Volltext Seite (XML)
Durch dte Post inDeutschIandmonatt.M.5000 . unv Beftellgcbühicn; Ausland M. IslXlU mit Porio Erscheint «ügltch morgen-,autzcr Montags. Höhere Gewalt schließt Ersüllung aus. TchrMlei«. GelchäitSst., Drutteret: Leiv,ig. JohanniSaasse 8 Fernsprecher Ortsgespräche Sammel-Nr.: 70811, ««rngrsprachr 1708S-17092): ebenda u. in allen yiltalcn Anzeigen, u. Abonnement-Annahme; auch nimmt tcdeS Postamt Bestellungen an. ^andels-ZeitunA 'Ur die «e,a»t- (Stadt, u Post.) ««,». <»"aeigENprkI». la«,: Eintp.24mm vr. wm-Zetlr M 3Sü, auSw.Jnsirent.M. 6S0. Sonderpreise: yamtltenanz. v. Prtv. wo, Zeile M.125, GelegenhcttSanj.(prtv.Natur) u. Stellenangeb-,Mio» Zeile «.ISO. Stellengrf. mm Zette M. 110. amu. Betanntm. Toppet- mm-ZetleAt.700.s auSW.M.13t>L Nett ?2mmbr.mm-Zl.MLOOO, i.auSw M.30i>0.AuB1andSan,.m Valutaausschl. Bei Wtederh.Nachlasl. Platz- u.Datendorsch.unverbindl.Srs»L..Or»Lctpzig. Postschettk.Lc«p; 3OO4. D»S Letuziger Lageblat« enthält amtliche Bckanretmachuuaen des MateS der Stadt Seivzig. de» Voli»ei»riisi»i«ms Leipzig, de» ««tSserUdt» Seivatq, iomie verschiedener anderer Behörde«, Xr. 148 Lmrslnummsr soo k-I«rk Sonolsg, üea 24. /aoi 1923 117. /sdrg. Zum Gedächtnis Rathenaus I_. s. Loipztg, 24. Juni. Die deutschen Republikaner gedenken heute des vor Jahresfrist durch Mörderhand gefallenen Außenministers Walther Rathenau. Dem Manne den Rang im Gedächtnis der deutschen Nation anzuweisen, die den Märtyrern der Re- publik gebührt, ist die Aufgabe der republikani schen Schule und Geschichtsschreibung, die wir bekommen, um die wir kämpfen müssen, wenn anders uns daran gelegen ist, daß der freistaat- liche Gedanke mit starken Wurzeln im Bewußtsein des Volkes gesichert sei. Im Rahmen dieser kur zen Betrachtung jedoch muß man sich damit be- gütigen, den Menschen Rathenau nur insoweit in Betracht zu ziehen, als er ein Deutscher jüdi schen Glaubens war und somit als Staatsmann zur Zielscheibe des antisemitischen Demagogen- tums bestimmt, das die Rolle des Stoßtrupps aller gegenrevolutionären Interessen übernom- men hat. Die Eignung des Antisemitismus zu solchem Zweck ergibt sich ohne weiteres aus der zum Abe der Psychologie gehörigen Tatsache, daß der nicht geringe Teil der Menschheit, der von dumpfen Trieben, verworrenen Regungen, anstatt von klaren Erkenntnissen beherrscht ist, jeden irgend wie anders Gearteten als Schlechteren, mit allen möglichen Listen und Tücken Behafteten zu emp- finden pflegt. Es ist ein völlig gegenstandsloses Bemühen, den Antisemitismus der Massen aus irgendwelchen erheblichen Besonderheiten der Juden ableiten zu wollen: eine geringe Abwei chung in den Gesichtszügen, in der Hautfarbe oder anderen, dem klaren Bewußtsein gleichgültigen Äußerlichkeiten genügt vollkommen, um jenes vielleicht von tierischen Vorfahren überkommene Gefühl eines zwischen Haß und Furcht schweben den Uebelwollens zu begründen. Und man hat damit auch schon hinlänglich erklärt, wie fast überall, wo man eine beträchtliche Anzahl von Juden unter den Einwohnern zählt, der Anti- scmitismus zu einer politischen Waffe wird, die schon durch die Leichtigkeit der Handhabung be sticht. Denn für die Parteien, die irgendwelchen Sonderinteressen dienen und daher nicht sowohl auf die Vervollkommnung als auf die Verküm merung der politischen Urteilskraft des Volkes bedacht sein müssen, liegt nichts näher als das einfache und handliche Mittel des Doltsbetrugs, das ihnen der Antisemitismus bietet, um alle peinliche Verantwortung abzuwälzen, alle Nöte und Beschwerden des Äaates dem stets bereiten Siindcnbock aufzuladen. Es ist eine bemerkenswerte Erscheinung der intimeren Kriegsgeschichte, daß zu einer Zeit, wo dem Volke noch eitel Siegesgewißheit vorgespie- gelt