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Zeile 2 Ur. 14« Vie Oevisen-Notverordnung Berlin, 22. Juni. Der Reichspräsident hat auf Grund des 8 48 der Reichcvcrfassung heute folgende Verordnung erlassen: 8 1: Gegen Reichsmark oder Wertpapiere jeder Art, die auf Reichsmark lauten, dürfen im In- und Auslande nur solche Zahlungsmittel und Forderun gen in ausländischer Währung erworben oder ver äußert werden, für dis eine amtliche Notie rung in Berlin stattfindet. Erwerb oder Veräußerung ist nur zum amtlichen Kurse des Tages des Geschäftsabschlusses, und zwar zum Geld- «Her Briefkurs oder einem da zwischen liegenden Kurs zulässig. Eine amtliche Notierung wird lediglich dann als vorliegend angesehen, wenn in der betreffenden Wäh rung am Tage des Geschäftes eine amtliche Notie rung des Kurses der Auszahlung stattfindet. An Tagen, an welchen eine amtliche Notierung für Aus zahlung nicht stattfindet, dürfen in der betreffenden Währung Geschäfte nicht abgeschlossen werden. Der Kurs für Auszahlung ist auch für Geschäfte in Bank noten maßgebend, wenn für Banknoten kein beson derer amtlicher Kurs notiert wird. Wird ein solcher besonderer Kurs notiert, so gilt er lediglich für Ge schäfte in Banknoten. Im kleinen Verkehr sind Umsätze bis zu ein Pfund Sterling oder entsprechende Beträge in einer anderen Währung auch zu den letztbskannten amtlichen Kursen zulässig. Diese Vorschriften finden aus Geschäfte, die mit der Rcichsbank abgeschlossen werden, keine Anwendung. 8 2. Geschäfte, die gegen die Vorschriften des 8 1 verstoßen, sind nichtig. Die Nichtigkeit kann nicht zum Nachteil von Personen geltend gemacht werden, die den die Nichtigkeit begründenden Sach- verhalt beim Abschluß des Geschäftes nicht kannten. 8 3. Mit Gefängnis bis zu 3 Jahren und mit Geldstrafen bis zum Zehnfachen des Wertes der ausländischen Zahlungsmittel oder Forderungen, oder mit einer dieser Strafen wird be straft, wer vorsätzlich oder fahrlässig den Vorschriften dieser Verordnung zuwiderhandelt. Ebenso wird be- straft, wer vorsätzlich zu einer solchen Zuwiderhand lung auffordcrt, anreizt oder sich erbietet. Neben der Strafe können die ausländischen Zahlungsmittel oder Forderungen, auf die sich die strafbare Hand- lung bezieht, zugunsten des Reiches eingezogen wer den, auch wenn sie dem Täter oder einem Teilnehmer nicht gehören. Erweist sich die Einziehung als nicht durchführbar, so kann das Gericht nachträglich durch Beschluß die Einziehung des Wertes anordnen. Der Feststellung des Wertes der Zahlungsmittel und Forderungen ist, soweit eine amtliche Kursnotierung an der Berliner Börse erfolgt, der mittlere Kurswert dieser Kurse am Zeitpunkt der verbotenen Handlung zugrunde zu legen. Ferner kann angeordnet wer den, daß die Verurteilung auf Kosten des Schuldigen öffentlich bekanntzumachen ist. Die Art der Be kanntmachung wird im Urteil bestimmt. Die De- kanntmachung kann auch durch Anschlag gemäß Artikel 3 8 2 des Notgesetzes vom 24. Februar 1823 erfolgen. 8 4. Der Reichswirtschaftsminister ist ermächtigt, Uebcrgangs- und Ausführungsbestimmungen zu dieser Verordnung zu erlassen und Ausnahmen zu bewilligen. 