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59 halten, wenn sie irgend eine Beschimpfung oder Vernachlässigung zu erfahren hätte. In Athen angekomnien, erhielt sie Briefe von AntoniuS, wel cher ihr die Weisung gab, dort zu verbleiben, und ihr zugleich über seinen Feldzug die nöthigen Mittheilungen machte. So sehr sie dich betrübte, — so klar sie den gebrauchten Vorwand durchschaute, schrieb sie ihm dennoch wieder, indem sie sich erkundigte, wohin er die mitgebrachten Gegenstände an ihn abgesendet wissen möchte. Sie brachte nämlich eine Menge von Soldatenuniformen mit, ferner Lastthiere, Geld und Geschenke für die Offiziere und Freunde in seiner Umgebung, außerdem noch zweitausend auserlesene Soldaten zur Einreihung in die prätorischen Cvhorten, alle in prachtvollen Rüstungen steckend. Letzteres meldete ein gewisser Niger, ein Freund des Antonius, der von ihr abgeschickt war, und fügte dabei die wohl verdienten und angemessenen Lobsprüche auf Oktavia hinzu. Kleopatra merkte wohl, daß Oktavia den Kampf mit ihr auf nehmen wolle; dabei fürchtete sie, daß ihre Gegnerin durch das Würdevolle ihres ganzen Benehmens und Cäsars Macht, wozu sie noch die Eigenschaft eines liebenswürdigen Umgangs und der größten Freundlichkeit gegen Antonius besaß, unüberwindlich und vollständig über den Mann Meister werden könnte. Sie stellte sich also entsetz lich verliebt in Antonius und suchte sich durch schmale Kost magerer zu machen. Ihr Blick war überaus betroffen, so oft er kam, und verrieth, wenn er gieng, etwas Schmachtendes, Niedergeschlagenes. Auch richtete sie die Sache so ein, daß man sie häufig weinen sah; sie wischte aber schnell die Thräuen ab und verbarg sie, als ob sie's ihn nicht wollte merken lassen. Dieses Spiel trieb sie besonders zu der Zeit, als Antonius im Begriffe stand, von Syrien gegen den medischen König iu's Feld zu rücken. Auch die Schmeichler bemühten sich in ihrem Interesse, indem sie den Antonius tadelten als einen „harten, gefühllosen Man», weil er ein zartes Weibchen umkommcn lasse, die mit ihrem Herzen nur au Einem hänge, nur an ihm! Oktavia (sagten sie,) habe nur aus politischen Gründen, um ihres BrudcrS willen, ihn genommen und genieße das Privilegium, seine Gemahlin zu heißen; Kleopatra dagegen, die Königin eines großen Volks, heiße nur Antonius'