wurde, die herrschenden Kreise des alten Re- gimes sich bereits aufs eifrigste darauf verlegten, „Material gegen die Juden" zu sammeln. Die in der Gegend um Reventlow gehegte Hoffnung, auf diese Weise der Verantwoxtung für die in jenen Regionen schon auffallend früh, auf jeden Fall längst vor dem „Dolchstoß" gefürchtete Nieder lage entgehen zu können, ist freilich nicht ganz in Erfüllung gegangen. Doch es kam der Augen- blick, da die Leute, die sich in den Unisturztagen schlotternd verkrochen und für so viele mit schlich, tcm Abschied entlassene Monarchen nicht einen Finger zu rühren gewagt hatten, im Schutz der republikanischen Freiheit wieder Mut faßten und die den angstzitternden Händen entfallene Waffe wieder aufgriffen. Daß es ihnen gelingen könnte, die unrettbar diskreditierte und in Wahrheit schon lange vor den» Sturz im Bewußtsein der Nation problematisch gewordene Monarchie wiederherzustellen, ist bei nur einiger Wachsamkeit der Republikaner nicht zu fürchten. Doch schon groß genug ist der Schaden, den der antise- mitische Betrug der Entwicklung des politi- schen Lebens in der Republik zufügen konnte, in- dem er allzuoiele dazu brachte, sich mit dem läppi- schen und sinnlosen Allerweitsargument „derIudl" abspeisen zu lassen und damit auf ernsthafte» Nachdenken über die öffentlichen Angelegenheiten zu verzichten. Ist es doch so weit gekommen, daß eine nicht ganz kleine Zahl unserer Mitbürger selbst im Angesicht der tief im Lande stehenden Franzosen nichts Besseres zu tun wissen, als „der Jud!" zu stammeln. Ein dem Franzosen offen- bar höchst willkommener Wahn, denn der Fuchs- Machhaus-Prozeß hat deutlich genug gezeigt, daß gerade in jenen Kreisen, wo die Vaterlandsliebe zum Antisemitismus am eifrigsten gepflogen wird, das französische Geld in vollen Strömen stießt. Was sollte auch dem Franzosen preis- wertere Ware sein als die Ablenkung der Deut schen von dem wahren Feind ihres nationalen Daseins? Rathenau wird nicht umsonst gestorben sein, wenn sein Tod einem immer größeren Kreise von Bürgern zum greifbaren Symbol der Gefahren wird, mit denen die antisemitische Demagogie das deutsche Volk und seine Entwicklung zum wahr haft politischen Wesen bedroht. Lin Aufruf der Deutschen Demokratischen Partei Ein Jahr ist vergangen, seit die Schüsse deutsch, völkischer Mordbuben Dr. Walther Rathenau nie- derstreckten. Aus einem Leben, das nur dem Wohle der Gesamtheit, aus einem Schaffen, das dem deut- schen Vaterlands geweiht war, wurde der Reichs, außenminister hingcrafft in einer Zeit, wie sie wer- hängnisvoller und schicksalsschwerer nicht gedacht werden konnte. Heute, nach einem Jahr, sieht jeder, der sehen kann: die Ermordung Rathenaus war ein nationales Unglück, die Wahnsinnstat fana- tisierter Rechtsradikaler hat sich am deutschen Volk furchtbar gerächt. Den Wendung, die seit jenem ver- hängnisvollen 24. Juni 1022 das Schicksal Deutsch, lands genommen hat, ist unheilvoll genug; politisch, wirtschaftlich, finanziell stehen wir in einem Kampfe, der unserem armen, gequälten, ausgesogenen Vater land die äußersten Opfer auferlegt. Ls ist müßig zu fragen, ob es Rathenau« staatsmännischen Fähig, ketten, Rathenau» internationalen Beziehungen ge- langen wäre, die Franzosen am Einmarsch in das Ruhrgebiet zu hindern. Aber wie sehr hatte seine geistige Ueberlegenhcit, wie sehr hätten seine weit- ausgedehnten Verbindungen uns den Kampf er. leichtern können! Die Trauer, die heute dir große Mehrheit des deutschen Volkes mit uns, Rathenau» Parteifreunden, vereint, kommt zu spät. Nur dann kann sie für unser Vaterland noch Gutes schaffen; wenn sie alle die, deren Gedanken heute den Lauf des letzten Jahres verfolgen, erfüllt mit dem festen Willen, Rathenaus