8 5. Diese Verordnung tritt mit der Verkündung in Kraft. Der Reichspräsident, gez. Ebert. Der Reichskanzler: Luna. Rücksichtslose Durchführung der Verordnung Berlin, 23. Juni. (Erg. Tel.) Der Reichskanzler hat ein telegraphisches Rundschreiben an die Regierungen der Länder erlassen, in dem er auf die Bedeutung der neuen Verordnung über den Handel mit Devisen zum Einheitslurse hinweist. Wenn auch, so heißt es darin, möglicherweise dem Johannisfest Eine livländische Idylle Don Slostrlsa von Vosorrrek Um Johanni aber, wenn die Nächte hell und die Schnarrwochteln laut wurden, dann kamen die «ver rückten Hühner". So nannte der Alt-Maruseusche seine beiden Zwillingsnichten aus der Stadt, die in erstaunlichen Kostümen, bebänderten Phantasiehüt- chcn und hochbchackten Stiefeletten sich jeden Sommer für ein paar Wochen in Neu-Marusen niederließen. Denn nichts war dem Alt-Marusenschen so ver haßt wie Musik und jede Art von Spektakel. Und die «verrückten Hühner" sangen nicht nur, spielten Klavier und Mandoline, sondern führten auch so absonderliche Tänze in grasgrünen Gazeschleiern auf, daß der Alt-Marusensche, al» er einmal zufällig überrascht wurde, einen Schwindelanfall bekam, von dem er sich nur mit starkem Kognak erholte. Aber der Neu-Marusensche war dann in seinem Element: lud alle Nachbarn ein, gab Fest auf Fest, arrangierte Wohltätigkeitsbasare, Picknicks, Kon zerte und tanzte mit solchem Eifer, daß er sich einmal, zu Tante Ernestrn« nicht gelindem Schrecken, ganz in die grünen Gazeschleier der Nichten verwickelte. Und wie ging cs in Neu-Marusen her! Als wenn die «verrückten Hühner" das ganze Haus angesteckt hätten. Sofort bildeten sich zwei Parteien: die Damen und die Herren, und ein er bitterter Kampf begann. Fanden die Herren ihre Nachthemden zugcnäht, so daß sie hilflos in den Aermeln steckenblieben, kreischten die Damen auf, wenn ihnen Heuschrecken oder Frösche aus den Betten entgcgcnsprangen oder wenn aus geheimnisvollen Flaschen quellend« Erbsen fürchterlich zu kullern begannen. Erdröhnte bei den Herren mitten in der Nacht untcrm Bett die ungeheure Stallglocke, krähten im Waschtisch der Damen bei aufgehender Sonne er- bitterte Hähne. Aber auch am hellichten Tage geschahen entsetz- iicbr Dinge. So konnte beim Mittagstisch der Bratcnteller von Tante Hanninka plötzlich zu wan- dern beginnen, daß sie vor Schreck fast vom Stuhl siel, während das Salz des Herrn Doktor merk würdig nach Zucker schmeckte. suelpriger 1*LgedI»tt Land«! und dem Bankverkehr durch die neuen Be- Stimmungen gewisse Schwierigkeiten erwachsen mür- den, so müßte diese doch mit Rücksicht auf die Not wendigkeit, dem kurslreibenden Devisenhandcl außer halb der Börsenstunden entgegenzutreten, ertragen werden. Die Negierungen der Länder werden ersucht, die Reichsregierung be» der Durchführung der be schlossenen Maßnahmen durch rücksichtslose» Eingreifen gegen den unlegitimen Handel und gegen die schwarzen Börsen zu unterstützen, wie auch die Reichsrcgierung nut allen ihr zu Gebot« stehenden Mitteln solch« Erscheinungen rücksichtslos unter- drücken wird. Wie wir noch erfuhren, sollen Ausführungs- und Uebergangsbcstimmungcn zu der neuen Devifenver- ordnung erst dann erlassen werden, wenn sich ihre Notwendigkeit zweifelsfrei ergibt. Vie Vevisenkäufe der Zirma Stinnes Berlin, 22. Juni. (Gig. Tel.) Im Unter- suchungsausschuß des Reichstages über den Zu sammenbruch der Stützungsaktton für die Mark wurden heute nachmittag zwei Vertreter des Stinncs- konzerns, Generaldirektor Minoux und Herr Stinne» jun. von