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Wallfahrten im Lausitzer Land Zum 60jährigen Bestehensjudiläum des Wallfahrtsortes Filippsdorf Von Otto Flösset, Bautzen wei Gnadenorte trägt die Lausitz. Wenn die Glocken von den Türmen die Ehre Marias verkünden, dann hebt ein Wallfahrten an über das Land. Uber G - birge und durchs Getal ziehen die Gläubigen in langen Prozessionen. Heilige Fahnen wehen im Wind. Fromme Gesänge klingen darein: „Manch Kirchlein schaut von steiler Höhe hernieder in das stille Tal, wo gleichsam fällt ins Erdenwehe des Himmeis hellster Hoffnungsstrahl." Zwei Gnadenorte: dort, wo die stille Heide sich breitet, Rosenthal; und dort, wo die granitenen Wellenkämme des Lausitzer Landes am höchsten sich türmen, Filippsdorf. Hier strebt ein Wald von Schloten auf — Neugersdorf —, steinerne Rufezeichen hinter der Hast der Arbeit und des em sigen Schaffens, und über ihnen weisen zwei schlanke Türme gen Himmel: die Gnadenkirche von Filippsdorf. Geweihter Boden ist die Stätte, schon von altersher. 3n grauer Vorzeit schon, als noch die Sorben-Wenden Herren des Landes waren, lag hier ein heiliger Hain. Heidnische Priester wohnten in Höhlen dabei. Bon fernher kamen fromme Scharen. In seltsamen Bräuchen dienten sie ihren Göttern. Bon Menschenblut triefte der steinerne Opfer tisch, der inmitten des heiligen Gartens lag. Und als das Lhristenkreuz in den Wäldern Sorabiens auigerichtet wurde, kam ein frommer Klausner daher. Aus Trümmern und Stämmen, Laub und Moos baute er sich eine armselige Hütte. Er wußte wohl nichts von dem frommen Siedler Warner, der ein gleich frommes, zurück gezogenes Leben nicht weit davon an der uralten Straße lebte, die von Böhmen nach Meißen lief, jener alten Salzstraße, von der man erst in unseren Tagen wieder Reste im Erdgrunde gefunden hatte. Warner hieß er, weil er die Reisenden und Kaufleute vor den Räubern warnte, die rings in Wäldern und auf Bergen in Raubnestern ihr Wesen trieben. Warnsdorf, der heutige industrielaute Ort, soll aus der stillen Warnerhütte geworden sein. Der Klausner im „Gersdorfer Walde" wußte wohl nichts von ihm. Er diente still dem Herrn, und das Glöcklein, das vor seiner Hütte an einer knorrigen Eiche hing, rief die Gläubigen zum Gebet. Es drang auch in das Gemach der Tochter des Schloßvogts Henneboldt. Der war stn Unter tan der finsteren Herren, die drüben in der Lampelburg bei Gersdorf hausten. O, es war ein raublustiges Gesindel, und mancher Kaufmannszug, der nach Zittau hinunter ging, mußte ihre Schwerter fühlen, waren sie doch Kumpane der Herren von Schönbuch, Oybin und Landeskron! Hedwig — so hieß die Jungfrau — war einem Söldner auf der Burg durch ihren Baler zugesprochen worden. Aber sie mochte ihn nicht, denn «r war roh, hart und gewalttätig, sie aber war eine zarte, wonnesame Jungfrau. Als schon die Gäste der Braut harrten, eilte sie, von Herzensangst gepeinigt, zur Einsiedelei und flehte Gott und die Heiligen um Rettung an. Da erschien ihr die Gottesmutter und „Mein Kind, dir wird geholfen sein", so sprach sie ihr Trost zu. Ergrimmt über die Flucht, eilte der Vater zum Klausner, die Braut mit Gewalt zu holen. An der Türschwelle aber — so berichtet die Sage — wurde er von einer gebeimnisvollen Macht zurückgeworfen. So sehr er sich auch mühte, einzudringrn, es gelang ihm nicht. Bor dem Bilde der Himmelskönigin aber ward auch sein starrer Sinn gebrochen. Er sank vor ihm in die Knie, nun erst stand ihm der Eingang offen. Der Söldner mochte sie nun nicht mehr zum Weibe. Sie ward eine Nonne und ging nach Marien thal ins Kloster. Das war um 1260. Und 600 Jahre später