Vermächtnis zu übernehmen. Die Herstellung des Friedenszustandee in Europa und die endgültige Regelung der Beziehungen zwl- schen Deutschland und Frankreich sind Rathenaus außenpolitisches Vermächtnis. Für die Ge- sundung im Innern aber gelten dies« Richtlinien, die dem Verewigten politische Leitsätze waren: Einig- leit setzt den Willen zum sozialen Ausgleich auch bei den wirtschaftlich Starken voraus; stabile politische Verhältnisse zu schaffen ohne Heranziehung auch der Handarbeiter zur Verantwortlichkeit ist unmöglich; Treue zur deutschen Republik ist die Voraussetzung de« deutschen Wiederaufstiege». Der Vorstand der Deutschen Demokratische» Partei: (gez.) Petersen. (gez.) Erkelenz. Rathenau-GedenKfeier in Leipzig Das Kartell Republikanischer Stu- deuten Deutschlands und Deutschs st er. reichs tritt zum erstenmal in Leipzig mit einer Veranstaltung an die Oeffentlichkeit, und zwar mit einer Rathenau-Gedenkfeier, die am Mon tag. den 25. Juni, 8 Uhr abends, im Festsaal des Städtischen Kaufhauses stattfinden wird. Die Red« wird Theodor Bohner-Magdeburg halten, der sich durch seine Romane „Kroabla* und andere einen guten Namen in der Echriftstellerwelt erworben hat. Die Feier wird umrahmt werden von Rezi- tationen des Herrn Krah6 (Schauspielhaus), zum Teil au» Rathenaus Werken, und von Musikvorträgen de: Herren Han» Dassermann (Diolipe) und Otto Weinreich (am Blüthner), die die As-Dur- und die Konzertsonate von Beethoven -um Vortrag bringen werden. Jedermann hat Zutritt. Rathenaus Villa Verltn, 23. Juni. (Lig. Tel.) Heute mittag haben sich der Reichspräsident, Reichskanzler Dr. Luno und Reichsaußenminister Oeser »ach der Villa des ermordeten Minister» Rathenau im Grüne- wald brgben, um dort von der Mutter des Toten, Frau Geheimrat Rathenau, da» Hau» al» Stif tung für das Reich zu übernehmen. Di« Urber- nahm« erfolgte ohne jede Feierlichkeit und im Zeichen eine» einfachen Rundgange» durch die schöne« Räume, die künftig den Rahmen für wissenschaftliche Beran- Paltungen der Reichsbehörden abgeben sollen. Das größte Werk Rathenaus blieb unvollendet London, 23. Juni. (Eig. Tel.) Ein politisch sehr einflußreicher englischer Freund Rath«, naus im konservativen Lager, nimmt den Jahres- tag der Ermordung Rathenaus zum Anlaß, um im Daily Telegraph sich über die verhängnisvollen Fol- gen der Mordtat zu äußern. Die Mörder wußten nicht, so schreibt er, daß sie durch ihr Verbrechen die Uhr der deutschen Staatskunst um ein erhebliches zu- rückgedrcht haben und daß sie einen wohlüber- legten Plan zum Scheitern brachten, rasch mit Frankreich zu einem Ausgleich zu kom- men. Als Dr. Rathenau Außenminister wurde, war er zwar der große Industriekapitän, aber noch ein Neuling in der Technik der internationalen Politik, In den ersten drei Monaten seiner Arbeitsperiodc war er mit der Vorbereitung der Genueser Konfe- renz beschäftigt, dann folgten Wochen, in denen seine Arbeitskraft fast völlig durch die Arbeit der Kon- ferenz in Anspruch genommen wurde, so da ihm als Minister nur die wenigen Wochen zwischen dem Ab- bruch der Genueser Konferenz und seiner Ermordung zur Verfügung standen, um auf diesem Gebiete schöp ferische diplomatische Arbeit zu leisten. Nachdem er einmal die Ueberzeugung gewonnen hatte, daß der Schwerpunkt der politischen Lage in Paris lag, und daher nicht durch die bürokratische Tradition der Wilhelmstraße geheinmt war, nahm er die Aufgabe in Angriff. Diese Arbeit ist leider vorzeitig durch die Kugeln der deutschnationalistischen Mörder zum Abschluß gebracht worden. Die Unterhaltungen zwischen Paris und Berlin, die sehr aussichtsreich waren, hörten auf. Dr. Wirths Sturz verschlimmerte die Lage dann weiter. Die ausländischen Ratgeber, die der von