Volltext Seite (XML)
Besitzer. Nach dem Erbauungsjahr des Hauses befragt, weist er stolz auf die Jahreszahl 1832, die in einem Balken am Geländer eingeschnitzt ist. An einem kleinen Fenster entdecken wir noch alte Butzenscheiben. Und dann weiß er uns von seinem Großvater zu berichten, der als Zimmer mann von Seidewinkel kam und 1828 die alle Försterei abbrechen half. Das Kcllergebäude ist als einziges stehen geblieben und diente bis zuletzt als Stallung für das Vieh. Bon dem Holz aber baute er 1832 sein Heim auf. Doch wir können auch seinen Bater sprechen. Im einfachen Stüb chen sitzt der nun schon 84jährige Ahn, und rufen wir seine Erinnerung wach, so weiß er uns manches von diesem sumpfigen Gebiet zu erzählen. Als im ersten Jahre der Befreiungskriege die Russen hier Quartiere bezogen, haben die Bauern aus Untertanentreue — denn damals gehörte die Oberlausitz als sächsisches Land auf Napoleons Seite — diesen Eindringlingen große Schwierigkeiten bereitet und so auch unter anderm ihr Jungvieh in den Sumpf getrieben. Und als Zeugen jener Zeit sind Anfang März bei den Baggerarbeiten auf dem Tagebaufeld Hammermühle eine Kanonenkugel und ein Ladestock gefunden worden. Es ist sicher, daß diese Altertümer den Befreiungskriegen ent stammen Bekanntlich wollte General von Bülow nach der Schlacht bei Bautzen dem französischen Heere in die Flanke fallen. Dabei gerieten Preußen und Franzosen am 28. Mai 1813 in unserer Gegend ins Gefecht. Die Preußen mußten sich vor der französischen Übermacht zurllckziehen und die Dörfer Seidewinkel und Bergen wie auch die „Wassenburg" aufgeben. Ehe man dem Feinde den Weg nach Ruhland freigab, faßte die preußische Artillerie noch einmal zwischen Geyerswalde und Skado festen Fuß. Doch blieben auch diese Bemühungen erfolglos. Und wenn mir den ehrwürdigen Alten weiter befragen, so berichtet er uns gar geheimnisvoll von dem Wendenhügel und dem Wendenschloß, dem „Kubitz HrodLisoo". Weitere Ausdehnungen nimmt der mächtige Grubenbetrieb. Doch dort vor dem Hellen Sandberge scheint er Halt zu machen. Und wirklich! Es ist ein kohlenleeres Gebiet, eine „Aus waschung". Wie sonderbar mutet uns dies an. Denn dort liegt jene vielbesprochene Erhebung, da einst eine Wenden burg gestanden haben soll. Zwar sind die Mauern zerfallen, Erzählung und Sage aber spinnen ihre seinen Gewebe und knüpfen sie fest im abergläubischen Denken der Bewohner des Landes. Und wenn auch moderne Anschauungen die Fäden lösen, wir müssen diese Sagen als wichtiges Volks gut wecken; denn es gibt uns Kunde von dem Geistesleben derer, die in früheren Zeiten unfern Heimatkreis bewohnten und gewährt uns einen Blick in ihren Glauben, ihr Fühlen und Denken. Was ihre Borstellungsgabe besonders erregte, das kam in der Sage zum Ausdruck und pflanzte sich bis in unsere Tage fort. Wie eigenartig stimmungsvoll liegt jetzt der Hügel in mitten des Wiesengeländes. Dort blühen die Blumen des Sommers, auch die blauen Glockenblumen fehlen nicht. Schmetterlinge umgaukeln Blüten und Büsche. Das Zirpen einer Grille setzt ein, verstärkt durch eine zweite. Von fern dringt der Sang einer Drossel herüber. Und über allem breitet sich flimmernde Mittagshelle. Das ist die Zeit, da ehedem die Miltagsfrau über die Felder schritt und alle Arbeit ruhen mußte. Schenken wir ihr Gehör, wie sie aus vergangenen Zeiten zu berichten weiß: „Und es geht über das Wendenschloß die Sage: Große Schätze