der Harburger Abteilung des Hauses, über die von sozialdemokratischer Seite gegen die Firma Stinnes erhobenen Beschuldigungen vernommen. Dem Hause Stinnes war bekanntlich zur Last gelegt worden, daß es sich nach Schluß der Börse durch Umfrage bei den Danken größere Mengen Devisen verschafft und dadurch zu dec Er schütterung der Stützungsaktion beigetragen habe. Generaldirektor Minoux bekundete, daß der gesamte Devisenbedarf der Firma Stinncs in der Zeit vom 1. Januar bis 31. Mai 2 220 000 Pfund Sterling betragen habe. In dieser Summe seien auch Einkäufe von Kohle für die Reichseisenbahn und für die Reichs marine enthalten, sowie verschiedene Materialien für den Betrieb der Firma. Während der Reichs- bankpräsidcnt kürzlich erklärt habe, daß ein großes Industrieunternehmen Devisenvorräte für zwei Monate haben müsse, habe die Firma Stinnes kaum für zwei Tage Vorräte gehabt, in der Regel aber sei ein Manko vorhanden gewesen. In der Zeit vor dem 15. April habe die Firma zwar am 12. April zur Bezahlung englischer Kohle für die Reichseisen bahn 83 000 Pfd. gebraucht. An diesem Tage seien 60 000 Pfd. gekauft worden, und zwar um 2,15 Uhr, also zu derselben Zeit, in der der amtliche Kurs fest gesetzt wurde. Wenn behauptet werde, daß dieser Kauf besonders unheilvoll gewesen sei, weil er sich im freien Handel vollzogen habe, so erkläre er, daß die Firma Stinne» nie ander» gekauft habe und Beleh rungen darüber nicht annehme. Diese Behauptung wurde vom Ausschuß mit Unruhe auf- genommen, es zeigte sich aber auch Bewegung, als der Generaldirektor weiter erklärte, daß seine Firma im Mai zeitweise der Eisenbahnvcrwaltung gegen- über mit 300 000 Pfund im Vorschuß war. Hugo TtinrreS ju«- erklärte, das Exportgeschäft wickle sich fast zu 98 Prozent derart ab, daß der Einkauf im Innern Deutschland» bei deutschen Fabrikanten nicht in Mark, sondern in Valuten gemacht werde. Auch da» Importgeschäft vollziehe sich zum erheblichen Teile in ausländischer Währung. Als wesentlichen Import habe das Berliner Geschäft die Kohle, daneben aber seien ebenso wichtig Oele für Margarinefabrikation, Metalle, Wolle, Häute u. a. An den sogenannten kritischen Tagen seien für Hamburg in der Zeit vom 12. bi» Ä>. April an Devisen eingekauft worden 94 850 Pfd. Eterl., dagegen verkauft 44 200 Pfd. Auf Befragen antwortete Hugo Stinne« jun., daß seine Firma einen Mindestbcdarf an Devisen von täglich 40—50 Pfd. habe. Aus der Tatsache, daß der Reichsbankprä- sident Haven st ein soeben seinen längst fest gelegten Sommernrlaub angetreten hat, wurde in einem Teil der Presse gefolgert, daß er nicht wieder auf seinen Posten zurückkehren werde. Wie dazu au» zuverlässiger Quelle mitgeteilt wird, wird Reich», bankpräsident Havenstein nach Ablauf seines Urlaub» die Geschäfte an der Spitze der Reichsbank wieder übernehmen. Ullä llLaäelsreltung Auffüllung der vollaranleihe Restzahlu», der vo» de» Banke» gara»tiertr» Summ«. Berlin, 23- Juni. (Eig. Tel.) Außer der Devisenverordnung plant die Reichsrcgierung noch andere Maßnahmen gegen eine weitere Verschlech terung de» Markkurse» durch spekulative Aus wüchse. Zunächst soll ein« Auffüllung der Dollar anleihe herbeigefiihrt werden, um die Mittel zu vermehren, die zur Bekämpfung von Vorstößen gegen die Mark notwendig sind. Bei der Auflegung der Dollaranleihe waren 100 Millionen Dollar