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HI. Das südliche und westliche Europa. 857 fünfzigjährigen Regierung zu lösen gesucht. Und hat er seine Zwecke wirklich erreicht ? Allerdings hat er den Feudalismus des früheren Regimes »icdcrgcworfcn, den revolutionären und frondirenden Adel von ehedem dienstwillig und loyal ge macht, die Statthalterschaften und die hohen Acinter und Würden in Chrenstellen und Sinccurcu von dccorativein Ansehen unigcwandelt, dagegen die Geschäfte und die eigentliche Executivgcwalt einer von der Krone geschaffenen und ab hängigen Beamtenhicrarchie zugcwieseu; allerdings hat er die alten Provinzial- ständc zu einem Schein und Schatten hcrabgcdrückt, die Rcichsslände zu einer historischen Erinnerung vergangener Zeiten erniedrigt, die Rechte und Privilegien der Mnnicipalitäten zu bedeutungslosen Urkunden gemacht; allerdings hat er den rcformirtcn Gottesdienst aufgehoben und die kirchliche Uniformität mit Zwang und Gewalt begründet: aber was hatte diese despotische Gleichmacherei zur Folge? Anstatt daß Thron, Altar und Nation zu einem Ganzen sich consolidirt hätten, trat mehr und mehr eine Opposition zu Tage, die fortwuchernd in alle Schichten der Gesellschaft, insbesondere in die gebildeten Klassen Eingang fand. Man prüfte, ob die Idee der Souveränetät so weit gehe, daß sie Gewissensfrei heit und überlieferte Rechtsinstitute unterdrücken dürfe. In der Schrift „Seufzer des geknechteten Frankreich" wurde der despotische Mißbrauch der königlichen Gewalt gerügt und die Herstellung der ständischen Versammlung als Heilmittel empfohlen. Wir wissen, daß Fenelon für politische Reformen in diesem Sinne zu wirken gesucht; und daß der Herzog von Bourgogne dem Systeme seines Groß vaters nicht zugethan war, hatte ihm die Volksgunst eingetragen. Auch die äußere Politik Ludwigs XIV. hat nicht zu dem Ziele geführt, das ihm sein Herrscherstolz vorspiegelte. War cs auch ein großer Triumph, daß ein Bourbon über Spanien und die transatlantische Welt gebot, so war doch der Traum einer französischen Weltmonarchic wie eine Seifenblase zerronnen. Der Utrcchter Friede schuf ein Frankreich, das an Macht und Autorität hinter den Errungenschaften des Nymweger Friedens zurückstand. Und welche Zustände hatte der unheilvolle Krieg in dem Königreich erzeugt! Eine Schuldenlast von mehr als tausend Mil lionen drückte auf das Land; Gold- und Silbergeld war ohne Erhöhung des Gehaltes im Werth willkürlich gesteigert und durch Papierschcine von wenig Sicherheit ergänzt worden, die Kräfte des Staats wurden über Gebühr durch hohe, ungleich und ungerecht vertheilte Steuern in Anspruch genommen; Adelstitel, Aemter und Würden wurden verkauft; der innere Wohlstand war verschwunden; das Kolonialwesen ging seinem Verfall entgegen; die See herrschaft befand sich in den Händen der Engländer; Krieg und Verfolgung hatten viele Provinzen ganz entvölkert; Hunger und Nahrungsmangel herrschten allenthalben; Frankreich war erschöpft und sein Credit und guter Name dahin. „Wir bestehen nur noch wie durch ein Wunder," sagte damals Fenelon; „der Staat ist eine alt gewordene ruinirte Maschine, die unter dem früheren Anstoß sortkriecht, um unter dem ersten Schlage zusammenzubrechen." War es unter