Wirth ge- wünschten großen Koalition seinerzeit Steine in den Weg gelegt haben, haben Deutschland einen schlechten Dienst geleistet. Konferenz der Wirtschaftssachverständigen London, 23. Juni. (Eig. Tel.) Seit ungefähr einer Woche befinden sich die englische und die fran- zösische Regierung in ständiger Fühlungnahme. Wie nun die Times mitteilt, weilt zurzeit der Vorsitzende des Verbandes englischer Handelskammern Bal. four in Paris, um mit französischen Wirtschafts, kreisen über die Ernennung von Sachverständigen zu verhandeln, die mit an der englischen Handelskam- mer vorzuschlagenden englischen Sachverständigen über eine wirtschaftliche Regelung der Reparationsfrage sprechen sollen. In einem Leitartikel warnt die Times davor, die englischen Sondierungen zeitlich zu lange auszudehnen, da die Gefahr immer mehr heranrücke, daß die staatliche und soziale Ordnung Deutschlands unter dem ungeheuren Druck der Wirtschaftskrise, der Agitation der Ratio- nalisten und der Wühlarbeit der Kommunisten zu- sammenbrechcn könne, bevor eine Einigung unter den Alliierten erfolgt sei. Es sei zwecklos, daß die eng. lische Regierung die schwache und nutzlose Geste mache und Deutschland auffordere, den passiven Wi- dcrstand aufzugeben. Nur Frankreich sei imstande, Deutschlands Widerstand aufhören zu lassen, indem es dann abgibt, eine wirtschaftliche Lösung der Re- parationsfrage durch Zwangsmaßnahmen zu er- reichen. Eine ernste Verhandlung über die Repara- tionsfrage kann nicht stattfinden, solange der Ruhr konflikt fortdauert. Deutschland sei bereits gebrochen. Es stehe nun in Frankreichs Macht, die Großherzigkeit des Siegers zu zeigen. Poinear6§ delphische Vorschläge Lo»dv», 23. Juni. Die Times schreibt in ihrem heutigen Leitartikel, dio britische Regierung setze ihre geduldigen und beharrlichen Bemühungen fort, eine allgemeine Erörterung der Reparation »frage zustande zu bringen. Die Schwierigkeiten seien aber nie so groß ge- wesen wie augenblicklich. Die Regierung werde aber mit unablässiger Energie danach streben, eine endgültige wirtschaftliche Regelung des Repara- tionsprcklems und die Befreiung Europa» au» der gegenwärtigen äußerst gefährlichen Ungewißheit herbeizuführen- Poincarä habe gewisse Be. dingungen mitgeteilt, die Großbritannien er füllen müsse, bevor er der Wiederaufnahme einer gemeinsamen alliierten Aktion -ustimmen wolle. Die meisten von ihm hinsichtlich de» deutschen passiven Widerstande» und der fortgesetzten Ruhrbesetzung zur Erörterung gestellten Punkt« und die franzö sische Antwort über di« Zahlung»weise und die Verteilung der Reparationszahlungen ließen so verschiedene Auslegungen zu, daß di« britische Regierung e» für notwendig befand, nm bestimmtere Erklärung» z» ersuche». Inzwischen sei es zweckmäßig zu wiederholen, daß gewisse Dinge bestehen, die die britische Regierung tun kann, und gewisse andere, die sie nicht tun kann. Wenn Poincare fordere, daß Großbritannien seinen amerikanischen Einfluß verwenden solle, um es für die französischen Operationen im Ruhrgebiet zu gewinnen, so müßte klar gemacht werden, daß dies nicht in Frage komme. Es sei undenkbar, daß Frankreich in unmittelbarer Zukunft im Ruhrgebiet irgendwelche wirtschaftlichen Vorteile ernten könne, selbst wenn alle Regierungen der Welt Deutschland auffordcrten, den passiven Widerstund einzustcllen, und selbst wenn die deutsche Regierung unter großen Gefahren für ihren eige nen Bestand sich auch dazu bereit er klären würde. Das ganze soziale und wirtschaft- liche Gefüge Deutschlands schwanke unter der Be lastung. Unter diesen Umständen könne die britische Regierung nicht die schwache und zwecklose Geste machen, Deutschland zu ersuchen, den passiven Wider stand einzustellen. Nur