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I. Der spanische Erbsolgekrieg. Weise entschieden, als wenn die Thcilungsvcrträge, welche Frankreich eine ge- gebietcndc Stellung im Mittelniecr geschaffen hätten, zur Ausführung gekommen wären. Im Parlament erfuhren die Theilungstractate, die ohne Mitwirkung der Häuser abgeschlossen worden, heftige Angriffe; in Holland erkannte man ohne Zögern den neuen König von Spanien an, in der Voraussetzung, daß er wie der Vorgänger sich an die Ryswicker Friedensartikel halten werde. Darin war auch die Bestimmung ausgenommen, daß zur Sicherung der Grenzen gegen Frank reich in mehrere Festungen, wie Luxemburg, Mons, Charleroi holländische Be- satzuugstruppen gelegt werden sollten. Aber bei dem französischen Machthaber regte sich der alte Uebermuth: die ehrgeizigen Pläne früherer Jahre, der fran zösischen Monarchie eine weltbeherrschende Machtstellung zu erwerben, erwachten wieder mit aller Kraft. Die Erfolge, die seine Diplomatie nicht nur in Spanien, sondern auch an andern Orten errungen, bestärkten ihn in seinem Stolze und in dem Glauben, daß er Alles vermöge und Alles am besten wisse. Kurfürst Max Emanuel von Baiern, Generalgouverneur der spanischen Niederlande hatte aus Verstimmung über den verwandten Kaiserhof in Wien wieder in die alten Tra ditionen der Wittelsbacher Dynastie cingelenkt, hatte nicht nur für sich selbst mit Ludwig XIV. ein Bündniß zu Schutz und Trutz geschlossen, kraft dessen er die belgische Statthalterschaft auf Lebenszeit behalten und dereinst die Rhcinpfalz wieder an sein Haus bringen sollte, sondern er hatte auch seinen Bruder Joseph Clemens, der vor zehn Jahren gegen den Willen Frankreichs durch Kaiser und Papst zum Erzbisthum Köln gelangt war, bewogen, dieselbe Politik zu ergreifen und dem spanisch-französischen Bündniß bcizutreten. Eben so hatte sich Victor Amadeus II. von Savoyen-Piemont bestimmen lassen, die frühere Allianz mit dem Versailler Hof zu erneuern und damit die Ehre zu erkaufen, daß seine Tochter Luise Gabrielle zur Gemahlin Philipps, zur Königin von Spanien er koren ward. Mit deutschen Fürstcnhöfen bestanden noch manche Beziehungen, die wieder erneuert werden konnten, und die Pariser Diplomatie ließ es nicht an Thätigkeit fehlen. Konnte doch ein holländischer Botschafter seiner Regierung schreiben: „Allenthalben drängt sich in Deutschland der Teufel in Gestalt fran- Mscher Agenten ein." Als Tallard, der französische Gesandte in London seinein Gebieter denTrammchs günstigen Ausfall der Parlamentswahlen und die friedfertige Stimmung des Politik. Volkes meldete, fügte er die warnende Bemerkung bei, es möge nichts unter- lloinmen werden, was die englische Nation aufreizen könnte. Aber in seiner Siegeszuversicht achtete Ludwig nicht auf die Mahnung. Je mehr man in Holland und England die Trennung der beiden Reiche, die Selbständigkeit und Ziiabhängigkeit der spanischen Monarchie als Grundbedingung der Zustimmung "l den Vordergrund rückte, desto schärfer gab Ludwig XIV. die Absicht zu er- kevnen, die neue Gestaltung zum Vortheil Frankreichs zu verwerthen, der Welt zu thun, daß fortan die Interessen und die Politik beider Kronen als iden- 50*