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22 Kaum vermochte er, sich noch länger in seinem Palaste zurückzuhalten. Er schickte einen Bedienten, einen Hofbeamten um den andern, um sich bei Aristodemus nach dem Stand der Dinge zu erkundigen. Aber dieser gab keinem Einzigen irgend eine Auskunft, sondern kam nur immer näher herbei — langsam, mit ausdruckslosen Gesichlszügcn, tiefschweigend. Da lief ihm Antigonus, der vollständig außer sich war und es nicht mehr länger aushiell, an die Thüre entgegen, wäh rend bereits ein großer Menschenschwarm mit Aristodemus heranzog und am Palaste zusammenlief. Wie er endlich nahe genug war, streckte er seine Hand aus und rief mit lauter Stimme: „Glückauf, König Antigonus! Wir sind Sieger über Ptolemäus in einer See schlacht; Kypern gebärt uns und wir haben 16,800 Kriegsgefangene!" Antigonus erwiderte: „Auch dir ein Glückauf! Aber daß du mich so auf die Folter gespannt, sollst du mir büßen! Den Botenlohn für die gute Nachricht — den bekommst du noch lange nicht!" 18. In Folge hievon rief auch das Volk zum ersten Mal den Antigonus und Demetrius als Könige aus. Dem Antigonus setzten seine Freunde sogleich das Diadem auf, dem Demetrius überschickte es sein Vater nebst einem Schreiben, worin er ihn als „König" an redete. Auf die Nachricht von diesen Vorfällen ertheilten die Leute in Aegypten an Ptolemäus ebenfalls den Königstitel, um den Schein zu vermeiden, daß ihnen wegen der erlittenen Niederlage der Muth gesunken sei. Durch die Eifersucht steckte nun die Sache auch die andern hinterlassenen Generale Alexanders an. Lysimachus machte den Anfang im Tragen eines Diadems und Seleukus that es jetzt auch im Umgang mit Griechen; denn gegen Nichtgriechen hatte er im amtlichen Verkehr sich schon früher als König benommen. Nur Kas- sander schrieb seine Briefe noch nach alter Gewohnheit, obwohl ihm die Andern mündlich und schriftlich das Prädikat eines Königs er theilten. Dieser Gegenstand umschloß aber nicht blos einen neuen Na men und eine veränderte Haltung im Aeußern, sondern beeinflußte auch den Geist der betreffenden Männer, erweckte in ihnen höhere Gedanken und brachte in ihr ganzes Leben, wie namentlich in ihre Umgangsformen, etwas Hochmütiges, für Andere Drückendes hin ein, — gerade wie ein Schauspieler zugleich mit dem Costüme auch