von den Banken garantiert worden. Die Zeichnungen erreichten nur 53 Millionen Dollar, und von dem Restbetrag von 47 Millionen Dollar zahlten die Banken auf Grund ihrer Garantie leistung zunächst den 5. Teil, etwa weitere 10 Mil lionen Dollar, ein. Schließlich sind nochmals 10 Millionen Dollar nachträglich durch Berkaus von Dollaranweisungsstücken aufgebracht worden, so daß noch ein Rest von 27 Millionen Dollar aus dem garantierten Betrag von 100 Millionen offen ist, den die Danken nunmehr nachzahlen sollen. Der Reichskanzler hat gestern Vertreter der Industrie empfangen, um mit ihnen über eine Be teiligung der Industrie an der Aufbrin gung der erwähnten Summe, sowie über die Durch führung der übrigen zum Schutze der Währung zu treffenden Anordnungen Rücksprache zu nehmen- Ver Arbeitsplan des Landtages Dresden, 23. Juni. (Eig. Tel.) Das Präsi dium hat in Anbetracht des reichen Material», das noch zur Beratung vorliegt und unbedingt erledigt werden soll, den 12. Juli al» Schlußtag der Landtagesitzungen in Aussicht genommen. Es sollen auf alle Fälle noch der Etat der Gemeinde reform, die Amnestie, das Beamtenpflichtgesetz unter Dach und Fach gebracht werden. Di« Gemeindereform vom Landtagsausschutz angenommen Dre»d«u, 23. Juni. (Eig. Tel.) Der zur Bera tung der Regierungsvorlage über die Gemeinde- re form vom Landtage eingesetzte Sonderausschuß hat in zweiter Lesung die Vorlage mit 11 sozialistisch kommunistischen Stimmen gegen 10 bürgerliche an genommen. Geändert ist nur der Wahltermin, und zwar ist er vom 25. November auf den 18. November vertagt worden, ferner ist der Termin für dos In- kraftreten des Gesetzes vom 1. Januar auf den 1. April 1624 hinausgeschoben worden. Der Haushaltausschuß .4 verabschiedete eine Reihe weiterer Etatskapitel; u. a. wurden die Einstellungen der Vorlage für die evangelische Kirche erledigt. Die Regierung erklärte hierzu, daß Ke Verteilung der Reichsvorschüffe für das laufende Vierteljahr im Gange sei. Betreffs der Pensionsver- hältniffe der Geistlichen ist zu erwarten, daß in Kürze dem Landtage ein Gesetzentwurf vorgelegt werden wird. Bei dem Kapitel für die Katholischen Kir chen und wohltätigen Anstalten wurden die Einstel lungen ebenfalls der Vorlage gemäß verabschiedet. E« wurde zur Kenntni» gebracht, daß wegen de« Verkaufs des Wendischen Seminar» zu Prag Ligen- tumrstreitigkeiten -wischen dem bischöflichen Ordina riat und dem tschechoslowakischen Staat entstanden sind. Bei Kin allgemeinen und unvorhergesehenen Aus gaben im Geschäftsbereich de« Kultusministe riums wurden vom Ausschuß zahlreiche Anträge auf Einstellung höherer Mittel für studentisch« Wohlfahrtseinrichtungen und begabt« Schüler höherer Lehranstalten usw. eingestellt. Die Verabschiedung de« Kapitels wurde allerdings zurück gestellt, da da« Finanzministerium sich erst erklären muß, ob die angeforderten Mittel überhaupt vor handen find. Bei dem Kapitel «Ministerium de» Kultus und öffentlichen Unterrichts" wurde ebenfalls der Vorlage gemäß alle« genehmigt. Es wurde allerdings von feiten der Dolksvartei die starke Deamtenvermehrung im Kultusministerium kritisiert und Einspruch er Loaolsg, Äea 24. juvl hoben gegen die Berufung de» sozialistischen Bezirks schulrats Dr. Wünsche in da» Kultu»ministerium, weil er da» höhere Schulwesen nicht genügend kenne, um dort Reformen