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auch in Pari? noch geschmacklos, besonder» die Wemänner und Brüder, beule verzichten die Damen der Gesellschaft noch aus den billigen Triumph. den sie ihrer Schönlxit mit Liner neuen Mode erfechten lönnen. Aber wenn ein paar Halbweltdamen dem Trikot den Weg auf die Straße gebahnt haben und man sich an den Gedanken feines Da- jeins gewöhnt hat, werden sich folgsam auch dir Sittsamen fugen. Da» ist ein dem Kundigen wohlbekannter Vorgang. Gibt eS doch sogar ele gante Damen der vornehmen Pariser Gesellschaft, die eigens in Lokale güien, die von D-emimondainen ausgesucht werden, um ihre Toiletten zu studieren und mit ihnen konkurrieren zu können Und in London ist bereits ein Streit entbrannt, ob Trikots oder enganliegende Ledcr- unterkleidnng passender für dir neuen Directoirekleider waren; für die „fließenden" und die „geschlitzten". Und nicht nur für dir Familien- uäter, auch die ästhetisch Empfindlichen sehen besorgt dieser hüllenlosen Zukunst entgegen, in der allzu üppiger, fleischlicher Reichtum neben allzu abstrakten Körperformcn ohne Mitleid auf die Parade geführt werden sollen. Denn schließlich: es gibt doch auch sehr dicke und sehr dünne Frauen, und die werben, trotz Trikots und ledernen Unter» Neidern, gleich wenig verführerisch in fließenden Gewändern drein schauen. Deutscher Reich. Leipzig, 8l. Mai. * Tie Potsdamer Kaiserparade. Gestirn vormittag 10 Uhr fand die Parade über die Potsdamer Garnison bei sehr schönem Wetter im Lustgarten statt. Die Ausstellung der Trupvrn war die übliche. Die Parade kommandierte Generalleutnant v. Delow. Die Kaiserin, die Großherzogin von Baden und Prinzessin Eitel Friedrich trafen in einem vierspännigen k In Daumont gefahrenen Wagen mit Spitzen reitern vom Neuen Palais aus ein. Der Kaiser, in der Uniform der Gardeö du EorpS mit schwarzem Küraß und Feldmarschallstab, kam niit Nach der Parade nahm der Kaiser zahlreiche Meldungen entgegen, darunter des französischen Militärattaches Marquis de Laguicke, der die französische Rangliste überreichte. Borgestellt wurde der siamesische Prinz Chow Fu Mahidol vom Potsdamer KadeNenhanS. Um 12Vr Uhr fand im Königl. Stadlschloß ein Frühstück statt, wobei an einzelnen Tischen gespeist wurde. An der Haupt la sei faßen die Majestäten einander gegenüber. * TaS schwedische KönigSpar in Berlin. Die Königin von Schweden ist bereits gestern aus Karlsruhe in Berlin eingetroffen, wo sie in strengstem Inkognito weilt. Der schwedische Gesandte in Berlin, Graf Taube, wird heute dem König Oskar von Schweden bis Neustrelitz entgcgenreisen. An dem Empsanw aus dem Lehrter Bahn hose werden außer dem deutschen Kaiser paar sämtliche in Bersin anwesende Prinzen und Prinzessinnen, sowie alle Generäle und Admiräle der Garnison Berlin teilnehmen. Das diplomatische Korps wird am 1. Juni nachmittags von König Oskar im Berliner Schlosse empfangen werden. * Znr Aras« einer kaiserlichen Zivilliste schreibt die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung": „Die hiesige „Parlament«« chr Korrespondenz" behauptet, die Regierung habe im Frühjahr unverbindlich im Reichstage die Frage angeschnitten, wie dieser sich zu einer Reichsapanag: für den Kaiser stellen würde. Aus den Besprechungen soll dann die Negierung die Ueberzeugnng gewonnen haben, daß es bester sei, den Plan zunächst zu vertagen. Diese Angaben sind unwahr; der Reichskanzler bat in keinerlei Form