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V. Der Norden und Nordostcn Europas. 679 denn in Baden bei Wien der verhängnißvolle Schritt. Das sächsische Volk wurde, als das Tehcimniß bei Gelegenheit der Königsmahl offenkundig ward, von großem Schmerz >«->7""°' ergriffen. 2m bangen Vorgefühl der kommenden Dinge stimmte die Dresdener Ge meinde nach Beendigung des Tcdcum für das Wahlcrgebniß im polnischen Reichstag das fromme Lied Sclncekers an: ..Ach bleib bei uns Herr Jesu Christ"! Selbst die Zierliche Erklärung, welche der Kurfürst nach seiner Krönung als König August H. be gannt machen ließ, daß er die Gewissensfreiheit seiner Untcrthanen und die Augsbur- ßische Confessio» nicht verletzen werde, daß die lutherische Religion, die Landesverfassung. Kirchen, Universität und Schulen in Sachsen in dem bisherigen Zustande verbleiben sollten, vermochte die Unruhe und Bcsorgniß nicht aus den Gcmüthcrn zu verscheuchen. Eben so wenig wurde die Verfügung, daß ein evangelischer Fürst des Wettiner Hauses das Direktorium in Kirchen- und Rcligionssachen in Verbindung mit dem geheimen Aathe in Dresden zu führen haben solle, von dem sächsischen Volk als genügende Bürg schaft für die Erhaltung der bisherigen Ordnung in Staat und Kirche angesehen. Zeigte doch die Einsetzung des Fürsten Egon von Fürstenbcrg zum Statthalter von Sachsen »ad die Errichtung einer neuen Regierungsbehörde, welche die höchste Gewalt in den ^urlandcu ausübcn, eine Mittelstellung zwischen dem König und seinen sächsischen llnterthanen einnehmen sollte, daß es mit dieser Erklärung nicht so ernst gemeint sei. ^ur aus die nachdrücklichsten Vorstellungen der Landstände wurde nach einiger Zeit der ssievisionsrath wieder aufgehoben und eine andere Einrichtung getroffen. Wir werden dem sächsisch-polnischen Herrscher in den folgenden Blättern »och öfters begegnen. Um die leere Würde eines Schatten-Königs zu erlangen, Machte er sein Erbland um die ehrenvolle Stellung eines Hauptes des protestan tischen Deutschland, die es bisher inne gehabt, und die von der Zeit an auf Brandenburg-Preußen überging. Und um seiner Sinnlichkeit, seiner Prachtliebe »nd seinem Ehrgeize zu fröhnen, schlug er die treue"Hingcbuug seines Volkes und den Wohlstand seines Landes in den Wind. Ucber Opern und Conccrtc», über Festlichkeiten und Lustschwelgercien, über Mätressen und Jagdparticn übersah der gewissenlose Fürst die Thräuen seiner Untcrthanen in schweren Zeiten und die beiden seines gedrückten hartbesteuerten Volkes; und um seinem Thron einen Uornchmen aristokratischen Charakter zu geben, begünstigte er Adel und Ritter schaft auf Kosten der Bürger und Bauern. Und dennoch hat die Nachwelt ihn Testiert! Es liegt in der Natur der Menschen, daß sie die Vergangenheit Tttn in einem verklärten Bilde betrachten, die Schatten durch die Lichtseiten verschwinden lassen, zumal, wenn eine imposante Persönlichkeit die Züge dazu Hefert. Und eine solche Persönlichkeit mar Kurfürst Friedrich August der starke. In allen seinen Handlungen lag eine gewisse Genialität; er spielte den lstoßen Herren mit angeborner Sicherheit; in die gewaltigen Zeitverhältuisse Tuff er mit kühner Hand ein. Ein solcher Mann, der seine Stellung ans Höhe des Lebens mit Virtuosität behauptete, der den Kunstsinn nährte, bec die Rolle eines Königs und eines Ritters so meisterhaft zu entfalten wußte, bor den Geschmack und die gesellschaftliche Zellbildung in seiner Umgebung zur Geltung brachte, wird stets die Phantasie des Volkes fesseln, stets das Interesse eines Historikers erregen, wie sehr es auch immer den Menschenfreund betrüben