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Hunderte rückwärts leiten die Bilder der Bautzener Bürger- meister, die d n Sitzungssaal des Rates zieren. Uber enge Treppen und Holzstiegeri ging es dann hinaus zum Ratiwus- turm, von dessen Umgang aus man den hervorragenden Fern- blick genoß nach den Bergen, aus die umliegenden Dörfer und besonders auch auf die vielgestaltigen verwitterten Dächer der alten Stadt. Der sich anschließende Besuch der Nikolairuine und des seit 1407 angeblich aus dem Grunde eines alten Wein berges stehenden Kirchhofes förderte abermals eine Menge bis her nur einzelnen Bautzener Bürgern bekannte Tatsachen zu- tage. So wußte der Friedhofsmeister noch die Stellen an- zugeben, von denen aus in der alten Sakristei (unter der jetzigen Totenhalle) unterirdische, in neuerer Zeit zugemauerte Gänge sich in den Berg hineinziehen. Auch östlich von dem Sakristeibau ist er bei Anlage eines Grabes auf einen jetzt ebenfalls wieder zugemauerten Hohlraum gestoßen, der noch nicht bekannt ist. Beim Ausschachten von Gräbern kum er zu wiederholten Malen in der Tiefe von etwa zwei Metern auf den Plattenbelag des Kirchenfußbodens, der aus großen Granit- platten wie im Dome bestehen soll. Auch fand er einen Säulen- Kopf in dem Schutt, welcher im Kircheninnern lagert und in dem die Gräber angelegt sind. Das interessante Werkstück wird künftighin zugänglich gemacht werden. Es ist um so wichtiger, als von den beiden Mittelsäulen des zweischisfigen Langhauses keine Reste mehr erhalten sind. Sowohl die Stelle des Altars als auch die des ersten Pfeilers konnte er genau bezeichnen. Ein reizvoller Blick öffnete sich den Teilnehmern bei Besicht!, gung des der Kirche nördlich vorgelagerten Wehrganges auf die Dächer der im Epreetal sich hinziehenden Seidauer Straßen. Im sogenannten Pulverturm wies Herr Tischlermeister Bach noch aus die Schlüsselloch-Schießscharten und die in seinem untersten Stück enthaltenen Gewölbe hin, die durch die Ab tragung des Turmes und seine Benutzung als Erbbegräbnis nunmehr unzugänglich sind. Wenig bekannt dürfte der Vers sein, welcher im Knopfe dieses Pulverturmes bei seiner Ab- tragung aufgefunden wurde: Da fast die ganze Welt in diesem Krieges Jahre Hielt Pulver, Krauth und Loth für ihre beste Waare, Ward (?) dieser Thurm erbaut zu einem Pulverhaus, Gott gebe, daß viel drin und wenig komme raus. Zwischen Pulverturm und Nikolairuine lag ehedem unter der wehrhaften Mauer das alte Pfarrhaus am Hang des Berges hinter den ersten Häusern des Stadtteils „Unterm Schloß". Die Nikolaikirche hat im Mittelalter eine weitgedehnte Gemeinde gehabt, über 30 Ortschaften waren nach ihr eingepfarrt. Wenn die Kirche heute noch als Ruine einen hervorragenden Anblick gewährt, so muß doch in früheren Zeiten, als sich ihr hohes Dach noch über sie erhob, der Bau im Stadtbild Bautzens ganz besonders eindrucksvoll gewirkt haben. Es ist nur tief zu bedauern, daß in früheren Jahrhunderten dieses Gotteshaus nicht wieder erstanden ist. Dr. 3 renzel. Nahender Herbst Von MartinWeise, Dresden Der Herbst sendet die ersten Boten ins Land. Sie sollen Vorbereitung treffen für sein großes Fest. Ich liege unter einer hohen Linde und schaue sehnsüchtig den eilenden Wolken nach. Sie nehmen WWW meine Gedanken und meine Hoffnungen mit. Hoff nungen sind wie Wolken, die der Wind eine Weile vor sich her- treibt und dann zerpflückt und fahren läßt. Bor mir breitet sich das Hügelland meiner Heimat. Leichte Linien leben am Horizonte, und die Lausche ist Königin. Auf erhabenem Throne sitzt sie und regiert das Bergland und die welligen Täler, die sich vor ihr wie eine Schar Ritter schütz- bereit lagern. Eie können jederzeit ausspringen, die Herren Ritter, wenn es gilt! Und da ist der Tollenstein: auch er hebt sich über die Linie hinaus und meint, mit Recht eine besondere Bedeu tung zu haben. Davor aber strecken sich Hügel mit Wäldern und Feldern, ziehen sich Dörfer in langer Reihe in die Täler und über die Höhen und wissen gar vieles zu erzählen: von harter, mühevoller Arbeit und festlichen Tagen, von Freude und von Herzeleid, von schlimmen Kriegsjahren und von