wegen einer Reichsapanage verhandel', niemals an solche auch nur gedacht." — Es ist doch überaus mertwürdig, daß das halbamtliche Orgau trotz aller Mahnungen immer nur die Nachricht von der Bewilligung einer Zivilliste vonReichS wegen dementiert, aus die preußische Zwilliste aber nicht zu sprechen kommt. * Ter Kaiser «ud die Festung Magdeburg. Ucber dic E schließung des RestzeländeS der ehemaligen Festung Magdeburg ist dem Kaiser bei seinem Aufenthalt in Dauzi^ Vortrag gehalten worden. Der Kaiser gab dem Entschlüsse der Ministerien seine Zustimmung, w es aber auch darauf hin, daß die Zitadelle „als Wahrzeichen vergangener Zeit" in ihrer jetzigen Beschaffenheit bestehen bleiben solle. * Antzerardeutliche Generalversammlnug des Bundes der Andu- striellen. Gestern nachmittag trat der Bund der Industriellen zu Eisenach im „Rautenkranz" zu einer außerordentlichen General-Ver sammlung zusammen. Nach Eröffnung der Generalversammlung durch den Vorsitzenden Geh. Kommerzienrat Wirth (Berlin) nahm der Fabrik besitzer Heinrich Friedrichs (Potsdam) sofort das Wort zu dem Thema „Der Austritt des Bundes der Industriellen aus der Interessen gemeinschaft". Der Referent legte im Auftrage des Vorstandes Feuilleton. Neue Weltsprachen. Die Völker des klassischen Altertums, Griechen und Römer, sahen in denen, die nicht ihre Sprache redeten, Stammler, und in alter Zeit erkannten nur wenige, eigentlich nur Dichter, welcher Wert für die Seele, für Las Innenleben des Menschen, des Volkes in der Mutter sprache verborgen liegt. Indessen machte sich schon früh das Hemmnis tühlbar, das sür den internationalen Verkehr der Menschen durch die Verschiedenheit der Sprachen ansgeriHtet ist, und das Lernen fremder Sprachen auch aus rein praktischen Gründen geht in das frühe Alter tum zurück. Natürlich mußte es das Bestreben sein, die Sprache des Volkes zu lernen, das am mächtigsten und auf geistigem Gebiete am ein- slußrcichsten war, und so kann man im Altertum das Babylonische, das Griechische, dann das Lateinische als Weltsprachen bezeichnen. Noch das Mittelalter hat dem Lateinischen diesen Rana gelassen, dann trat, als Folge der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse, das Französische und das Englische an seine Stelle, und in der Neuzeit erhebt auch das Deutsche Anspruch auf die Rolle einer Weltsprache und kann gewisser maßen als eine solche betrachtet werden. Aber diesen natürlichen Welt sprachen, denen immer nationale Eifersüchtelei etwas am Zeuge flicken möchte, haben schon lange völkcrfreundlichc Ideologen, spekulative Ge lehrte, Polyhistoren und auch Phantasten künstliche Weltsprachen oder Hilsssprachen an die Seite zu setzen gesucht, die für jeden europäischen Menschen mit mittlerer Elementarbildung leicht erlernbar sein sollten. Unter den großen Geistern, denen die Herstellung eines solchen Völkerver- bindungs- und Völkervcrsöhnungsmittels am Herzen lag, wollen wir nur den Begründer der Berliner Akademie der Wissenschaften Leibniz nennen, dem es auch unvergessen sein soll, daß er in der Zeit undcutscher Sprachmischung für die Nemerhaltung unserer Muttersprache einge- trctcn ist. Eine Geschichte der verschiedenen Hilfssprachversuche in einem Zeitraum von zwei bis drei Jahrhunderten haben die französischen Ge lehrten L. Couturat und L. Leau geschrieben. Sie sind auch die trei benden Kräfte der Körperschaft, die 1900 aus der Pariser Weltausstellung begründet wurde und die