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V. Preußen und das deutsche Reich. 939 errichten! Auch von der Heit. Heistkirche in Heidelberg wurde der Chor durch eine Scheidewand von dein Schiff getrennt und den Katholiken übergeben. Sv conscguent wurde dieses Verfahren während der ganzen Regierung Johann Wilhelms eingehaltcu, daß, wie die Jesuiten triuinphircnd rühmen konnten, dein katholischen Kultus 240 Kir chen geöffnet wurden ohne daß bei einer einzigen katholischen die Reeiprvcität stattge- fundcn. Und wie mit den kirchlichen Gebäuden so wurde es auch mit dem Kirchcnvcr- ittvgcn und den geistlichen Einkünften gehalten. Mit Militär und Polizei 'wurden die Protestanten gezwungen, die katholischen Feiertage zu beobachten, den Prozessionen und Ccrcmonicn durch Kniebeugen ihre Ehrfurcht zu bezeugen. Der Geschichtschreiber der Pfalz bezeichnet diese Periode als die Jahre des „kirchlichen Terrorismus." Erst als während des spanischen Erbfolgckricgcs die wider Frankreich verbündeten refornnrten Staaten sich der bedrängten Confessionsverwandtcn annahmcn und die preußische Regierung mit Repressalien gegen die Katholiken drohte; wurde durch die „Religionsdeclaration" vom I. 1705 den Gcwaltthätigkciten Einhalt gethan und Gewissensfreiheit gewährt. Aber von Rückerstattung der Kirchen und geistlichen Güter mar keine Rede. Und da man nur dem äußeren Zwang nachgab, dem Rechte gewaltsamer Bekehrung keineswegs entsagte, so traten auch nach dieser Zeit häung genug Fälle des rckatholicircndcn Systems und des ungerechtesten Thcilungsverfahrens ein. Die Entzweiungen zwischen Lutheranern und Kalvinisten, die unter einander eben so erbitterte Kämpfe der Into leranz führten, wie gegen die Romanisten, arbeiteten der katholischen Regierung in die Hände. Wie uns bekannt, trug Johann Wilhelm als Frucht seiner habsburgischcn Politik in dem erwähnten Kriege bei der Achtscrklärung seines Wittelsbachcr Verwandten Max Emanucl die Oberpfalz davon, die im dreißigjährigen Kriege dein rheinischen Kur- fürsten entrissen worden war; aber er erfreute sich dieser Erwerbung nicht lange; in den Friedensschlüssen vouRastatt und Baden wurde der Bundesgenosse Ludwigs XIV. wieder in alle seine ehenialigen Besitzungen hcrgestcllt. Dafür hatte denn derPfälzerdic Freude, daß die „Ryswicker Klausel" aufs Neue anerkannt ward! — Glücklicher war Johann Wilhelm in seinen Bemühungen, durch Verträge mit dem Bischof von Worms, seinem Bruder, und dem Markgrafen von Baden mehrere Territorien und Städte, deren Besitz bisher streitig gewesen, an die Pfalz zu bringen, so daß die Aemter Ladenburg und Kreuznach mit einer Anzahl umliegender Ortschaften den Kurlanden beigefügt wurden. Aber die Be zeichnung „fröhlich Pfalz" konnte nicht mehr auf die schönen Territorien am Neckar und Rhein angcwcndct werden. Das Neuburger Fürstenhaus fühlte sich nicht heimisch in dem calvinischen Lande; der Hof weilte lieber in Düsseldorf, in dem katholischen Bcrg-Clcvcschen Lande, wo die absolutistisch-jesuitische Regierung auf keine kirchcnräth- liche Opposition stieß, wo der Luxus, das Freudcnlebm, die prunkende Hofhaltung, die Genüsse und Lustbarkeiten, an denen Johann Wilhelm gleich dem französischen Monarchen so großes Gefallen fand, nicht durch Mißtöne und unliebsame Erinnerungen gestört wurden. Während das Heidelberger Schloß mehr und mehr verödete, trat Düsseldorf in die Reihe der glänzenden fürstlichen Residenzen ein, wo Lustschlösser, Prachtbauten, Kunstsamm lungen und Gemäldegalerien den vornehmen aristokratischen Eindruck hervorbrachtcn, aus den jene Zeit so hohen Werth legte. Manche niederländische Meisterwerke, die jetzt die Bildersälc Münchens schmücken, zierten einst die kurfürstliche Residenz Düsseldorf. „So stellte sich Johann Wilhelm den Höfen zu Versailles, Dresden, Braunschweig, Cassel an die Seite; der Weihrauch, den ihm Jesuiten, Höflinge und Künstler streuten, mußte ihm freilich den verkümmerten Zustand seiner pfälzischen Besitzungen verhüllen. Wenn er allenthalben in dem Lande Jülich durch fürstliche Freigebigkeit den mächtigen Monar chen zur Schau trug, wenn er Düsseldorf durch glänzende Bauten, namentlich durch die Anlage der Neustadt, vergrößerte, so war das Grund genug, daß man ihm dort