Volltext Seite (XML)
harten Strafen belegt, jede gemischte Ehe verboten war. Durch gezwungene und so phistische Deutungen des Edikts von Nantes und unter allerlei Vorwänden verminderte man die Zahl der rcformirtcn Kirchen, beschränkte den Gottesdienst auf wenige Haupt orte und erschwerte oder verhinderte die Cultushandlungcn. Ludwigs Anfälle von Reue und Andacht wurden stets die Quelle neuer Drangsale für die calvinischcn Ketzer, durch deren Bekehrung er seine Sünden zu sühnen hoffte. Durch die Thätigkeit der Missionare, der Beamten, der Geistlichkeit und Ordensleute füllten sich die Namcnslistcn > der Bekehrten, so daß der Klerus im Jahre 1680 am Schluffe seiner Versammlung eine Danksagung an den König richtete, „daß er ihnen das Glück bereite, die Ketzerei unter seinen Fußtritten sterben zu sehen." Ein Gewissenszwang, mit Gewaltsamkeit und Rechtsverachtung wie er kaum jemals in der Geschichte vorgekommcn, wurde jetzt über das reformirte Frankreich verhängt. Denn der confessionelle Haß, in staatliche Formen gekleidet und mit staatlicher Autorität ausgerüstet, ist eine verzehrende Flamme, welche die schwersten Heimsuchungen über ein Volk bringt. Es ist nicht unwahrschcin- Eolberls sjch, wenn auch wenig verbürgt, daß Colbert, der die Hugenotten als betriebsame, ge- wcrbsleißigc und wohlhabende Bürger schätzte, trotz seiner strengkatholischcn Richtung, gewaltthätigc Maßregeln zu hintertrcibcn oder zu mildern gesucht. Die Reformirten hatten einen großen Anthcil an der Verwaltung der Finanzen, den Staatspachtungcn, dem Anlcihewcscn; die Fabriken und Manufacturcn in Eisen, Leder, Seide, Wolle waren großcntheils in ihren Händen; sic vermittelten den Handel mit Holland und England; sie zeichneten sich aus durch Thätigkeit, Wohlstand und Bildung. Aber in der nächsten Umgebung des Königs arbeiteten wirksamere Kräfte für die Ausrottung Frau von der Ketzerei. Neben dem königlichen Beichtvater La Chaise, der im „Gewisscnsrath" die erste Stimme führte, hielt besonders Frau von Maintenon den Bckchrungseiser Lud wigs wach. Wir haben diese merkwürdige Dame, die ihre religiöse Devotion und Tugendübung geschickt als Hebel ihres Ehrgeizes und ihrer Politik zu benutzen verstand, schon früher kennen gelernt. Seitdem die Montespan vom Hofe entfernt lebte und die Königin Maria gestorben war, gewann sie durch ihre unbedingte Hingebung und Ucber- cinstimmung mit Ludwigs Natur den größten Einfluß auf alle Vorgänge in Staat und Kirche; und vor Allein sind die strengen Maßregeln zur Bekehrung der Hugenotten in erster Linie ihrem Zclotismus zuzuschrciben. Gegen ihre ehemaligen Glaubensgenossen hatte Frau von Maintenon keine Schonung, kein Mitleid in ihrem Herzen. Und mußte sic, wenn sic milder gegen jene gewesen wäre, nicht befürchten, daß man sie einer geheimen Loi,»ois. Hinneigung an den Glauben ihrer Jugend beschuldigen würde? Auch Louvois war ein eifriger Fürsprecher energischer und durchgreifender Schritte; nian müsse den Trotz und Eigenwillen der hartnäckigen und halsstarrigen Ketzer gewaltsam brechen. Nun folgte ^lvrannk^E Reihe drückender und drangsalvollcr Maßregeln, die den beabsichtigten Hauptschlag vorbereiteten- Man schloß die Hugenotten allmählich von Acmtern und Würden, von den Pachtungen und Gemeindcstellen, ja von den Zunftrechten aus und begünstigte die Bekehrten; dadurch wurden die Ehrgeizigen verlockt; bei der Eintreibung der Taille nahm man den Katholischen oder Uebertretcnden die Hälfte der Last ab und warf sie auf die Reformirten, „um dem König Seelen zu erwerben"; die Armen suchte man durch Geld zu gewinnen, das aus Ludwigs Bckehrungskasse und aus den milden Gaben vornehmer Frommen floß; und durch die Verfügung, daß der Ucbcrtritt Minderjähriger bis zu sieben Jahren herab gültig sei, öffnete man der Glaubcnstyrannei ein weites Feld. Familien wurden getrennt, Kinder ihren Eltern entrissen und in der katholischen Religion erzogen, die Wiederaufnahme eines reuigen Neubekchrtcn in die Gcmeinschast als Verbrechen mit Verlust der Kirche und Vertreibung des Geistlichen bestraft. Hof> Regierung und Klerus, an der Spitze des letzteren der ebenso lieblose und fanatische