der Mittelpunkt der Weltsprachenbestrebungen geworden ist: Les „Ausschusses zur Einführung einer internationalen Hilfssprache". Von den künstlichen Weltsprachen sind in weiteren Krei- len bckanntgcworden das Volapük des Pastors Schleicher, das aber nach kurzer Blüte schon längst wieder der Vergessenheit anheimgefallen ist, und das Esperanto des russischen Arztes Zamenhof, das über eine große Zahl rühriger Werber verfügt, in einer ganzen Zahl Lehrbüchern dargestcllt ist, Anhänger auch in Gclebrtenkreisen in nicht geringer Zahl aufweist, u. a. den berühmten Chemiker Wilhelm Ostwald, und, bisher freilich vergeblich, seine Zulassung auch bei den Akademien nach gesucht hat. Wie zahlreich aber die Weltsprachenpläne sind, daß nicht nur Sprachforscher sondern auch Männer praktischer Berufe sich mit ihnen obplagen, darüber unterrichtet uns der Rechenschaftsbericht der Dele gation. Da haben wir die „Vereinfachte Sprache" des Touloner Marineprosessors Thanst, dessen Streben es ist, die Sprache möglichst kurz zu machen, der sür die einfachen Wörter die Einsilbigkeit zum Prin zip erhebt, dessen Alphabet aber 60 Buchstaben bat, und bei dem eS 58 Wörter aus einem, 582 — 8364 aus 2, 195112 Wörter aus drei Buch staben gibt, niw. L6on Bollack betont im Entwurf seiner ,,Blauen Sprache" die Notwendigkeit der Einsilbigkeit der Wurzeln sür eine Ver kehrssprache. In dem „Dilrok" des Abb6s Marchand hören alle Adjektive aus i d auf, das „Apolema" deS Soziologen und Linguisten Raoul de la Grasserie beruht ans den griechischen Wurzeln, die in die modernen Sprachen übergegangen sind, man sicht also, der Forderung, daß die Weltsprache jedem Menschen mit Elementarbildung zugänglich sein soll, entspricht sie nicht. Ein Kaufmann in Heidelberg, Carl Spitzer, hat das „Paria" erfunden, das wie Bollacks ,,Blaue Sprache" — auch Bollack ist Kaufmann — möglichst noch Kürze strebt und fast nur ein silbige Wurzeln in seinen Sprachenschatz aufnimmt, die möglichst an die natürlichen Worte erinnern. Di« Master Languaye des Amerikaner» S. C. Houghton entnimmt ihre Wörter dem Lateinischen und behandelt folgende Resolution vor: „Die heutige außerordentliche General versammlung deS Bunde» der Industriellen spricht ihr lebhaftes Bedauern darüber au«, daß der seit Jahren in der Interessen gemeinschaft durchgeführte versuch, eine kraftvolle einheitliche Vertretung der deutschen Industrie herbeizuführen, durch da» Verhalten des Herrn Bueck gescheitert ist. Sie erklärt sich aber mit dem durch den Vorstand des Bundes veranlaßten Austritt vollkommen einverstanden und erblickt jetzt eine wesentliche Aufgabe de« Bundes in dem festen Zusammenschluß der auf ähnlicher wirtschaftlicher Grundlage errichteten LandeS-Industrie- Verbände, um im Verein mit ihnen die gemeinsamen Interessen der verarbeitenden Industrien Deutschland« zu vertreten." * Die deutschen Geistlichen wurden in London gestern vormittag vom König Eduard im Buckinghampalast empfangen. Der deutsche Botschafter führte die Gäste ein. Der König, der sehr liebenswürdig war und deutsch sprach, sagte, er sei erfreut und befriedigt über den Besuch; er hoffe, daß eS den Geistlichen bis zum Schluß gefallen werde. Der König kam auf die Sehenswürdigkeiten zu sprechen, welche die Geistlichen in Augenschein genommen, und erwähnte auch die Universität Cambridge, wo er selbst unterrichtet worden ist. Er beglückwünschte das UnterhauSmitglied Allan Baker herzlich zu dem Erfolge