix turen und Arzneien herstellte, die sie an Kranke und arme Leute verschenkte. Armen Kindern aus der Stadt und Sol datenfrauen erteilte sie Unterricht im Schreiben, Lesen, Stricken und Nähen. Einförmig und traurig verlief das Leden der einst so lebenslustigen und herrschsüchligen Frau; erst nach dem Tode August des Starken traten Ende 1734 auf Befehl August III. einige Erleichterungen für sie ein. Am 6. Juli 1725, bei der Verheiratung ihrer ältesten Tochter Augusta Constantia mit dem Oberfalkenmeister Heinrich Friedrich Graf o. Friesen aus Bärenstein hat Gräfin Cosel an König August II., den Vater dieser ihrer Tochter, einen Brief geschrieben. Sie dankte ihm darin für die ihr und ihrer Tochter vormals erwiesene Gnade, er innerte ihn „mit heißer Glut" daran, wie sehr sie sich gegen seitig geliebt, daß sie ihn auch noch liebe und ihn inständigst um Befreiung aus ihrer Gefangenschaft bitte. Dieser herzer greifende Brief schloß mit den Worten: „Ich beanspruche von Eurer Majestät Gnaden nur 3 ?, diese heißen: puin, psix, et purclon!" (— Brot, Friede und Gnade). Der König antwortete auf den Brief nicht; aus der Kanzlei des Geheimen Kabinetts erhielt die Gräfin nur den kurzen Bescheid, daß besagter, es war ihr letzter persönlicher, Brief eingegangen und an Se. Majestät den König abgegeben worden sei. Am 31. Januar 1730 brach im Schlosse Stolpen in nächster Nähe des Pulverturms Feuer aus, wodurch die Gräfin Cosel in große Gefahr geriet. Im Turme selbst lagen etwa 17 Zentner Pulver und auf dem Boden des Fürstengemachs, unmittelbar über der Wohnung der Gräfin, eine große Anzahl Granaten. Auf ihre Beschwerde hin durften in Zukunft nicht mehr als höchstens 3 Zentner Pulver dort lagern und diese auch nur im Puloerturm. Im Sommer 1731 wurde auf Ansuchen der Gräfin ihre Wohnung gründlich verbessert, wozu sie allerdings selbst einen Teil der Kosten tragen mußte. Am 1. Februar 1733 starb plötzlich König August II. in Warschau. Obwohl man der Gräfin dieses Ereignis verschweigen wollte, wurde sie doch aufmerksam dadurch, daß täglich von 12 b s 1 Uhr mittags alle Glocken geläutet wurden, und durch ihre Dienstboten erfuhr sie das für sie so wichtige Ereignis. Sie bot nun alles auf, um ihre Be freiung zu erlangen, schrieb selbst zahlreiche BUese an den Nachfolger des Verstorbenen, den Kurfürsten Friedrich August ll. — als König von Polen: August III. —, an dessen Gemahlin, den Grafen Wackerbarth, ihre Mutter, ihre Kinder, an Freunde und Bekannte und flehte sie an, ihrem Elend und ihrer Qual nun bald ein Ende zu machen. Aber alle diese Schritte führten nicht zum Ziele. Auf die in den Jahren 1739 und 1740 wiederholten Bittgesuche wurde der Gräfin erwidert, „daß der König auch zurzeit noch aus bewegenden Gründen Bedenken gefunden, sie in völlige Freiheit zu setzen". Aber es traten für sie doch wesentliche Erleichterungen ein: sie durste mit ihren Kin dern und Kuratoren freie Briefe wechseln, innerhalb des Festungsgebietes ohne Wache herumgehen, ihre Bekannten und die Stadtkirche in Stolpen besuchen und Zeitungen und unverfängliche Bücher lesen. Auch mit den Einwohnern der Stadt Stolpen, mit Reichen und Armen, kam sie da mals in näheren Verkehr. In den Wintermonaten ließ sie regelmäßig Essen kochen und es an arme Familien ver teilen; an jedem Weihnachten übersandte sie dem Stadtrate 10 Taler an die Armen. Nach der Feuersbrunst im Jahre 1732 hatte sie für die Abgebrannten 200 Taler beigesteuert; auch die Stadtuhr und die Fahne der Schützengesellschaft sind von ihr erneuert worden. Eine Senkung der Grundmauern des Gebäudes mach ten 1741 abermals einen Umbau ihrer Wohnung notwendig, und am 8. Juli 1742 brannte infolge Blitzschlages der sich