Notzeit. Der weiße Kirchturm von Oberfriedcrsdors blitzt in der Sonne. Hinter ihm läuft die Landesgrenze. Bon hier oben gesehen ist alles ein Land, über das der frühe Herbstwind streicht, da gibt es keine Grenzen! Nur Schönheit! Der Wind braust über die Felder, über die Stoppeln. Des Sommers reiche Garben sind eingesahren, und an den Sonntagen spielen in den Dörfern jetzt die Geigen lustig zum Erntefest auf. Die bunten Wolken, die hoch über mir eilen, beschauen sich flüchtig im Teich, der, von alten Bäumen umgeben, in den Abend dämmert, um wieder seine Spukgestalten auszuschicken. Uber den Hang rufen die vier Schönbacher Kirchenglocken. Die alte Linde über mir, und ihre drei Schwestern neben ihr rauschen und raunen eine gewaltige Sprache dazu. Die ersten gelben Blätter haben sich gelöst. Dvr Wind trägt sie zu Tale, den Hang hinunter zu den Hütten der Menschen. Und alte Mütterchen, die sich in ihrem Hausgärllein zu schaffen machen, werden also philosophieren: „Nee saht'ch ock, do brengt der Wind schunt de irschten zahlen Blätter oaqeflattert. Is denn der Summer schunt wieder orbei? Nee, nee, 's is org, wie fix ock su a Iuhr im is. De Oastern blühn o schunt, 's is urndlch a Stoat; wenn die warn weg sein, drno is vrbei mit dr Harrlchkeet, do dauert's nemieh lange, und 's Goartl is wieder ei a weiß' Tichl gewicklt." Und sie werden in ihrer Vorahnung fröstelnd ihre Arme in die Blaudruckschürze wickeln und mit sinnendem Auge zu meinen Linden auf der Höhe emporschauen, von denen die eine schon frühzeitig gelb geworden ist und dem Wind ihren Schmuck zum lustigen Spiele bietet. Aus den Heimalvereinen Im Wandern lerne die Heimat kennen! Wan derung der Vereinigung für Heimatkunde Reichenbach OL. und Umgebung nach Döbschütz zur Besichtigung des dortigen Schlosses und der Schanze, sowie Besichtigung des Schlosses Krobnitz und des dortigen Mausoleums am 12. Septbr. 1926 Die Heimat ist eine weite Welt für sich: sie spendet seelische Fülle und tiesinnere Kraft. Unser Volkstum wurzelt letzten Endes im Heimat- tum, wie alles Heimatwesen sich im Volkswesen spiegelt und auf dieses zurückstrahlt. Der Heimatmensch ist körperlich und seelisch ganz daheim. Er ist das Ergebnis der Heimatscholle. Die Heimat ist die große Mutter, von der wir ausgehen, zu der wir wieder zurllckkehren. Unsere Art und unsere Kraft ist aus ihr gesogen. Und weil so viele unserer Milmenschen heimatlos geworden sind, mußten auch alle in ihnen wachsenden Volks kräfte schwinden und sterben. Der Verein für Heimatkunde hatte sich nun den heutigen Sonntag gewählt, um einmal die hiesige nähere Umgebung kennenzulernen und auch zu schätzen. Die Mitglieder mit ihren Angehörigen, zu welchen sich auch viele Gäste gesellten, sammelten sich am Kreiskrankenhaus, von wo aus der Abmarsch Punkt V<2 Uhr nachmittags erfolgte. Der Wande rung schlossen sich auch die Maiden der hiesigen Grenzlandschule mit ihrem Leiter, Herrn Oberlehrer Scholz, an. Unter fröhlichem Gesang der letzteren wurde der Weg nicht lang, und nach 1 '/< stündiger Wande rung langte man an der altertümlichen Wasserburg Döbschütz an, das von zwei Armen des Dorsdaches umflossen und außerdem noch durch einen besonderen Graben mit gemauerter Böschung umgeben ist. Bis in die 70 er Jahre des 19. Jahrhunderts wurde der Zugang durch eine Holzbrllcke vermittelt: inzwischen ist es ganz gewaltig umgebaut worden. Die Führung in dem Schlöffe selbst übernahm in liebenswürdiger Weise der dortige Gutrpächter Bittelmann, der die näheren Erklärungen gab. Große Bewunderung erregte bei den Teilnehmern die Eckstube im Erd geschoß des Schlosses, an die sich unmittelbar die sog. Königsstube an schloß. In dieser hat, so lautet die Sage, Kaiser Matthias übernachtet, der am 5. September 161 l in Bautzen die Erbhuldigung der Stände der Oberlausitz empfing. Sogar die Kellerräume wurden einer Besichti- aung unterzogen, von denen unterirdische Gänge nach der nahegelegenen Schanze auf dem Burgberg führen, die aber zurzeit vermauert sind. Uber die Besitzverhältnisse von Schloß Döbschütz ist folgendes erwähnens wert: Döbschütz ist das Stammschloß derer von Döbschütz, das zu deu