seiner Anstrengungen. Die Geistlichen wurden alsdann durch den Buckinghampalast geführt und besichtigten die Staatsgemächer. Am nachmittag verweilten die Gäste in - der französisch-englischen Ausstellung. * tz 63 des HaudclSgesehbuchc«. Der „NeichSanzeiger" schreibt: Der Bundesrat beschloß gestern, dem Gesetzentwurf über die An wendung deS ß 63 des Handelsgesetzbuches in der vom Reichstag an genommenen Fassung die Zustimmung nicht zu erteilen. — Daß der Bundesrat in diesem Sinne entscheiden würde, stand schon seit langem fest, so daß die jetzt erfolgte offizielle Beschlußfassung den be teiligten Kreisen kaum noch eine Enttäuschung bringen kann. Ausland. Oesterreich-Ungarn. * Eine Huldigung der österrcich-ungarischen Generalität vor dem Kaiser fand heute mittag statt. Wien, 80. Mai. (Telegramm.) Heute mittag fand hier im Zeremonicnsaale der Hofburg die feierliche Huldigung für den Kaiser durch die G e n e r a l i t ä t der bewaffneten Macht O c st c r r e i ch-U n g a r u s statt, woran die Erzhcrzöge Franz Ferdinand, Ferdinand Karl, Leopold Salvator, Franz Salva tor, Friedrich, Karl Stephan, Eugen und Rainer, der Reichslriegs- minister und die beiden Landesvcrteidignngsminister, sowie die Spitzen der Armee und Marine teilnahmen. Pünktlich 12 Uhr erschien der Kaiser in Marschallgalonniform mit dem Bande des Maria- Theresienordcns. Erzherzog Franz Ferdinand hielt eine Ansprache an den Monarchen, in der er ihm die Glückwünsche der Armee anläßlich seines 60jährigen Regierungsjnbiläums zum Ans- druck brachte. Der Kaiser dankte in kurzer Rede. Der Erzherzog überreichte sodann dem Kaiser ein monumentales, vom Kriegsarchiv verfaßtes, mit zahlreichen Illustrationen versehenes Werk, betitelt „60 Jahre Wehrmacht". Der Kaiser hielt daraus Cercle ab und begab sich dann in die Neue Galerie, wo er die Aufwartung der Ncgiments- depntationcn cntgegcnnahm. Di« Ansprache hielt Oberst Fisckicr, der dem Kaiser den Dank für die den Kaiserregimentcrn gewidmete Stis- tung von je 15 000 Kronen auSdrncklc. Hierauf folgte ein Frühstück, an dem auch der Kaiser und die gcncmnlcn Erzherzoge tcilnahmcn. Frankreich. * Die Stimmung in Frankreich über das französisch-'englifcl-e Ein vernehmen ist recht gehoben. Paris, 30. Mai. (Telegramm.) Die Pariser haben es nicht unterlassen, ihre Freude über die Befestigung des französisch-eng lischen Einvernehmens auszudrücken, lieber zehntausend Personen, darunter viele Arbeiter, die zu diesem Zwecke vorzeitig Feierabend machen mußten, sammelten sim gestern abend vor deni Nordbahnhos an, nnd als FalliLres ihn verließ, begrüßten sic ihn nut einem Sturm von Hochrufen, wie ihn noch kein Präsident der Republik ge kannt hat, auch nicht Felix Faure bei der Rückkehr von Petersburg, obwohl der Pariser Volkscmpfang damals von der Polizei mit allen ihren beruflichen Negiekünstcn veranstaltet wurde. Die zubclnde Be grüßung setzt« sich aus dem ganzen Wege fort und wiederholte sich be sonders vor dem Elyleepalast. Bezeichnend ist, daß die ganze regle- sie nach den Grundsätzen der englischen Grammatik, «r ist aber so weit herzig, daß er erlaubt, Hut, hat, Clwpeau oder Sombrero zu sagen, d. h. nach einer der vier Weltsprachen, die in Amerika stark vertreten sind. Das „Logo" des Russen Edgard Dordc läßt alle Wurzeln mit .Konsonanten anfangcn und aushörcn nnd setzt immer zwischen zwei Konsonanten einen Vokal, so daß die Wörter die Formen Bab, Babab, bababab haben. Der