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V. Preußen und das deutsche Reich. 925 Mißgriffe wirkte er viel Wvhlthätigcs. Den Domänen insbesondere widmete er die sorgsamste Pllcge, schaffte überall die Erbpacht ab, führte eine rationellere Bewirth- schastung ein und erhöhte so den Ertrag; biß in die kleinsten Einzelheiten sind eigen händige Verordnungen des Königs über diese Dinge vorhanden. Für alle Verbesse rungen der Landwirthschast und Viehzucht, für Anbau wüster Plätze, für Gründung neuer Ansiedelungen, für das Gedeihen der bäuerlichen Arbeit hatte er Anregung, Förderung und auch eine offene Hand. Die durch Pest und Hungersnoth entvölkerten Provinzen Preußen und Litthaucn, wo er aus Sumpf und Haide treffliches Ackerland schuf und die Zahl der Städte verdoppelte, verdankten ihm eine außerordentliche Hebung der Cultur und des Wohlstands. Freilich zeigte er auch hier nicht selten seine gewalt- thätige Natur, so wenn er, um Berlin und Potsdam in die Höhe zu bringen, beliebigen Leuten, die er für geeignet hielt, Häuserbauten an angewiesenen Orten befahl, ohne im mindesten auf ihre Neigung und finanzielle Fähigkeit Rücksicht zu nehmen, ein Verfahren, das Manchen geradezu wirthschaftlich zu Grunde richtete. Fleißige und brauchbare Ansiedler fanden von überall her eine willkommene Aufnahme in Preußen. Der Reli gionsdruck, der in vielen Nachbarländern herrschte und dem preußischen Königreich so manche tüchtige Kraft zuführte, kam auch Friedrich Wilhelm I. zu Statten ; die Auf nahme der vertriebenen Salzburger Lutheraner, mehr als 15,000 fleißige und wohlhabende Bauern, die in den östlichsten Grcnzlandschaften angcsicdclt wurden, war eine sehr wcrthvollc Erwerbung. Und ebenso beförderte der König durch Unterstützungen und Steuererleichterungen den Zuzug kcnntnißrcicher Gewerbetreibender; die gesunkene einheimische Manufactur zu heben, war sein eifriges Bestreben; für alle Zweige der Fabrikation ergingen die genauesten technischen Vorschriften. Ein tüchtiger Bauer und ein geschickter Handwerker waren eigentlich die einzigen Berufsartcn, vor denen er neben dem Soldatcnstand Achtung hatte. Die Fürsorge für diese untern Schichten der Gesell schaft, die Geringschätzung adeliger Geburt und vornehmer Lebensstellung ist ein her vorstechender und wohithucnder Lharakterzug Friedrich Wilhelms. Ein Domäncnrath von Schlubhuth, von hochangcsehener Stellung und gutein Adel, der Colonistengclder veruntreut hatte, wurde sofort ausgcknüpft, ein Verfahren, das weithin Aufsehen und Schreck verbreitete. Die einzige kostspielige Neigung, die dieser sparsame, man kann sagen geizige MM, Kvnig hatte, war seine Vorliebe für Alles, was sich auf den Soldatcnstand bezieht. Zur"^"' Vermehrung und besseren Ausrüstung seines Heeres war ihm keine Ausgabe zu hoch und jedem einzelnen seiner „lieben blauen Kinder" wandte er ein persönliches Interesse zu. Das Eincxercircn, die Sorge für Bekleidung, Verpflegung, Bewaffnung seiner Truppen war ihm die tägliche und am meisten am Herzen liegende Beschäftigung; er brachte gegen Ende seiner Regierung über 80,000 Mann zusammen, die schon damals jene viclbewunderte preußische Ausbildung im Dienste zeigten. In der Sicherheit und Schnelligkeit des Fcucrns, die durch Einführung der eisernen Ladstöcke statt der hölzernen wesentlich erhöht wurde, in der Präcision der Gewehrgriffe und des Taktschrittcs, in der straffen Haltung, in der peinlichen Sorge für Waffen und Uniformen stand schon damals die preußische Armee einzig da. Unermüdlich ging dein König bei diesen Organisationen Leopold von Dessau zur Seite. Allerdings hielt mit den äußeren Fertigkeiten, die viel leicht manchmal übertrieben waren, doch aber mit Unrecht als Gamaschendienst ver spottet wurden, die innere Ausbildung und geistige Hebung des Heeres nicht Schritt. Beim Offiziercorps wurde aus ordentliche Führung, Gewissenhaftigkeit in allen Kleinig keiten des Dienstes, persönliche Ehre und militärisches Standesgcfühl gesehen; von kricgswisscnschaftiicher Bildung aber hielt der König nicht viel, und noch weniger der „alte Dcffaucr". Eine gewisse Rohheit galt fast als ein Ruhm des damaligen Offizier-