ausüben zu können. Lin kommunistischer LingestSnbnis Dresden, 23. Juni. (Eig. Tel.) Der Führer der sächsischen Kommunisten, der Aba. Böttcher, sagt« in Moskau in einer Sitzung der erweiterten Exekutive der kommunistischen Partei über die poli tischen Ziele der sächsischen Kommunisten, nach dem Bericht der parteiamtlichen kommunistischen Presse- korresponden-, folgendes wörtlich: «Die Einheitsfront ist unsere jetzige politische Strategie, mit der wir nicht nur die sozialdemokratischen Führer entlarven, son- dern mit der wir auch gleichzeitig die sozialdemo- kratischen Arbeiter in bestimmte vorgetrie bene Kampfpositionen führen. Natür lich wird diese Einheitsfront auch zum Pakt kommu nistischer und sozialdemokratischer Arbeiter gegen sozialdemokratische Führerschaft. Hier muß die So zialdemokratie an ihrem inneren Widerspruch zer- schellen. Die Spaltung der Sozialdemokratie »st ein wichtiges Ergebnis der Einheitsfronttaktik." Sachsens streit um die bayrischen Volksgerichte Dresden, 23. Juni. (Eig. Tel.) Das sächsische Justizministerium hat die sächsischen Staatsanwalts- und Polizeibehörden angewiesen, den Rechts- Hilfsersuchen der bayrischen Volks- gerichte nicht stattzugeben. Daraufhin hat das bayrische Justizministerium in Dresden an- gefragr, welche Bewandtnis es mit dieser Meldung habe. Die sächsische Regierung hat darauf geant- wartet, sie sehe die bayrischen Volksgerichte nicht als vollgültige Gerichte an. Da dieser Standpunkt mit Entscheidung des Reichsgerichts in Widerspruch steht, wird das bayrische Iustizmnisterium höchstwahr, scheinlich die Angelegenheit in Berlin zum Aus trag bringen. Erhöhung -er Suckersteuer Berlt», 23. Juni. (Eig. Tel.) Der Steuer ausschuß des Reichstages letzte heute die Beratung der Verbrauchssteuer bei der Zuckersteuer fort, die eine Erhöhung bei Stärkezucker auf 12 000, bei andere Zucker auf 30 000 Mark für 100 Kilo Reingewicht vorsieht. Auf Antrag der Deutschen Dolkspartei und des Zentrums wurde wegen der mittlerweile ein getretenen Erhöhung des Großhandelspreises eine Verdoppelung der Steuer auf 24 bzw. 60 000 vom Ausschuß beschlossen. Infolge diese» Antrages wurde der Reichsfinanzminister er mächtigt, die Zuckersteuer entsprechend den Aenderun- gen des Zuckerpreises zu erhöhen oder zu ermäßigen, aber nur dann, wenn der Herstellungspreis für Zucker (Melis) ab Magdeburg seit dem 1. Juli oder seit Inkrafttreten der letzten Steuerfestsetzung um winde- stens 25 Prozent gestiegen oder gefallen ist. Der im bisher geltenden Gesetz vorgesehene Zahlungsaufschub von 6 Monaten ist auf 6—10 Wochen eingeschränkt worden, Kleine politische Nachrichten In Dresden wurde eine für Sonngbend >an- gesetzt gewesene Schlageterfeier, in der q. a. der bekannte General Maercker sprechen sollte, vom Polizeipräsidium verboten. ist Der preußische Landtag lehnte einen sozialdemo kratischen Antrag, die preußischen Gesandt» schäften in Dresdeck und München aus zuheben, mit 135 gegen 128 Stimmen ab. * Die englische Regierung hat einen weite ren Sitz im Parlament verloren. Bei der Ersatzwahl in Tiverton (Levonshire) siegte der libe rale Kandidat über den konservativen mit einer Mehrheit von 403 Stimmen. Bisher war der Kreis durch einen Konservativen vertreten, der aber bei der letzten Wahl fiur eine Mehrheit von 74 Stimmen hatte, " ist Als schweizerische Delegierte