Bericht erwähnt noch das Universal oder Pauroman des Münchener H. Mvlcnaar — der zweite Name kennzeichnet den Charakter — und das Neutral. Man sieht viele Kräfte am Werke. Die Esperantisten freilich meinen, das Ziej sei schon erreicht. Ob aber das Esperanto nicht auch die jäh aufstelgende und abfallende Bahn des Volapük gehen wird, kann nur die Zukunft lehren. * * Chinesisches Theater. AnS Schanghai läßt sich der „Theater-T" melden: „Es klingt paradox, daß bei den Chinesen der Stand der Schauspieler zur Klaffe der Varbiere und Folterknechte gerechnet wird — also zu den am meisten verachteten gehört —, während die Theateraufführungen selbst zu Ehren der Götter veranstaltet werden! Au- d'escm Grunde ist cS leicht verständlich, daß die Theater gewöhnlich kn den Vorhöfen der Teinpel aufgcrlcbtet werden. Die Bühne besieht meistens aus einem Bretlcrgesiell, das dem Tempel zu« gcwandt ist. Sie ist überdacht, während der Zulchaucrrauin sich im Hofe unter freiem Himmel befindet. Ein Vorhang existiert nicht, denn die Kulissen werden nicht verändert: links ans der Bühne befindet sich ein Eingang, der zum Auftritt sur fämlllche Schauspieler benutzt wird, während sie alle durch einen Ausgang abgehen. Weibliche Rollen werden stets von Männern dargestellt, denn den Frauen ist das Theaterspielen in China bei Strafe verboten, wie cs ja auch vor den Zeiten der Sada Dakko in Japan nicht gestattet war. Das „Orchester" sitzt links auf der Bühne und besteht aus 5—6 Mann, die auf ihren einfachen Instrumenten einen gräßlichen monotonen Lärm Hervorrufen, bei dem besonders das Gong eine große Rolle spielt. Das ganze Stück wird mit dieser Musik begleitet, so daß die Schauspieler, um sich einigermaßen verständlich zu machen, w laut als möglich schreien müssen; bei den vom Morgen bis in die späte Nacht dauernden Stücken ist das gewöhnliche Resultat eine totale Heiserkeit aller Mitwirkenden. Die Kostüme sind äußerst farben prächtig, ini Stile der chinesischen Tracht vor einigen hundert Jahren. Mit Vor liebe Neben sich die Schauspieler lange wallende Bärte an, die sie mit großer Pose zu streicheln verstehen. Tie Theaterstücke behandeln im allgemeinen die chinesische Geschichte, handeln jedoch auch von Kindesliebe, von der Ver ehrung der Frau für ihren Gatten nnd Herrscher und von der Verehrung des Alters, Tugenden, die in China ja zu den vornehmsten gehören. - Bei besonders rührigen Stellen bricht dann meist ein tosender Beifall der begeisterten Zuschauer los. Ick sah z. B. vor einiger Zeit in einer größeren Provinztalstadt, einige Tagereisen von Schanghai, folgende rührselige Szene mit an: Ein Mann, der irgend eine» Verbrechen» wegen mit dem Tode durch die Scheere (rin Instru ment, mit dem der Kopf buchstäblich abgeschnittrn wird) verurteilt war, wurde dadurch gerettet, daß seine zwei Kinder zuerst ihre Köpfe in die Schere steckten. Der Gericht-Heu — ein hoher Mandarin — wurde von soviel Kinderliebe so gerührt, daß er den Mann begnadigte... Einen sehr angenehmen Aufenthalt für einen Europäer gibt jedoch ein chinesisches Theater nicht ab, dessen Einnahme übrigen« nicht au- festem Eintritt«g»ld, sondern au- freiwilligen Gaben besteht. Neben dem schon erwähnten ohrenbetäubenden Lärm stellen sich im Theater Düste ein, denen auch die besten europäischen Gernch-nerven nicht sehr lange Stand halten können. DI« lang« Dauer der Stücke veranlaßt nämlich die „Söhne de» Himmel«" allerlei Leckerbissen