war es Magdalena Kade, die Tochter eines armen Webers in Filippsdorf. In einem niedren Weberhäuschen lebte sie mit Vater und Bruder zu sammen, denn die Mutter war ihr frühzestig durch den Tod entrissen worden. Als das Mädchen 19 Jahre alt war, er krankte sie an den Folgen eines Schrecks. Krämpfe quälten sie, und ihr Körper ward über und über mit eiternden Geschwüren bedeckt. Alle Arztekunst versagte, und die behandelnden Arzte Dr. Ulbrich in Geo-gsioalde und Dr. Grülich in Neugersdorf gaben sie auf. Da geschah das Wunderbare. Es war in der Nacht vom 12. zum 13. Ianuar 1866. Bei der Kranken wachte Veronika am Bett, Sie besprengte sie mit Weihwasser und legte sich darauf schlafen. Gegen 4 Uhr morgens ward es plötzlich hell in der Stube, und am unteren Bettrande erschien in lichter, glänzender Gestalt, mit einer gol denen Krone auf dem Haupte, die Mutter Maria, die freund lich zu ihr sprach: „Mein Kind, von nun an heilt's." „In diesem Augenblicke verschwand die Gestalt," erzählt die Kranke, „und ich fühlte keinen Schmerz mehr." Am nächsten Tage eilte sie dem Arzt entgegen, der ob der wunderbaren Heilung nicht wenig erstaunte. Die Untersuchung ergab, daß die Eiterbeulen geschwunden waren. „Das ist ein großes Wunder," sagte der Medikus, und der Bruder „das bleibt mir ein Rätsel, solange ich lebe." Und ein großes Wunder war es allen, die davon hörten. Bon da an ward Filippsdorf ein Wallfahrtsort. Immer größer ward die Zahl derer, die herbeiströmten, um die Geschichte zu hören, die da geschehen war, und um Trost und Heilung von schweren Leiden zu suchen. Nicht alle frei lich meinten es ehrlich mit der Jungfer Magdalena. Man versuchte, ihre Hütte in Brand zu stecken; man warf mit Steinen nach ihr; man stellte ihr nach dem Leben. Aber all die Frevler wurden bestraft, wie es einem jungen Menschen erging. Er zechte in einem Wirtshaus an der Grenze und er ging sich in Drohungen auf die Geheilte. Bald verließ er trunken die Stube mit der Angabe, die Gnadenhütte nieder brennen zu wollen. Später fand man ihn tot in der Gosse. Dieser Vorfall brachte die Widersacher zum Schweigen. Mag dalena verbrachte ihre Jahre in aufopfernder Nächstenliebe an all den Tausenden Hilfesuchenden, die sich zu ihr drängten, bis sie am 10. Dezember 1905 aus dem Leben abgerufen wurde. Unter großem Gepränge wurde sie auf dem Friedhöfe im be- nachbarten Georgswalde beigesetzt. In diesen Tagen aber wurden — wiederum mit großem Gepränge — ihre sterbliche» Reste nach Filippsdorf zurückgebracht. Das alte, baufällige Weberhäuschen, in dem die Erscheinung geschehen, steht schon längst nicht mehr — nur die alte Bett statt wird in Georgswalde als Heiligtum verwahrt —, an seiner Stelle erhebt sich heute die Gnadenkapelle, ein hoher, lichter Raum. Uber dem Eingang zeigt ein Bild das Wunder der Erscheinung Marias an Magdalena. In einer kostbaren, in Goldgrund gehaltenen Nische erhebt sich der Gnadenaltar mit dem Gnadenbilde, der Gottesmutter mit Krone und weißer Gewandung, ganz so, wie sie der Kranken dereinst erschienen war Die Deckengewölbe schmücken lichte Engels gestalten. Das größte Heiligtum aber ist der Gnadenstein, welcher die Stelle bezeichnet, auf der die Füße der göttliche» Jungfrau einst gestanden haben. Groß sind die Wunder seiner Gnade. Denn alljährlich kommen Tausende in feierliche» Prozessionen daher, auch vereinzelte Pilger pflegen sich am Gnadenorte einzustellen. Bis tief ins deutsche Land hinein, bis nach Schlesien hinunter, bis in die stillen Alpentäler ist der Ruf von den Wundern Filippsdorfs gedrungen. Seit langem ist Filippsdorf ein berühmter Sammelpunkt der katho-