Frankreich könne diesen Widerstand beendigen, indem er anerkenne, daß die Fortsetzung der Bemühungen, eine wirtschaftliche Lösung dnrch Zwang zu erreichen, nicht nur zwecklos, sondern mit großer Gefahr für Europa und Frank reich selbst verknüpft sei. Es könne keine ernste Erörterung der Reparationsfrage stattfindcn, bevor der Ruhrkonflikt nicht aufhöre. versuche zur Vermittlung London, 23. Juni. (Eig. Tel.) Der Daily Telegraph teilt heute auf Grund von Informationen, die ihm von angeblich sehr guter Seite zugegangcn sind, mit, daß wieder Versuche gemacht würden, durch die Vermittlung von Dr. Benes ch oder durch Schweizer Kanäle Deutschland und Frank- reich miteinander in Berührung zu bringen. Auch in hiesigen politischen Kreisen spricht man von derlei Versuchen. Der Matin veröffentlicht die Nachricht, Poincars habe am Freitag eine längere Unter- redung mit dem englischen Botschafter gehabt. Allem Anschein nach hat England nochmals auf schnelle Beantwortung des Londoner Fragebogens gedrängt und gleichzeitig versucht, die wahren Absichten der französischen Regierung zu ergründen. Der Petit Parisien bestätigt heute offiziös, daß Frankreich keinesfalls indirekte Dor- schlüge Deutschlands zur Frage des Widerstandes in Betracht ziehen werde, nachdem die französische und die belgische Regierung ziemlich oft erklärt hätten, daß nur direkte in Brüssel und Paris überreichte Porschläge der deutschen Regierung geprüft werden könnten. Protest gegen die Saboteure Frankfurt a. M., 23. Juni. (Eig. Tel.) Das Gewerkschaftskartell in Mainz nahm eine Entschlie ßung an, in der es heißt: Die Mainzer Gewerk- ! schaftsfunktionäre sprechen über die in letzter Zeit sich häufenden Sabotageakte ihre schärfste Entrüstung und Mißbilligung aus. Die Arbeiterschaft lehnt alle Gewalttätigkeiten, wo immer sie auch angewandt werden, auf das entschiedenste ab. Zn dieser Verurteilung der Sabotageakte ist die große Mehrheit der Einwohner der besetzten Gebiete einig. Anderer Meinung sind nur jene Abenteurer, die mit den Verhältnissen absolut unbekannt sind und sich durch irgendwelche Hintermänner zu solchen Maß nahmen eines Guerillakrieges verleiten lassen. Der Kreisdelegierte von Höchst-Mainz erläßt eine Bekanntmachung, wonach für die Gemarkung Nied jeder Verkehr für Personen- und Lastkraftwagen. Motorräder und Fahrräder verboten wird, weil der Bürgermeister von Nied sich geweigert hat, die über Nied führende Drücke bewachen zu lassen. * Die Franzosen haben die Rheinbrücke bei Maxau für jeglichen Verkehr gesperrt. Die Sperrung soll mit der Entgleisung eines Güterzuges in der Pfalz im Zusammenhang stehxn. Ltappengeift Frankfurt a. M., 23. Juni. (Eig. Tel.) Das Wohnungsamt in Frankfurt a. M läßt durch Beamte feststellen, wo Einzelzimmer für Rhein flüchtlinge freigcmacht werden können. Diese Maßnahme entspricht einer dringenden Notwendig keit, da sich die Zahl der Ausgewiesenen von Tag zu Tag vergrößert. Täglich kommen jetzt Züge mit mehreren hundert Personen aus dem Ruhrgebiet, die untergebracht werden müssen. Darunter be finden sich Säuglinge, Greise und Greisinnen von mehr als 70 Jahren. Es ist leider nicht möglich, die Familien immer zusammen unterzubringen, häufig müssen sie auseinandergerissen werden, sind aber schon dankbar, wenn sie nur ein Dach über dem Kopfe haben. Es sind do« Mühsale, von denen alle diejenigen nichts ahnen, die in der Etappe große Reden halten. Für den Etappengeist ist bezeichnend, daß dieser Tage ft» Frankfurt eine Wohnungsbesitzerin, die den besseren Ständen angehört, einem Bahnhofs vorsteher, der sie al» Vertriebener um ein Zimmer bat, mit der Bemerkung abwies, das Zimmer stände wohl zur Verfügung, jedoch nur für Beamte vom Oberregierung»rat a» aufwärts