bargen die weiten Gemächer im unteren Teile der Burg. Als dann die Feste in Trümmer sank, wurden gar niedliche Männlein zu Hütern der kostbaren Reichtümer bestellt. Zwerge waren es, die nun die Herr schaft dieses Reiches führten. Des Tages verborgen in der Tiefe ihrer Behausung, erschienen sie am Abend oft den Bauern, die spät von ihrer Feldarbeit heimkehrten. Einst hätte der Schmied des Dorfes Laubusch den Schatz erhalten können. Der Schloßwächter hatte ihm befohlen, in der nächsten Nacht wiederzukommen. Es solle ihn aber ein schwarzer Pudel begleiten, geführt an einer selbstgeschmiedeten Kette von Stahl. Der Schmied tat, wie ihm befohlen war, und traf zur mitternächtlichen Stunde beim Wächter ein. Doch der wies ihn mit rauhen Worten ab: „Was willst du mit dem fremden Eigentum hier?" Wohl hatte der Bauer die Kette selbst geschmiedet, aber zu einem Stück eine gestohlene Sense verwendet. Beschämt trat er den Heimweg entlang des Elsterlaufes an. Doch bald geriet er in großen Schreck, als sich eine schwarze Gestalt auf seine Schultern setzte. Erst in der Nähe des Dorfes ließ sie ihn los. Auch Pudel und Kette waren ihm abgenommen worden. Die Gegend des Hügels aber mied er, solange er lebte. Ein anderer Bauer des Dorfes war einst mit seiner Magd bei der Feldarbeit beschäftigt. Da gewahrte er die kleinen Gestalten. Und größer wird sein Erstaunen! Sie erlauben ihm, von den Schätzen mitzunehmen, soviel er wolle. Da entfährt ihm ein Fluch bei dem geschäftigen Treiben, und sogleich verschwinden die Kostbarkeiten. Mehr Glück hatte die Tochter einer armen Witwe. Stand doch die Viehzucht des Dorfes in voller Blüte, als die Zwerge am Berge ihr Wesen trieben. Dort weidete das Mädchen einstmals die Kühe. Nur etwas hartes Brot barg ihre Hirtentasche. Da sah sie beim Eintritt der Dämmerung viele kleine Lichter auf dem Hügel. Bald hatte sie ihre Angst überwunden, faßte sich Mut und ging näher. Sie traute ihren Augen kaum. Das waren die Männlein, die auf dem Hügel gar lustige Tänze voll führten. Einige kamen auf sie zu und baten innigst um ein Stückchen Brot. Obwohl das Hirtenmädchen nur wenig besaß, gab sie doch die Tasche mit der Gabe. Kurz darauf verschwanden die kleinen Gestalten. Dem Mädchen aber ward angst und bange, auch trauerte sie um den Ver lust der Tasche. Eben wollte sie sich schluchzend zur Heim kehr wenden, als sie eine Stimme zurückrief. Zugleich waren die Wundermännlein wieder hinter ihr. Die Tasche war ebenfalls zur Stelle, aber, nicht leer, sondern voll wunderbarer Kohlen. Dann schärften ihr noch die kleinen Wichte ein: „Treib deine Kühe heim, doch blicke nicht zurück!" Immer schwerer wurde die Last der Tasche. Aber das Mädchen vergaß nicht des Männlein Wort. Als sie jedoch beim Hause der Mutter anlangte und die Tür öffnete, fiel sie zu Boden und konnte sich nicht mehr erheben. Schließlich rief die geängstete Mutter die Nach barin zu Hilfe. Dann gelang es mit vieler Mühe, das Mädchen aufzurichlen. Sie erzählte nun von ihrem Er lebnis. Und als man den Inhalt der Tasche betrachtete, erwies er sich als lauter reines Gold." Soeben hat sich eine dunkle Wolke vor die Sonncnscheibe geschoben. Verschwunden ist die freundliche Gestalt, die den Hellen Sonnenschein nur liebt. Auch wir befinden uns mit wenigen Schritten in einer anderen Welt, stehen am Tagebaubetrieb der Grube Erika, und lassen in diesen Augenblicken die mannigfaltigen Gegen-