während der Vorstellung zu sich zu nehmen, nnd daß sie kn der Wahl ihre« Essen« nach unfern Begriffen nicht sehr heikel sind, ist ja hinlänglich bekannt. — Ich war allo froh, al- ich glücklich wieder unter der Bühne dnrckgrkrochen war und mein Riechorgan ohne Taschentuchschutz frei funktionieren kaffen konnte. * Neber die Entdeckung einer interessante« Zeichnung Leonardos berichtet Luca Beltram im „Corrierr della Sera". Beim durchblättern einer alten Skizzensammlung, die ihm in einem Wirt-Hau« in Baprio im Adda» Tale — einem mit Leonardo« Namen eng verknüpften Gebiete — zvm Kauf an- gebolen wnrde, stieß er auf den Entwurf einer Holzbrücke, der ihm in dem grandiosen Stil der Zeichnung unverkennbar die Züge von Leonardo- Hand zn tragen schien. Eine, nachträgliche Vergleichung mit den Zeichnungen des „Coder Atlantic««" der Mailänder Ambrostana bestätigt diese Vermutung. Die neuaufgefundrne Zeichnung gehört in eine Reihe ganz ähnlicher Entwürfe von rungSfeindliche Preße diese» voNSempfaua totschweigt. Einige lllach- zügler beschäftigen sich nock mit dem Gedanken des französisch-eng- tischen Bundnisies. So schreibt de Lanneffan im „Siöcle : „ES ist recht zweifelhaft, daß England geneigt nt, mit welcher Macht es auch sei, ein förmliche» Bündnis zu schließen. Es fühlt sich nicht genug bedroht, um dessen zu bedürfen, und hält zu viel auf den Frie den, um «inen Schritt zu tun, den andere als Drohung ausfassen könnten." Ein englischer Politiker schreibt dem „Echode Paris": „Ich möchte die Ränkeschmied« warnen, die in einer Pariser Zeitung ihrer ist der „Eclair" gemeint) für den König von Preußen arbeiten. Nach ihnen sucht das knegslustige England Frankreich gegen Deutsch, land zu Hetzen. In England beschuldigen ähnliche Ränkeschmiede Frankreich vor den englischen Friedensfreunden blutiger Absichten. Von Irrsinnigen abgesehen, wünscht aber niemand den Krieg, weder in Frankreich noch in England. Im Interesse des Friedens wurde das Einvernehmen geschlossen, im Friedensintereffe soll es verwirk- licht werden und sich auf Rußland erstrecken." Der Sonderbericht erstatter, den „Echo de Paris" nach London geschickt hat, gibt folgende Weisheit zum besten: In den englischen Politikerkreisen glaubt inan nicht, daß die Weltlage vor fünf Jahren kritisch werden kann. Erst dann wird Deutschland alle seine verfügbaren Finanzmittel er schöpft haben (ausgerechnet in fünf Jahren!) und gezwungen sein, seine Rüstungen einzustellen oder zu fiskalischen Ausnahmemaßregeln erdrückender Art zu greifen, um sie fortsehen zu können. Dann würde die englische flotte auch ohne militärische Mitwirkung Deutschland tödliche Schläge versetzen können. Die Furcht vor der Zerstörung seiner blühenden Handelsflotte kann Deutschland von Angriffsabsichten abhalten. Das vergißt man, wenn man behauptet, bas Einvernehmen sei nur wertvoll, wenn England auf dem Festlande militärisch mitwirken würde." Portugal. * In der Kammcrsitzoug haben sich einzeln« Abgeordnete wenig an genehme Dinge zum Vorirmrf gemacht. Lissabon, 30. Mai. (Telegramm.) In der gestrigen Kammer- sitzung beschuldigt« Braga (Republikaner) die Parteien der Regene ratoren und der Progressisten, den König Carlos getötet zu haben und in Gemeinschaft mit der gegenwärtigen Regierung zwischen dem Könige und der Nation Schwierigkeiten schaffen zu wollen. Der Führer der Regeneratoren erwiderte, eine solche Rede würde in keinem anderen Parlament der Welt geduldet