zur Dölkcrbundsver- sammlung wurden vom Bundesrat bezeichnet: Bun desrat Motta, Altbundesrat Ador und National, rat Forrer, letzterer an Stelle von Ständerat llsterr, der zurückgctreten ist. Am tollsten ging es aber am Zohanniabend zu. Das ganze Hofgesinde zog dann mit dem uralten «Ligo-Gesang" vor das Schloß. Bier und Johannis käse wurde von den Mägden verteilt, während un- geheure Gras- und Beerenkränze zur Veranda flogen, und von der Krone de» alten Ahorn« und den Nachbarhöfen und Wäldern qualmende Pechfässer loderten. Dann tanzten die «verrückten Hühner", von Kränzen ganz überschüttet, sogar mit den Knechten auf dem Rasenplatz, und Onkel Arnold schwang sich, leicht berauscht, die schwarzen Augen schief zu- sammengekniffen, mit den Mädchen. Tante Erneste betrachtete aber aufmerksam die kleinen Kinder, die ihr Kränze hinaufbrachten, und hin und wieder griff sie ein schwarzäugiges am Kinn, prüfte es genau und meinte kopsschüttelnd: «Die Augen, ja, die stimmen —, aber diese Nasen! Wo mögen sie nur ihre Nasen herhaben!?" Kam aber der Alt-Marusensche einmal herüber, dann wurde mit desto größerer Leidenschaft musi ziert, und die „verrückten Hühner" ersannen sich Tänze, daß selbst die bleichsüchtigen Damen vom Doktorat sanft erröteten. Und Onkel Arnold, der wieder einen leichten Rausch hatte, wiegt« sich auf seinem Stuhl und applaudierte mit zusammengekniffenen Augen: «Da capol Da capo!" Und Tante Erneste zupfte ihn am Aermel: «Aber Arnold!" Doch der Alt-Marusensche rächte sich bitter. Er war der Erbonkel von allen — und heiratet« mit 60 Jahren eine junge Witwe. Wa» nützte es, daß man ihn zu seiner Hochzeit mit einem Ständchen und Polterabcndscherzcn über raschte? Daß Onkel Arnold mit der jungen Frau tanzte, während die „verrückten Hühner" den alten Erbonkel in ihren grünen Schleiern zu verwickeln suchten? Der Alt-Marusensche bekam einen Sohn, und K« «verrückten Hühner" hielten ihn zur Taufe. Eine deutsch« Expresstonlsten-Ausstelluag tu New Nork. Eine Ausstellung, dre zum ersten Male in Amerika eine erschöpfende Vorstellung de» deutschen Expressionismus bietet, wurde in den Anderson Art Galleries in New Aork «xtzssnet. Wie in Cicerone berichtet wird, werden im ganzen etwa hundert Ge mälde, eine gleiche Anzahl Aquarelle, graphisch« Blätter und 25 Plastiken gezeigt. Künstler au» den verschiedensten Teilen Deutschland» haben zu der Ausstellung beigetragen, und unter ihnen finden sich Ke besten Namen der jungen deutschen Kunst. So sind von Malern u. a. vertreten: Nolde, Pechstein, Nauen, Rohlfs, Schmitt-Rottluff, Feininger, Heckel u. a., unter den Bildhauern: Kolbe, Scharff, Garbe, die Frauen Roeder, Sintenis, Sieger. Die Berliner Effektenbörse al» Doktorarbeit. In der staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Hamburg promoviert« Bernhard Fischbein auf Grund einer Dissertation über da» Thema: „lieber die Preis- bildung an der Wertpapierbörse und über die Preis bewegung von zwanzig Industriecffckten der Berliner Börse im Jahre 1921." vier Kapellmeister an der Frankfurter Oper. An Stelle de» ersten Kapellmeisters der Frankfurter Oper, Eugen Szenkar, der im August an die Große Dolksoper in Berlin geht, wurde Kapellmeister Wolf gang Martin au« Lübeck (ein Sohn de» früheren Oberbürgermeisters von Mannheim) berufen. In die Leitung der Großen Oper (Wagner, Mozart, Verdi