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V. Der Norden und Nordosten Europas. 667 Mitte durch besondere Ehren ausgezeichnet und zu Häuptern über die andern gesetzt würden? In Kurzem schaarte sich eine nicht minder große Partei uni den jungen Georg Chmclnicki und forderte, daß der Eid der Treue, den man vor sechs Jahren dem Zaren geschworen, gehalten werde. Dies war der Anfang eines neuen Krieges zwischen Polen und Rußland, in welchem die Kosaken in zwei Heerlager gespalten auf beiden Seiten strit ten. Der Kampf gestaltete sich um so heftiger als noch persönliche Motive mitwirktcn: Der König und die Königin nämlich hegten den eifrigen Wunsch, daß der Herzog von Eng- hicn, der einzige Sohn des Prinzen Condc dermaleinst den Thron in Warschau ein- nchiucn möchte, während Alexei, gestützt auf die Zusage der Großen die Krone davon- zutragcn wünschte. Wie hatte der Zar glauben können, daß der turbulente Adel oder die fanatische Geistlichkeit jemals einen nicht unirtcn Fürsten auf ihrem heiligen Throne dulden würden! Der mehrjährige Krieg zwischen den beiden rivalifircnden Nachbar völkern war ohne entscheidende Wechsclfälle; denn da keine auswärtigen Staaten oder Völkerschaften sich einmischten, so hielten sich die Gegner das Gleichgewicht. Leicht hätte Polen, da cs noch immer an Größe und Waffenübung den Moskowitern überlegen war, die Ueberhand erlangen können; allein die Republik war wieder durch Zwietracht und Parteiung zerrissen. Kam cs doch so weit, daß der Krongroßmarschall Georg Lubo- mirski, welcher den König und die Hospartei verhindern wollte, noch bei Lebzeiten Joh. . Casimirs einen Nachfolger wählen zu lassen, zuletzt, als man ihn der Majcstätsver- letzung anklagte und ihn an Gut und Leben bestrafen wollte, die Fahne der Empörung entfaltete und dem eigenen König zwei Treffen lieferte. Man verglich sich endlich dahin. '^5. >«Kv. daß die Wahlsache unberührt bleiben sollte; und da ein Krieg mit der Pforte drohte, so hielt man es für gcrathcn, auch mit den Russen eine Ucbercinkunft zu treffen. Nach längern Unterhandlungen wurde dann in dem Dorfe Andrussow zwischen Smolensk und Mstislawl ein Frieden geschlossen, vorläufig auf dreizehn Jahre sechs Monate, in^3-m. Folge dessen der Zar Smolensk, Scverien und Tsch«rnigow so wie die Oberherrschaft über die Ukrainischen Kosaken jenseit des Dnepr erhielt, auch noch aus zwei Jahre im Besitz von Kiew blieb. Die Wojewodschaften Polozk, Witcbsk und polnisch Livland wurden der Republik zurückgegcbcn. Die inneren Bewegungen, von denen bald nachher sowohl die Republik Polen iwfsmm als das Zarenreich hcimgcsucht wurden, hatten zur Folge, daß der Frieden von And- russow sorgfältiger beobachtet ward, als die früheren Abkommen. Während nämlich m die Saporoger Kosaken sich allmählich in die gegebenen Verhältnisse fügten, entstand war'-in unter dem verwandten Zweige, der am Don sein um hersch weisend es oder seßhaftes Dasein verbrachte, ein furchtbarer Aufruhr gegen die Russen, denen jenes Reitervolk bisher so wesentliche Dienste geleistet, so viel zur Erweiterung und Befestigung ihrer Herrschaft beigetragen hatte. Wie der polnische Reichstag so wollte auch die russische Regierung die Autonomie und die Vorrechte der Donbewohner abschaffen und sie unter die Ordnungen und Gesetze des Gcsammtreichcs beugen. Sie sollten das freie Wahlrecht ihrer Oberen und Atamc und ihre herkömmlichen Volksgcrichtc nach eigenen ererbten Rcchtsgewohnhcitcn aufgebcn und unter der Obmacht des Wojcwodcn von Tscherkask stehen. Als Juni Alex. Dolgoruki dieses Uniformitäts- Wem mit großer Strenge durchzuführen suchte, erhob Stenka Rasin, dessen Bru der wegen Wicdcrspenstigkeit mit dem Strange hingerichtct worden, die Fahne der Em pörung und trug, von andern Häuptlingen unterstützt Tod und Verderben in die Wolgagegendcn bis an das kaspische Meer. Uebcr drei Jahre durchstürmten die Kosa kenhausen, von Tag zu Tag sich mehrend die östlichen Landschaften des Reichs, füllten die Städte Ssaratow, Ssamara, Mamas mit Blut und Entsetzen und verbreiteten Schrecken bis in die Hauptstadt. In drei Monaten wurden eiftausend Menschen durch