werden und all die schmach vollen Beleidigungen fielen auf die Republikaner zurück. Nachdem die Monarchisten ebenfalls gegen die Beschuldigung Bragas protestiert batten, unterbrach der Präsident di« Sitzung. Nach Wiederaufnahme der Diskussion ereignete sich kein weiterer Zwischenfall. RuMand. * Die Reise des Ministers des Aeußern Iswolski. Die Nachricht, -aß Iswolskis Reise nach Berlin beschlossen« Sache sei, wurde bereits von uns vor längerer Zeit an Hand guter Informationen verbreitet. Trotz einem Dementi der leitenden russischen Stellen haben wir unsere Mitteilung ausrechterhalten, deren Richtigkeit sich nunmehr bestätigt. aa. Petersburg, 30. Mai. (Telegramm.) Der Minister des Aeußern, Iswolski, wird seine Reise nach Deutschland um die Mitte oder gegen das Ende des Juni antreten. In Berlin wird er zn einer Konferenz über die Stellung zur Balkanfrage mit Bülow zusammcnircssen, und dann vielleicht noch nach Wien fahren. Türkei. * Tcr Ausstand auf Samos. Ueber die Ereignisse auf Samos fehlen bis jetzt genaue Berichte. Nach -en vorliegenden, teilweise über einstimmenden Nachrichten hat jedoch kein Ma,saker stattgesunden. Ter österreichisch-ungarische Konsul meldet, daß er in seinem Wohnhouse blockiert sei, ebenso auch die Kinder in der Schule. Aehnliche Meldun gen liegen von anderen Konsuln vor, die alle um Schutz bitten. Als kaiserlicher Kommissar ist der Wali Reuf Pascha von Saloniki mit zwei Torpedobooten und ferner der Konteradmiral Hallil Pascha auf der Jacht „Izzcdin" nach Samos abgegangen. Ferner ist von Konstanti nopel der Kreuzer „Abdul Hamid" mit einem Torpedojäger und fünf Bataillonen nach Samos beordert. Seit vorgestern finden Beratungen der Botschafter Linowiew, Constans und Barrlay statt. Nach den Aus künften der Pforte an verschiedene Diplomaten ist der Fürst von Samos mit den Truppen der Garnison noch im Regierungsgebäude von den Aufständischen eingeschlossen. Marokko. * Der Sultan Abdnl Aziz steht nun bald ganz verlassen. Vielleicht wird er dann französischer Staatspensionär. Tanger, 30. Mai. (Telegramm.) Mnley Hafid fand!« starke, aus tapferen Berberstämmen ausgehobene Truppemnassen zur Verteidigung nach Marrakesch Der Versuch des Sultans Ab- Brücken-Konstrnktionen, die der „Codex AtlantlcuS" aufweist. Am Jnnenrand des Blattes, das eine leichte Holzbrücke zeigt, die an beiden Ufern mit Seilen befestigt ist, findet sick> eine sorgfältige Zeichnung der einzelnen Teile der Brücke, der Pfähle, der abgepaßten Balken, deren Köpfe mit Fugen gearbeitet sind, ter Seile usw. Beitrami beabsichtigt die Zeichnung in dem nächsten Helt ter „Rcccolta Vinciana" zu veröffentlichen, die auf dem im August in Berlin tagenden Historiker-Kongreß vorgetegt werten soll. * Tie Brucesche Expedition zum Südpol. Man erinnert sich, daß der Direktor Les schottischen ozeanographischen Laboratoriums in Edinburg Tr. William Bruce (der übrigens nicht mit dem Kapitän Bruce, dcm Leiter ter ersten schottischen Südpolexpedition, zn verwechsel« ist!) im vorigen Sommer eine Polarexpedition nach Prinz - Karl - Land unternommen hat, die zwar an Strapazen, aber auch an wissenschaftlichen Ergebnisse» reich war. Jetzt bereitet Tr. Brnce eine größere Polarexpedltion nach der Antarktis vor; wir hätten e» also mit der zweiten schottischen Südpolexpedition zn tun, nach dem sein Namensvetter in den Jahren 1908 und IVOS mit glücklichem Gelingen die erste schottische Südpolexpedition auSgesührt