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IV. Der Norden und Nordosten nach Karls XU. Tod. 913 die folgenden Vorgänge im Herrscherpalast zu Petersburg berechtigten zu dem schreck lichen Urthcit, „die russische Verfassung ist despotisch, aber durch den Meuchelmord gemildert." La Chctardie kam bei dem neuen Kaiscrhos zu Gunst und Einfluß und die Urheber und Helfer bei dem gelungenen Staatsstreich wurden belohnt und ausge zeichnet. Aber auch Lcstocq erfuhr in der Folge die Wandelbarkeit des Schicksals. Als er während der Kriege zwischen Oesterreich und Preußen, die wir bald kennen lernen werden, im Interesse des Berliner Hofes wirkte, wurde er gestürzt und von der undank baren Kaiserin nach Sibirien verbannt, worauf der viclgewondte ränkereiche Befluschcw die Regierung im österreichischen Sinne leitete, bis ein neuer Thronwechsel auch einen neuen politischen Umschwung herbciführte. Unter der Kaiserin Elisabeth, deren Hang zu Wollust und roher Sinnlich- §°Aktb keit wir schon früher angedeutet haben, erreichte die Unsittlichkeit am Petersburger nri-iror. Kaiserhof den höchsten Gipfel und das Laster, das bisher noch einen Schleier vorzuziehen gesucht, zeigte sich von nun an ohne alle Hülle in seiner natürlichen Häßlichkeit. Wie in Frankreich ein Mätrcssenreginient die Wohlfahrt und die sittlichen Grundlagen des Staates untcrwühlte, so in Rußland eine Favoriten herrschaft. Die Finanzen geriethen in Unordnung, der Wohlstand sank, alle gemeinnützigen Anstalten verfielen. Elisabeth Pctrotvna überließ sich und das Reich ihren Günstlingen und folgte selbst in den wichtigsten Angelegenheiten ihren Leidenschaften. Hebungen andächtelnder Frömmigkeit waren bei ihr mit Sinnen- lust und Ausschweifungen verbunden. 3. Polen und Stonislaus Lesrzinski Auch mit Polen schloß die schwedische Regierung Frieden und erkannte den Sachsen-Kurfürsten als König an. Doch sollte Stanislaus, dem Karl XII. in seinem pfälzischen Erblande Zweibrückcn eine Zufluchtsstätte gewährt hatte, den Königstitel fortführen dürfe» und für seine Ungezogenen Güter eine Million Gulden erhalten, eine Bedingung, die sehr mangelhaft zur Ausführung kam. Nach dem Tode seines Gönners siedelte Stanislaus, da er sich als eifriger Katholik und Jesuitenfreund mit dem calvinischen Herzog von Pfalz-Kleebnrg, dem Neffen und Erben Karls XII. nicht vertragen konnte, nach dem Städtchen Weißenburg im Elsaß über, bis er durch den Gang der Dinge nochmals auf die Schaub," hue des politischen Lebens geführt ward. — Nach seiner Wiederein setzung in Polen machte August II. von Neuem den Versuch mit Hülfe seiner Sachsen und Bundesgenossen die polnische Königsmacht zu heben, der Adels republik ein mehr monarchisches Gepräge, der Krone mehr Macht und Autorität geben. Aber sein Vorhaben scheiterte an dem Widerstand der Magnaten. Eine allgemeine Conföderation zwang ihn, die sächsischen Truppen aus dem Neiche zu entfernen. Desto bester gelang sein Bestreben, durch Einführung eines Sesteigerten Luzus und Sittenverdcrbnisses sich den Adel mehr zu eigen zu machen Und den kriegerischen Sinn zu brechen. Die von Paris nach Dresden, von W-blr, Weltgischichle, XII. 58