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welche Spcner einrichtctc und scinc Jünger in seinem Geiste fortführten, weckten eine fromme Innigkeit durch erbauliche Auslegung der H. Schrift und durch christliches Gespräch, Scinc „?ia ckeoiäerm oder herzliches Verlangen nach gottgefälliger Besserung der wahren evangelischen Kirche" forderten zu einer Reformation des religiösen Lebens auf: durch die Schrift sollte die Kirche wieder erbaut und der geistliche Stand zur Gottseligkeit erzogen werden, daniit das Christcnthum, in apostolischer Einfalt gepredigt, wieder die Religion des Herzens und der That werde. Spencr suchte, unter großer An feindung der Orthodoxen, durch Wort und That, durch Predigt, Katechisation und Erbauungsschriften und besonders durch die im I. lt>87 unter seinem Einfluß von jüngeren Gelehrten in Leipzig gegründete Gesellschaft zur Auslegung und frommen Nutzanwendung der H. Schrift religiöses Gefühl, christliche Gesinnung und Glaubcns- innigkcit zu erwecken und den theologischen Wortkram zu verdrängen. Unter Spencrs Jüngern zeichnete sich besonders aus Herrn. Francke, welcher inA^"" Lübeck geboren, in Gotha hcrangcbildct nach einigen erfahrungsreichen Lehrjahren sich r >127, in Leipzig als Docent niedcrlicß, wo er nach dem Vorbild des Meisters für eine tiefere Religiosität des Herzens und Lebens thätig war. Seine von Studenten und Bürgern fleißig besuchten Vorlesungen zur Erklärung der H. Schrift zogen ihm jedoch bald den Neid und die Feindschaft der rechtgläubigen Eiferer zu, so daß sie seine Vertreibung aus Leipzig bewirkten. Die Uebersiedelung Franckc's und des gleichfalls aus Leipzig ver- l«»u. drängten freisinnigen Christian Thomasius nach Halle gab Veranlassung zur Gründung dieser Universität, wo Francke eifrig bemüht war, durch Predigten, Bibelauslegungen und Erbauungsschriften einen frommen Sinn, ein gottseliges Leben zu schaffen, die heilige Schrift in die Hände des Volks zu bringen und in Schule und Haus christliche Gesinnung einzuführen. Das von ihm gegründete Waisenhaus ist „ein Sicgcsdcnkmal des Gottvertrauens und der Menschenliebe". Bon ähnlichem Geiste beseelt war der an Gottesfurcht und christlicher Tugend reiche Gottfried Arnold, der in seinen geistlichen'^^,7,4. Liedern religiöses Gefühl der leeren Glätte der Franzosen entgegensetzte und in seiner „unparteiischen Kirchen- und Kctzerhistoric" das bestehende Kirchensystcm und die orthodoxe Schuldogmatik bekämpfte, indem er zu beweisen suchte, daß die herrschende Kirche zu allen Zeiten weniger vom wahren Geist des Christcnthums beseelt gewesen sei, als die verfolgten und unterdrückten Sccten. Dieses in herzlicher Sprache und frommer Ge sinnung verfaßte Buch, „eine Schutzschrift für Ketzer und Mystiker", erregte einen Sturm des Beifalls und des Widerspruchs. Die Streitschriften für und wider füllen einen starken Folioband. In seinem „Leben der Gläubigen" und in seiner „Historie und Be schreibung der mystischen Theologie oder geheimen Gottcsgelahrtheit" zeigt Arnold, wie reich das gottbegcistcrte Leben derer ist, die nach einem höheren religiösen Ziele streben. Arnolds kirchengcschichtliche Erzählungen regten den gelehrten Mosheim zu ähnlichen M^hc»» Forschungen an, woraus die erste wissenschaftliche Kirchengcschichte ihre Entstehung nahm. Auch Konrad Dippel aus dem Darmstädt'schen, ein wegen seiner wcchselvollen Lebens- schicksale wie wegen seiner vielseitigen schriftstellerischen Thätigkeit viel genannter Schrift steller, bewegte sich lange in den Ideen und Empfindungskreisen der Pietisten; aber sein beweglicher Geist führte ihn bald zu Widersprüchen und Inkonsequenzen, so daß seine Schriften und sein Leben ein eigcnthümliches Gemisch von Mysticismus und Rationa lismus, von Pietismus und Frivolität der Gesinnung darstellen. sD Anfangs war das Streben und die Wirksamkeit der Pietisten höchst wohlthätig. Sie redeten in der Sprache der Bibel zum Gemüthe des Volks und kämpften für Glaubensfreiheit von dem Drucke der Schultheologcn und Consistorien, für Erweckung wahrer Religiosität im Herzen des Volks; als aber ihre Gegner, überwunden vom Geiste der Zeit, endlich verstummten, da verlor der Pietismus mit dem freien reforma-