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II. Italic« und Sicilien. 331 oder Polizeimänner mißhandelt, manche Stadtbewohner wider ihren Willen zum Anschluß an die Erhebung gezwungen wurden; grobe Exccfse oder Mordthaten kamen nicht vor. Masaniello gefiel sich in der Rolle eines demagogischen Dicta- tors, eines Hauptes der Lazzaronigcmeinde; er wollte kein Banditenhauptmann sein, seine Hände sollten rein bleiben von Blut und Raub. Der Schiffer von Amalfi, der Tage und Wochen die souveräne Macht in Neapel besaß und aus übte, ist eine Lieblingsgcstalt für Kunst und Romantik geworden; aber es fehlte ihm die ideale Anlage, der Aufschwung der Seele, die höhere Natur und Geistcs- richtung. Nicht ohne Gulmüthigkcit und edle großmüthige Regungen, wie sie in südländischen Herzen oft neben heftigen Leidenschaften und ungestümen Trieben wohnen, war Masaniello doch im Ganzen aus gemeinem Stoff geschaffen; er spiegelte sich selbstgefällig in einer Herrscherrolle, welche weit über seine Kräfte ging, und trieb in phantastischer Einbildung und Eitelkeit planlos der Zukunft entgegen. Masaniello ließ im Namen des Volkes von Neapel Edikte ausgehen, worin unter Androhung der Todesstrafe gegen Zuwiderhandelnde die Lebensmittelsteuer ausgehoben, Dii-kümg. zugleich aber auch alles tumultuirende Herumstreifen verboten und der pünktlichste Ge- horsam gegen die Hauptleutc zur Pflicht gemacht wurde. Aufs strengste handhabte der „Veneralcapitano des Volks" die Sichccheitsgcsehe und strafte die Uebelthäter; befahl aber auch mitunter gewaltthätige und grausame Handlungen. Sein von Natur schwacher Kopf gericth unter den aufregenden Eindrücken allmählich in Verwirrung. Ein Mord anfall durch gedungene Banditen, in dessen Folge der verdächtige Anstifter Giuseppe Caraffa und einige der Frevler erschossen wurden, erhöhte das Ansehen des Demagogen, so daß der Vicckönig sich bewogen fand, in der Kirche del Carmine einen förmlichen Staatsvertrag mit demselben abzuschließen, Er im Namen des Königs, Masaniello als Juli. „Haupt des getreuesten Volkes von Neapel". Darin war bestimmt, daß alle Steuern und Auflagen, welche seit Ertheilung des Freibriefes Karls V. eingeführt worden, ab geschafft und keine neuen ungeordnet werden sollten. Zugleich übergab der Vicekönig die Urkunde im Originale dein Volksführer, gewährte vollkommene Amnestie und versprach eine Verfassungsreform, kraft deren das Volk gleiche Rechte mit dem Adel haben sollte. Bis die Bestätigung dieses Vertrags von Seiten des Königs eingetroffen sein würde, sollte keine Entwaffnung vorgenommcn werden. Versöhnt und einträchtig sah man den Herzog und den Demagogen in derselben Kutsche fahren. Ja seine Frau wurde sogar >>» Schlosse ehrenvoll empfangen und von der Herzogin ausgezeichnet. Jetzt stand Masaniello auf dem Höhepunkt des Glücks; aber wie bald.^7^^ sollte es zu Ende gehen! Seit dem Augenblick, da er in Silberstoff gekleidet im Palast auftrat und dem Vicekönig zu Füßen sank, war er ein verlorner Mann. Das Volk mißtraute ihm und wandte ihm den Rücken. Was sollte man von dem Manne denken, der vor Kurzem gegen die spanische Regierung und die Tyrannei der Beamten geeifert hatte und jetzt zur Treue gegen den König auf sorderte? Er selbst verlor allen Halt, ergab sich dem Trünke und handelte ohne Bedacht und Ueberlegung. Diesen Moment hatte inan am Hose vorausgeschen und beschloß nun ihn zu benutzen. Masaniello war wenige Tage nach der