Volltext Seite (XML)
796 6. Das achtzehnte Jahrh. in den vier ersten Jahrzehnten. Juni i7v2, hartnäckigem Widerstand eingenommen. Bald darauf erschien der Herzog von Marlborough mit einer Armee von 60,000 Mann in den Niederlanden. Als der große Feldherr mit unbeschränkter Gemalt nach der Maas und dem Nicderrhein vorrückte, kam ein frischer Geist über die Verbündeten. Aus gezeichnet als Staatsmann und Diplomat wie als Heerführer und gewandt wie wenige in den feinen Künsten des Hofes erlangte der Lord bald ein Ansehen bei der niederländisch-deutschen und englischen Armee wie Prinz Eugen bei den Kaiserlichen. Der französische General Boufflers, ein Günstling des Versailler Hofes ohne hervorragende militärische Begabung, beschränkte sich auf die Ver- thcidigung der flandrisch-brabautischen Provinzen und ließ seinem Gegner freie Juli i7vr H^d an der Maas. Marlborough brachte in Kurzem Venloo, Rocrmonde, Lüttich in seine Gewalt und machte, nachdem er sich mit den Preußen und den übrigen Verbündeten vereinigt, solche Fortschritte, daß in Kurzem die wichtigsten Festungen und Städte, wie Geldern, Rheinberg, Limburg und Bonn in den Besitz der Aliirten kamen und die Franzosen das ganze Kurfürstcnthum räumen mußten. Joseph Clemens selbst sah sich gcnöthigt, als der Rcichshofrath ihn für einen Verräther erklärte und die Verwaltung des Landes dem Domcapitcl über trug, den abziehenden Beschützern zu folgen und seinen Aufenthalt in Frankreich zu nehmen. Der geistliche Fürst hatte sich selbst gerühmt, daß er mit Hülfe der Franzosen gegen die Einwohner des Bergschcn Landes, weil sie den Pfälzer» vor Kaiserswerth Vorschub geleistet, so gehaust habe, „daß sich auf zwanzig Meilen kein Bauer mehr habe sehen lassen". Nunmehr erlangten die Verbündete» am ganzen Niederrhein die Oberhand, so sehr auch die treffliche Einrichtung des französischen Heerwesens, die Kriegskunst der geübten Truppen und die Einheit und Planmäßigkeit der Bewegungen gegenüber der vielgegliederten Kriegsmacht der Feinde sich noch immer geltend machte und Bewunderung erregte. ?nd Är' betrachtet man die Lage der Dinge auf dem weiten Kriegsschauplatz bündele, im Jahr 1703, so wird man diese Bewunderung gerechtfertigt finden. Während in Languedoc der Bürgerkrieg gegen die „Camisarden", der uns aus frühere» Blättern bekannt ist, seine gräuelvollste Gestalt erreicht hatte und nicht nur die Miliz der Provinz, sondern auch regelmäßiges Militär unter dem MarschaÜ de la Baume Montrevel in Anspruch nahm, waren die Franzosen stark genug, die spanischen Niederlande durch ausgedehnte Linien zu beschützen; vermochte Okt. i7v2. Villars, nachdem er Kehl besetzt und sich in dem glücklichen Treffen bei Fried' lingen den Marschallstab verdient, den Markgrafen Ludwig von Baden aus seinen Stellungen zu drängen und sich den Weg nach Schwaben zur Verbindung mit dem Kurfürsten von Baicrn zu öffnen, der sich der Festung Ulm bemächtigt hatte. Der Reichsfeldherr, der von dem unfähigen nnd unbotmäßigen kaiser- lichcn General Styrum in allen Unternehmungen gehemmt, von den Reichs' ständen mangelhaft unterstützt ward, dessen Truppen hungerten und in Lumpe»