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90 lebendig preis und laß nicht in meiner Person Triumphe feiern über dich selbst! Nein, hier an dieser Stelle verbirg mich in Einem Grabe mit dir; denn unter dem tausendfachen Jammer, der mich traf, ist nichts so schwer, nichts so fürchterlich, als diese kurze Zeit, die ich ohne dich verleben mußte!" 85. Auf diese Jammerklagen bekränzte sie den Sarg, küßte ihn mit Innigkeit und befahl dann, daß man für sie selbst ein Bad zurichten solle. Nach dem Bade legte sie sich zu Tische und nahm ein glänzendes Frühstück ein. Während desselben kam Jemand vom Lande, der ein Kistchen brachte. Auf die Frage der Wachen: „was er hier trage?" öffnete er das Kistchen, nahm die Blätter oben weg und zeigte, daß es ganz mit Feigen angefüllt war. Als sie sich über die Größe und Schönheit derselben verwunderten, lächelte er und lud sie ein, davon zu nehmen. Deßhalb trauten sie ihm und hießen ihn die Sachen hincintragen. Nach dem Frühstück schickte Kleopatra ein Täfelchen, das sie vollgeschrieben und mit ihrem Siegel versehen hatte, an Cäsar, wor auf sie alle anderen Personen sich aus dem Wege schaffte, mit Aus nahme der zwei obengenannten Frauen. Jetzt ließ sie die Thüren schließen. Cäsar stieß beim Erbrechen des Billets sogleich auf jämmerliche Bitten, worin sie ihn ersuchte, sie neben Antonius begraben zu lassen. Alsbald begriff er, was vorgegangen war. Jni ersten Augenblick wollte er persönlich ihr zu Hilfe eilen; dann schickte er jedoch Leute ab, um in aller Geschwindigkeit nachzusehen. Aber das Gräßliche war rasch verlaufen. Seine Leute rannten im Geschwindlauf hin; die Wachen, wie sich zeigte, hatten nichts bemerkt. Sie sprengten die Thüren und fanden Kleopatra — todt, — auf einem goldenen Ruhebett ausgestreckt, — in königlichem Ornate. Von den beiden Frauen lag die Eine, Namens Eins, ihr zu Füßen und war eben im Sterben, während die Andere, Charmion, bereits wankend und halb betäubt, daS Diadem auf ihrem Kopfe in Ordnung brachte. Als Jemand im Zorne zu ihr sagte: „das ist sauber, Charmion!" erwiderte sie noch: „Ja, das Allersauberste und Allerschönste, wie sich's gehört für die Enkelin so vieler Könige!"