usw.) wird sich Martin mit Dr. Rottenberg teilen. Für Ke Spieloper wurde Kapellmeister Kurt Kretzschmar au« Dresden berufen. Die Operette wird nach wie vor Bruno Hartl leiten. — In Frankfurt am Main will man wissen, daß der bisherige Generalmusikdirektor der Petersburger Oper Prof. Hermann Kuiper in eine ähnlich« Stellung nach Frankfurt a. M. berufen werde. llraufsührunge» iu Fraukurt a. M Das Frank- furter Schauspielhaus (Intendant Weichert) hat sechs neue Stücke zur llraufführuna erworben: „Dietrich" (dritter Teil der Trilogie „Geschlecht") von Fritz von Unruh, „Nebeneinander" von Georg Kaiser, „Stto- banzer" von Paul Kornfeld, „Der Tod der Athene" von Reinhart Zickel, „Der Berg in der Wüste" von Eidlitz, „Die Liebe, ein goldene« Buch" von A. Tolstoi. Eine originell« Nachtvorstellung. In Wien bereitet man für nächste Woche im Deutschen Dolkstheater eine Nachtvorstellung vor, bei der ausschließlich der zeitige und gewesene Theaterdirek torin Mitwirken dürfen. Da gegenwärtig fast sämt liche Theater Wien» ehemalige oder noch tätig« Schauspieler zu Direktoren haben, so stehen der Aus- hrung de» Plane» keinerlei Hindernisse entgegen, las Genannt seien hier: Thimig, Heine, Paulsen, Weiße, Bernau, Jarno, Frau Niese, Dr. Beer, Marischka, Dora Eibenschütz, Siegfried Geyer usw. Interessant ist das Programm des Abends, da» mit dem „Der- sprechen Hinterm Herd" beginnt und mit einer „expressionistischen" Aufführung des 2. Aktes von Raupachs „Müller und sein Kind" fortsetzt. Der dritte Einakter bringt „Die Vorlesung bei 8er Haus meisterin." Die Einnahme Keser originellen Vor stellung soll einem in augenblicklicher Not sich befin denden ehemaligen Theaterdirektor zugute kommen. Zum Rektor der Wiener Universität für das Studienjahr 1923/24 wurde der ordentliche Pro- fessor für alttestamentarische Bibelstudieu Theol. Dr. Johannes Doller gewählt. Da» Bad der Dichterin. Die erfolgreiche englische Dichterin Phyllis Austin erklärte kürzlich, daß ihr die besten Ideen für ihre Dichtungen kämen, wenn sie sich im Bade befände. Au» diesem Anlaß wird folgende lustige Geschichte erzählt: Miß Austin schrieb, bevor sie mit ihren Romanen Erfolg hatte, hauptsächlich Gedichte, die ihr Bruder Harold Au stin in Musik setzte. Einmal dichtete sie auch für einen anderen Komponisten den Text zu einem Lied und gestand ihm, daß sie es im Bade geschaffen habe- Da der Komponist damit großen Anklang fand, schrieb er ihr nach drei Monaten einfach: „Li^>e Miß Austin, wäre es nicht Zeit für ein neue» Bad?" Amertkauischer Humor. „Gibst du mir einen Kuß, wenn ich dir einen Cent, schenke?" fragt die Tante ihren niedlichen kleinen Neffen. „Was, für einen Cent!" lautet die entrüstete Antwort. „Ich habe ja schon für Lebertrannehmen zwei Lent bekommen." — „Also Mary gab dir einen Korb? Warum denn? Hast du ihr denn nicht von deinem reichen Onkel er zählt?" „Aber gewiß." „Nun, änderte da» nicht die Sachlage?" „O ja, Mary ist jetzt meine Tante."— „Run, Bobby," sogt der Rektor zu dem kleinen Sohne eine» seiner Lehrer, den er auf der Straß« trifft, „was gibt » Neues," „Vater hat sich «in neue» Gebiß machen lassen." „Da» ist ja schön," sagt der Rektor und verbeißt sich da» Lachen, «und wa» wird au» dem alten?" „Ach/ sagt Bobby und feine Miene verdüstert sich, «er wird e« wohl kleiner machen >, und dann muß ich es tragen!"