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722 kV Literatur und Geistesleben. Europa erlangt hat. In dem Schlöffe zu Versailles mit seinen Prachtsälen und Gale rien, mit seinen Gartenanlagen, Baumgängcn und Springbrunnen, bei dessen Bau die ersten Architekten, vor Allen die beiden Mansart, Oheim und Neffe, thätig waren, bei dessen Ausschmückung mit Decken'- und Wandgemälden, mit Bildwerken und Orna menten die ersten Maler, wie Lcbrun, Jouvcnct, Mignard und die geschicktesten Bild hauer wie Girardon, Cvpscvox, Dcsjardins Hand anlegten, wirkten alle Künste zusam men, um ein der monarchischen Macht und Herrlichkeit des großen Königs entsprechendes Denkmal zu schaffen. Wie man auch immer über die Kunstrichtung des Rococv nrtheilc» mag, durch die technische Ausbildung des Einzelnen, durch die zierliche reiche Decoratio» im Innern, durch die Anwendung überlegter Kunstregcln hat sie ihren Werken ein gra ziöses Gepräge aufgedrückt, das mit dem ganzen Geschmacks- und Bildungsstand des Zeitalters, mit dem Ueberwiegcn von Form und Gesetz über Genie und Einbildungskraft Uebercinstimmung war. Der strenge autikisircndc Stil eines Nicolaus Poussin, ' ^ des altern, der sowohl als Historienmaler wie als Schöpfer der heroischen Landschaft ein würdiger Vertreter französischer Kunstlcistung im Zeitalter des Eclccticismus sX, 385 ff' war, stand nicht mehr mit dem Zeitgeschmack in voller Harmonie: wie in der Tragödie Corneille und Racine zwar sich an die Vorbilder und Regeln der antiken Drama turgie hielten, aber durch Beizichung romantischer Elemente ihren Schöpfungen einen milderen Charakter aufprägten, so auch die Maler. Durch die vielleicht aus Poussins Anregung von Colbcrt 1667 gegründete Akademie von St. Luca in Rom wurde die französische Kunst mit der italienischen in Verbindung gehalten. Während Nicolaus Poussin sich völlig in den Sinn des Alterthums zu versenken und von dieser Anschauung aus seine Compositioncn zu gestalten suchte, streifte schon sei» Schwager Caspar Dughct, Kaspar gleichfalls Poussin genannt, in seinen landschaftlichen Bildern das Strenge und Herdt <D°ghct> ab und ging zu einer freieren Behandlung, zu einer lebensvolleren Fülle und Frische l«is—75. Dieser durch moderne Sentimentalität und verfeinerte Zcitbildung gemäßigte an- tikisircnde Charakter gab der französischen Kunst ihr cigenthümliches Gepräge. Der ,5S2^e>"n kühne Naturalismus des den Venetiancrn und dem Caravaggio nachstrebcnden Males L-sueur Simon Bauet vermochte nicht durchzudringen; schon sein Schüler. Eustachc Lesueur ^ '' lenkte in die edleren Schönhcitsformcn der ältern Italiener ein und gelangte dadurch zum Ausdruck einer milden und liebenswürdigen Gemüthsstimmung, der besonders in seinen Semen des Mönchslcbens hcrvortritt. Der eigentliche Repräsentant der franzö sischen Malerei im Zeitalter Ludwigs XIV. war der königliche Hofmaler Charles Le- -e,,g—der vorzugsweise die künstlerischen Unternehmungen zu leiten hatte und das Haupt einer ganzen Cohorte von Künstlern und Technikern aller Art war. Lebrun war ein Mann von großer Begabung, aber er wandte sein Talent vorzugsweise dazu an, „jene theatralische Schcingröße, welche für diese Epoche der französischen Geschichte so charakteristisch ist, zur künstlerischen Ausbildung zu bringen. Seine großen und um fassenden Darstellungen haben ein pomphaft dekoratives Gepräge, in welchem er seinem Zeitgenossen Cortona ebenbürtig zur Seite steht; inneres Gefühl, individualisircndc Ge staltung , Klarheit und Gemessenheit in Auffassung und Anordnung werden in ihm» mehr oder weniger vermißt". Seine Kunstrichtung blieb das Vorbild für das ganze «laude folgende Jahrhundert bis zur Revolution. Weit höher als Lcbrun steht jedoch Claude ivvo—sE?" Gelee, bekannt unter seinem Heimathsnamen Lorrain, ein Landschaftsmaler, bei du» sich die plastische Strenge der Linienführung Poussins zum anmuthsvollsten Wohllaut auflöste, der wie kein anderer Meister cs verstand, „in die Geheimnisse des Naturlebcns zu dringen und im bezaubernden Spiele des Sonnenlichts, im Schmelz thauigcr Gründe, im Reiz duftig abgetönter Fernen eine Stimmung zu erreichen, die wie eine ewige Saö- bathfcier in die Seele dringt. Bei ihm ist alles Glanz, Licht, ungetrübte Klarheit und