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398 v. Das Zeitalter Ludwigs XIV. ohne allen Schutz dem feindlichen Nachbar offen standen. Am schlimmsten kamen die Deutschen weg. Nicht nur, daß Frankreich für das zurückgegebcnc Bcsatzungs- recht von Philippsburg die wichtige Stadt Freiburg im Breisgau nebst Um gegend behielt: der Kaiser und die Rcichsfürsten mußten sich die größten De- müthigungen, Zurücksetzungen und Uebervortheilungcn gefallen lassen. Um zu den Verhandlungen zugelassen zu werden, mußte Leopold, der um dieselbe Zeit durch den gefährlichen ungarisch-türkischen Krieg bedroht war, den verätherischcn Wilhelm von Fürstenberg sS. 390.) auf freien Fuß setzen; dem Herzog Karl V. von Lothringen, dem nahen Verwandten des Kaiserhauses, der in Oesterreichs Kriegsdiensten stand, wurde sein Land unter so entehrenden Bedingungen zurück- gestellt, daß er vorzog, es noch länger in den Händen der Franzosen zu lassen. Denn wenn die während der französischen Herrschaft stark befestigte Haupt stadt Nancy nebst Longwy dem König verbleiben und eine breite Heerstraße durch das ganze Land den Heeren Frankreichs jederzeit offen stehen sollte, wer war dann der eigentliche Herr und Gebieter? Das ärgste Unrecht und die bitterste Kränkung unter Allen aber erfuhr der Kurfürst von Brandenburg, der größte Feldherr im Heere der Verbündeten, deshalb aber auch von Frankreich vor Allen gehaßt. Der Minister Pompoune erklärte dem brandenburgischen Ge sandten in St. Germain en Laye, es sei des Königs bestimmter Wille, daß die eroberten Landschaften und Städte in Pommern den Schweden zurückgegebcu werden müßten. Lange weigerte sich Friedrich Wilhelm auf die so ungerechte Forderung einzugehen: aber verlassen von dem Kaiser, der seine Waffen gegen Ungarn kehren wollte und mit Eifersucht auf die wachsende Macht des nördlichen Staats blickte, und bedroht von einem französischen Heere, das unter dem Mar schall Crequi kampfbereit in Westfalen stand und ohne Zweifel bald Verbündete in Deutschland selbst gefunden haben würde, was blieb ihm da anderes übrig, als die mit so vieler Anstrengung erworbenen pommerschen Besitzungen den Schweden wieder cinzuräumen? Zürnend fügte sich der hochherzige Fürst in die Nothwen- 2sdigkcit. Am 29. Mai Unterzeichnete sein Gesandter in St. Germain den Nym- " wegcr Friedenstractat. Die Worte Virgils, die er bei der Ratification aus sprach : „Möge aus meinen Gebeinen ein Rächer entstehen," blieben nicht unerfüllt. III. Frankreich im Innern. t. Die monarchische 8elkstherrtichkeit Ludwigs XIV. und der Hof von Versailles. Industrie». Seit dem Frieden von Nymwegen bis zum Ende des Jahrhunderts stand E°>°»>en Frankreich auf dem Höhenpunkt seiner Macht nach Außen und seiner Blüthe nach Innen, so daß das Jahrhundert Ludwigs XIV. als das goldene Zeitalter der französischen Nation in den Annalen der schmeichelnden Geschichte jener Tage ge' priesen wird. „Man sah überall im allgemeinen Wohlstand des Reichs die Herr'