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452 L. Die letzten Jahrzehnte des 17. Jahrhunderts. Zriny, sein ermordeter Schwiegervater, so träumte auch er von einer ungarischen Krone. Ließ ihm doch die Pforte, bei welcher der französische Einfluß vor wiegend war, durch den Ofener Pascha Fahne und Roßschweif überreichen und ihn als Fürst von Ungarn begrüßen. Den Königstitcl wies er zurück; aber im feindlichen Heerlager bezeichnete man ihn als „Kuruczenkönig". Kaum war daher der Waffenstillstand abgelanfen, so erschien Tököly anss Neue an der Spitze eines Sommer aus allerlei Volk gemischten Jnsurgcntenhccrcs in Oberungar» und eroberte, von türkischen Kriegshaufen unterstützt, eine Bergstadt nach der andern. Auch Kaschau, Eperies und das von dem kaiserlichen Feldherrn Stephan Kohary tapfer vcr- theidigte Füleck fielen in seine Gewalt. Er nannte sich „Fürst und Gouverneur von Ungarn" und auf seiner Fahne waren die Worte zu lesen „für Gott und regr. Freiheit". Zu Anfang des nächsten Jahres ließ er sich von den Ständen Obcr- ungarns huldigen und schickte 20,000 Ducaten als Lehnszins an den Sultan. Nach solchen Vorgängen konnte kein Zweifel mehr obwalten, daß im Divan rungcn rer- die Kriegspolitik gesiegt habe. Dennoch machte das Wiener Kabinet noch einmal ' einen Versuch, den Waffenstillstand von Vasvar zu erhalten. Aber den Gesandten wurden solche Bedingungen gestellt, daß es ehrlos gewesen wäre sich darauf ein- zulassen. Oesterreich sollte eine halbe Million Gulden als jährlichen Tribut ent richten, mehrere auf dem Wege nach Wien gelegene Festungen schleifen und den Ungarn alle ihre Forderungen bewilligen und Amnestie gewähren. So weit hatte es die österreichische Regierung gebracht, daß sich die Osmanen als Be schützer der religiösen und politischen Freiheit in den ungarischen Landen auf- merfen und bei den Eingebornen Glauben finden konnten! ^or^Wan" J»i Frühjahr 1683 hielt Sultan Mohammed IV. ans den Feldern von i«8». Adrianvpel Heerschau. Ein furchtbarer Sturm, der sich dabei erhob, galt als schlimme Vorbedeutung. Der Großherr begleitete die Armee bis Belgrad und gab dann den Oberbefehl und die weitere Kriegführung an Kara Mustafa ab. In Esscck fand sich Tököly ein, um dem Heere, das nach der Vereinigung sämmt- licher Truppentheile über zweimalhunderttausend Mann faßte, als Wegweiser nach Wien zu dienen. Denn auf die Hauptstadt selbst war es abgesehen. Ohne Widerstand bewegte sich der Zug über Dotis, Papa, Altenburg der Grenze von Oesterreich zu; die Vorhut führte der Tatarenkhan unter Sengen und Brennen. Mit ungenügenden Streitkräften suchte Herzog Karl von Lothringen den Uebcr- gang über die Leitha zu verhindern; er wurde zurückgetriebcn. Anfangs Juli schlugen die Türken ihre Zelte vor den Mauern von Wien auf; der Hof halte sich nach Linz geflüchtet, mit banger Erwartung dem Anzug der Hülfsmann- schasten, welche die deutschen Reichsfürsten und der König Johann Sobiesky von Polen zugesagt hatten, entgegensetzend. Die Donaustadt schwebte in der höchsten Gefahr; denn von Mitte Juli an begannen die Angriffe der Türken; die Vorstädte wurden von dem Grafen Ernst Rüdiger von Starhemberg, dem der Kaiser das Oberkommando in Wien übertragen hatte, in Brand gesetzt, um die Streit-