hatte. ES sollen tenn auch auf der neuen Ausreise nach Süden, deren Dauer ans mehr als zwei Jahre in Anschlag gebracht ist nnd deren Kosten vielleicht 40 000 Pfund (--- 800000 ausmachen dürsten, die seinerzeit von der „Scotia" gemachten Forschungen fortgesetzt werden. Unter anderem sollen Tiefseeforschungen im südlichen Polarmeer sowie im Weddelmeer vorgenommrn und die Küstenlinien ausgenommen werden. Natürlich ist auch in den Plan dieser Südpolexpedition als letzte Programmnummer die Durchquerung der Südpolkoppe ausgenommen worden; ob sie aber diesmal glücken wird, steht dahin. * Musikchrontk. UnlversitätSmusikdirektor Prof. Max Reger wirkte im ersten Konzerte de» Kammermusikfestes in Darmstavt nut nnd errang als exzellenter Kamm-imusikspieler wieder groben Erfolg. Unter Beifügung eine- huldvollen Handschreibens verlieh der Großberzoa von Hessen dem Künstler den Orden für Kunst und Wissenschaft. — An den Maifestspielen, die in Rotterdam uud im Haag stattgrfundrn haben, war auch Herr Jac. UrluS vom Leipziger Stadtthrater beteiligt. Er sang den Siegmund, den Sieg fried sowie den Tristan und fand für all« Leistungen den arößten Beifall de« Publikum», in den die dortige Presse einstimmte. Blätter wie „Nieuwe Rotter- dammcr", „Rottrrdamsch NieuwSblad", „Wereldkroniek", „Haager Nieuwe Kourant" rühmen einhellig seine glänzende Stimme, seine vortreffliche Gesangs- brbandluog und sein lebensvolles Spiel, nicht zuletzt di« anSdaurrnde Frische mit der er die schweren Aufgaben durchgeführt hatte. * Kleine Chronik. Der Beirat für die Theaterzeusur, den die Münchener Polizridirrktiou in» Leben gerufen hat, hat e», wie man dem „B. T." au» München meldet, bereits durch seine erst« Tay die Freigabe von Wede kind» „Frühlingserwachen", mit dem bayrischen Zentrum gründlich verdorben. Die „Augsburger Post-Zeitung" glaubt, daß mau tu Len regierenden Kreisen nickt nur taub, sondern auch blind sein müsse, wenn man immer noch nicht einsehr, welch furchtbarer Schaden angerichtrt werde, wenn durch solche Schmutz stücke die Sittlichkeit de» Volkes von der Bühne herab vergiftet nnd zerstört werden dürfe. E» verlautet, der nächst« Schritt werd« eine Interpellation im Landtage sein. — Die Uraufführung eines Drama» von Henri Brcque findet demnächst im Od«on-Th «ater statt. Tas Werk beißt „l^o Domino s qurrtrv", erschien einst in der „Vie Parisienne" und würbe bisber nie zur Ausführung gebracht. Die Uraufführung dieses Einakters wird die Festvorstellung einleiten, die das Komitee sür do» Henri Becque-Denkmal am Tage der Denkmals enthüllung, 5. Juni, im Odeon veranstaltet, und die außerdem BecqueS be rühmteste» Werk „Da Darimsnne" mit der Rejane und Antoine und Len Ein akter „Dao 6ords»un" bringt.— Internationale Polarforschung. Unter dem Vorsitz de» belgischen Staatsminister» Beernacrt ist, wie au» Brüssel gemeldet wird, die Internationale Polarkommission znsammen- getreteü. Deutschland ist durch di« Professoren Drigalsky, Penck, Sn pH an und Wieck ert vertreten. Minister Beernacrt erstattete Bericht über die vorbereitende Tätigkeit der Kommiision und über die günstigen Erfolge auf dem Gebiete Ler internationalen Polarforsclmng. Zum Präsitenten der Kommission wurde der Holländer van der Stock gewählt. — Edmond Rostand. der Dichter de- „Lyrano", ist nach mehrjährigen Fernbleib n in Pari) rln- getrosfen, um die Rollen seines Tierfabelstücke» „Okants-elair" zu besetzen. (Kritik stehe 3. Seite.)