Volltext Seite (XML)
Hier beginnt die Vorrede zum siebenten Luche. Jeder Mensch hat zu dem Zwecke eine vernünftige Fassungs kraft erhalten, daß er Gott, seinen Schöpfer, erkenne und an seinen Werken nicht verblendeten Herzens vorübergehe, oder tauben Ohres davon nicht höre. Daß der Mensch dazu geschaffen sei, beweist auch die Körpergestalt, die nicht nach Art der andern lebenden Wesen zur Erde gebeugt, sondern aufrecht dem Himmel zugewendet ist. H Auch der innere Mensch ist nach dem Ebenbild seines Schöpfers gemacht, er hat Stoff die Wahrheit zu erforschen nicht nur in anderen schönen und großen Geschöpfen außer sich, sondern findet ihn auch in sich selbst, weil er das Licht des Angesichtes Gottes auf sich gleichsam als Prägezeichen trägt. Ebenso ergiebt sich die Erkenntniß, daß Gott nicht — wie Einige behaupten — um die Welt sich nicht kümmert, sondern mit allmächtiger Majestät das, was nicht war, geschaffen hat, mit allweiser Vorsicht das Geschaffene regiert, mit allgütiger Huld das Regierte behütet, klar und deutlich daraus, daß jeder weise und gute Mensch seine eigenen guten Werke liebt und liebend umfaßt. Wenn nun der Mensch, der der Vergänglichkeit unterliegt, der weise durch einen Antheil der Weisheit, oder vielmehr nur an der Benennung der Weisheit, gut durch einen Antheil an der Güte oder vielmehr nur an der Benennung der Güte ist, solches thun kann, wie viel mehr muß man glauben, daß der allein Unveränderliche, allein in seiner Weis heit Weise, allein in seiner Güte Gute und deswegen allein Gute solches thue? Daher sagt auch Augustin: „Um zweierlei willen I) Die Worte erinnern an Ovids Metamorphosen I, 85. 4»