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742 I'. Literatur und Geistesleben. Rationalismus führten, und widerstand den Prinzipien, Dies erfuhr auch Christian ^°—,///Wolfs, derjenige unter Leibnizens Schülern, welcher die zerstreuten Grundgedanken ' des Meisters zusanimcnstellte und zu einem förmlichen Lehrgebäude nach mathematischer Methode entwickelte und ausbildete, Sohn eines Handwerkers von Breslau hat der begabte und fleißige junge Mann als Professor in Leipzig und Halle sich rasch einen bedeutenden Wirkungskreis geschaffen und sowohl durch seine Schriften, als durch seine Lchrthätigkeit sich einen berühmten Namen gemacht, bis es den Orthodoxen und Pietisten gelang, bei dein zweiten König von Preußen, Friedrich Wilhelm I, den Philosophen als einen Feind des rechtgläubigen Christcnthums zu verdächtigen und seine Verweisung aus Halle zu erwirken. Wolfs erhielt den Befehl, „bei Vermeidung des Stranges" innerhalb vierundzwanzig Stunden das Königreich zu verlassen. Er siedelte daraus nach Marburg über, wo er seine wissenschaftliche Thätigkeit fortsetzte, bis nach des Königs Tod sein Sohn und Nachfolger Friedrich II, den Philosophen nach Halle zurückricf. So eifer süchtig übrigens Wolfs auf den Ruhm der Originalität Anspruch machte, so war er doch nur der Erbe der Lcibniz'schen Ideen, sein Hauptvcrdienst bestand darin, daß er diese zerstreuten Ideen des genialen Mannes mit logischer Klarheit und mathematischem Ver stände zu einem System ordnete und die deutsche Sprache zu wissenschaftlichen Werken anwendcte. Bis zum Jahr 1726 hatte er in gut geschriebenen deutschen Lehrbüchern alle Thcilc seiner Philosophie dargestellt und eine wissenschaftliche Terminologie geschaffen; erst als er sich mit der steigenden Ausbreitung seines Ruhmes immer mehr als einen „Professor der Menschheit" fühlte, bediente er sich der lateinischen Sprache. ^Wolffis^e Auch nach Wolfs ist die „Aufklärung des Verstandes" Grundbedingung alles Philosophie, wissenschaftlichen Forschend und die daraus hcrvorgehcnde Erkcnntniß der Wahrheit und die Liebe zum menschlichen Geschlecht das Ziel der Philosophie, Das gcsammte Wißen unter den beiden Hauptgesichtspunkten der theoretischen und der praktischen Philosophie zusammenfassend entwickelt er zu dem Zweck die einzelnen Thcile in ein auf mathema tisch-logischer Methode aufgcbautes festgcschlossencs System, dem der Charakter einer trockenen Schulweisheit anhaftet. Die Lcibnizsche Monadologie in ihren kühnen Säbcn abschwächcnd löst er die Einheit von Seele und Leib auf und bringt somit die Lehre des Meisters der gewöhnlichen Weltaussassung näher. „Er will insbesondere denjenigen Monaden, welche nicht Seelen sind, nicht Vorstellungen beilegen, ferner die prästabilirte Harmonie nur als eine zulässige Hypothese gelten lassen und die Möglichkeit der natür lichen Wechselwirkung zwischen Leib und Seele nicht ausschließcn". Indem er aber Seele und Körper sondert, ist er genöthigt, „die deutliche Erkcnntniß von der dunkeln, die Moral von der Natur, Gott vom Universum zu trennen; und so wird hier jenes geistige Band ausgelöst, welches bei Leibniz im Begriff der Monade und Entwicklung die Ordnung aller Wesen zusammenhiclt". An dem Optimismus und Determinismus hält auch Wolfs fest. Die Welt erscheint ihm als ein mit Weisheit und höchster Zweck mäßigkeit geschaffenes Werk Gottes, durch welches er sich selbst offenbart. Alles voll zieht sich darin nach ewigen durch göttlichen Rathschluß bestimmten Gesehen, nach einem ursprünglich festgesetzten Zusammenhang und Causalnexus, welcher kein willkürliches Eingreifen der Allmacht, kein Wunder zuläßt. Die Zweckmäßigkeit und den Nutzen der Dinge erkennen ist nach Wolfs die höchste theoretische Weisheit und nützlich zu handeln die höchste praktische, Offenbarung und Wunder werden von Wolfs nicht unbedingt verworfen aber nur mit solchen „Kriterien" oder „Kennzeichen" zugclassen, daß sie nur noch dem Namen nach für möglich, dem Wesen und der Sache nach für unmöglich erklärt wurden. Den Hauptnachdruck legte Wolfs wie Leibniz auf die Sittenlehre. Beide bewunderten die Moral der Chinesen, die damals durch die Zesuitenmissionare in