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46 V. Frankreich nach Heinrichs IV. Tod. RicheNcu'S Machlstcl- Thäiigkcir. Sebr I6ZZ. Ausdehnung der französi schen Herr schaft. Lothringen besetzt. berg, dem Sieger von Castelnandary übertragen, nach dessen baldigem Tod sie an den Sohn überging. Unter solchen Verhältnissen konnten die Provinzial stände als historische Reliquie fortbcstehen. Auch in andern Landschaften traten eingreifende Veränderungen in Personen und Instituten ins Leben. Die Provence ward dem noch immer abwesenden Guise, der erb liche Ansprüche geltend machen konnte, für immer entrissen und dem entschlossenen Gardehauptmann Bitry übergeben, durch dessen Kugel einst d'Ancre gefallen war; in Burgund, in Picardie, in Calais, in Limousin u. a. O. wurden die Gouverneure und Befehlshaber gewechselt; die niederen Beamten der Provinzen wurden unter die Aufsicht der Intendanten der Justiz gestellt, die vom Ministerium unmittelbar cingcscht die wichtigsten Vcrwaltungsgeschäfte, insbesondere das Steuer- und Finanzwesen unter ihre Obhut nahmen. Requctenmcister durchzogen die Provinzen und Städte, um alle, die für die Partei Monsicur'S und der Königin Mutter sich mit Sympathien hcrvorgcwagt, durch ein rasches außerordentliches Gerichtsverfahren zu bestrafen. Die Scharfrichter hatten damals viel zu thnn. Selbst in die Hofkreise reichte der Arm des Cardinals: die Herzogin von Chcvreuse, die vertrauteste Ehrcndamc der Königiu Anna wurde nach Tours verwiesen; ihr Freund dcr Großsicgclbcwahrcr L'Aubcspinc de Chateauncuf, der während einer Krankheit des Ministers mit ihr und der Königin von England neue Jntriguen angeknüpft hatte, verlor seine Stelle. Allmächtig war der Wille des gewaltigen Mannes: nach allen Seiten war sein Blick gerichtet, alle Lebensthätigkeiten mußten seinen Zwecken dienen: wir wissen, welche Erfolge die französische Kricgspolitik in Deutschland errang; zugleich wendete er die größte Sorgfalt auf Mehrung der Marine und der Kriegsflotte, auf Handel und Colonisation. Die Ansiedelungen in Canada, unter Heinrich IV. begonnen, wurden durch Handelsgesellschaften und Einwanderungen erwei tert der Grund zu Quebec gelegt. Und neben den eingreifenden Neugestaltungen in der Verwaltung, im Gerichtswesen, in den königlichen Ncgierungsorganen verlor er auch das geistige Leben nicht aus dem Auge. Um diese Zeit geschah cs, daß er aus einer literarischen Privatgesellschaft die französische Acadcmic schuf, einen obersten Gerichts hof des Geschmacks, bestimmt die moderne klassische Literatur zu heben und die französische Sprache zu correktcr Ausbildung zu führen, daß er die Wochenschrift „Gazette de France" gründete, um die öffentliche Meinung im Sinne der Regierung zu bilden. Bei seiner» > ganzen Thun hatte er nur den einzigen politischen Zweck im Auge, das monarchische Princip über jeden Einzelwillcn zu heben und Frankreichs Machtstellung nach Außc» zu erhöhen. Die religiösen Motive, sonst allenthalben in erster Linie wirksam, träte» bei Richelieu zurück: in der Armee, in der Literatur, selbst in Staatsäintcrn wies ccs geeignete protestantische Kräfte nicht von sich. Diese Triumphe in Frankreich hatte Richelieu zum guten Theil seinen auswärtige» s Verbindungen mit den Schweden und den deutschen Protestanten zu danken; denn da-' durch war Spanien gehindert, der Königin und ihrem Sohne nachdrücklich die Hand z»! reichen. Diese Verbindungen wurden noch folgenreicher, als Gustav Adolf bei Li'chc»' seinen Tod gesunden. Nicht nur die Hcilbronner Bundcsvcrwandtcn auch die katholische» Fürsten am Rhein richteten ihre Blicke nach Paris. Wir wissen bereits (XI, 945), d»^ der kriegerische gewaltthätige Erzbischof von Trier, Philipp ovn Sötern, zugleich Bischof von Speier, mit Frankreich einen Bundcsvcrtrag abschloß, wodurch die Festung Ehre»'!, brcitstcin in französische Hände kam. Und bald sollten noch nähere Erwerbungen ge-! macht werden. Gaston hatte sich, erbittert daß seine Verwendung für den Bundes-; genossen Montmorency keinen Erfolg gehabt und besorgt, daß man seine ohne des Königs Wissen und Willen eingcgangene Ehe mit der lothringischen Fürstentochter anfecht^i