Volltext Seite (XML)
Be-ugS-Prei» Mr L«t»»»a P»,,n« durch iniie« Iraa»> und koidtteur» 2ai«l Itulich in» Pau» ,»dr«chi » Pi m»aatt- L.7V Mt. »i«n»liahrc P»r »n>»r» KN»,l«» » Tn, vatzm«ft«Üe» »daeb«ci » Pi. «»«aü. L»«t »»«»«Nahu. Dnrch »«» G,»i tnnrrhald D„iich»ani>» ,n» dec d«»tlch,n Noianie» »>«rl»tioi>ri »U» Pit- «onatl. 1LU Pli au»>ch> P»ttd»il»llu»ld ferner in Brlg'rn, vaaemaet de» ^»»»uftaa««». Iroliea Luzemduia Nieverlouv« P»r» we»en «s>eii»ich Unuarn P«!cland, Echwede» c<da>»u » chv«ni»n 3» allen üdliti»» kcooie» au> »i«»N durch dt» G»>chatt»ll,U» d«a Pion»» «rdülilrch. La» Uicp«,«, Laa»dlan »richar« »>at tügUch tzann» » »z«i«ttag» nnr »»r»,n». Pdonn»m»nl».«»nadm» 2»d«»»i»«»Iii ch d«> «»>««»» i rau»r» rjttralin. «pedileuk«, nnd <llanahin«v»0«n, >«»»» P»»tmr«rn »r»d Vn»tl,oa»n>. Ui vi. Morgen-Austtabe. UciWger Tllgcblaü » . s l"82 iPachranIchln») Cel.-Anschl 1» «9» (14694 Handelszeitung. Tel.-Anschl. 14 SSL «NnchtanIchlnU 14 893 14 894 Amtsblatt des Aates «nd des Notizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen Prei- flbl Vnirrat» »»» L««o»«a »nd Umgeb»», dt« Ilpaltt«, PettUetl» 2 Pi, or, Reklame» »Ple l ML »«»a»»»an»j0Ps. Reklamen UV Pkk. Snlerat» »an Pedoiden >m aml- Uch«, T«U »t, PeM.ecl, bü Pi ch«ichäst»ani«>,en mU Pla»o»r>chrifte» t» Prell« erdddr VladaN »och Tarif. PeUagegebühr Delaml- «rsiag« i Ml. o Tauiind «rkl Poirgedahr. Tetldellag» dckber. Aefterteilt, «oftrüa, können nick« «urück- aerogen werden. »>r da» Lrichetnen an bemmmlen Tagen und Planen wird keine Doranti« Übernommen. Ln»»ig«n - lllanadm, 2«ban»,»gali« a. bet lamlNch«» iTtllaien ». allen Ännancen» Erv«dttt»n«n d«» 2»- and «»»lande». Haut nn» P«rt», »«» Mich», » Rvrfte» 2ndad«r Pani «kürilen. R«»aM,» and MelchSitaitell«: 2odannl»gai1« ll Hann« - Atltal, r»»»d«»: Seestrad» < 1 (Telephon EU. tSS. Istzrgklnq Nr. 3SS Sonnsdenü, üen 23. Dezember 1911 2V Leiten Unsere gestrige Abendausgabe umfaßt 8 Seiten, die vorliegende Morgennummer 18 Seiten, zusammen Dss Wichtiglte. * Di« Ernennung Dr. Solfs zum Staats- fekretär des Reichskolonialamtes wird offiziell bekanntgegeben. (S. Drsch. R. Seite 9 ) « Das neue sächsische Pfarrbesoldungs gesetz sieht eine Pfarrbesoldungskasse der evangetisch-lulherischen Landcsiirche vor. (S. bes. Art. Seite 9.) * Der reichsländische Landtag nahm am Freitag die Präsidentenwahlen vor und ver tagt« sich dann auf unbestimmte Zeit. (S. Drsch. R.) * Nach einer Pariser Blättermeldung hat Spa nien die französischen Vorschläge in den Marokko-Verhandlungen ab gelehnt. (S. Ausl. Seit« 10.) * Im Prozeß gegen die „Libert S"-O ffiziere wurden sämtliche Angeklagte freigesprochen. (S. Ausl. Seite 10.) * Die Vertreter Pers iens haben den rus - fischen Forderungen mündlich zugestimmt. (S. bes. Art. Seite 2.) - Einem Telegramm aus Guayaquil zufolge ist der Präsident von Ecuador, Estrada, ge storben. * Der Krastdroschkenführer Froh ner, welcher angeklagt war fahrlässigerweise den Tod des Leut nants Pfeil herbeigeführt zu haben, ist von der zweiten Strafkammer des Landgerichts kostenlos freigesprochen worden. (Siehe Gerichtssaal Seit« 8.) Der neue LtsstslekretSr des Keichskolvnislsmts. Von unserem kolonialen Mitarbeiter wird uns geschrieben: Tie Ernennung des bisherigen Gouverneurs von Samoa, Dr. Solf, zum Staatssekretär des Neichskolonialamts wird in kolonialen Kreisen im allgemeinen beifällig ausgenommen; man ist sehr erleichtert, daß nicht, wie befürchtet, Herrn o. Nechenberg, dem Gouverneur von Ostafrika, die Leitung der kolonialen Geschicke übertragen wor den ist. Und mit Recht. Zwar muß man an erkennen, daß Herr v. Rechenberg ein tüchtiger Berwaltungsbcamtcr und ein charaktervoller Mann ist, aber er ist in Anschauungen befangen, die sür unsere Kolonialpolitik geradezu gefähr lich sind, und er hat keincriei Sinn für nationale Kolonialpolitik. Wie er, der internationale Feu dale, der das Deutsche mit dem rollenden R des Slawen spricht, seinerzeit als Generalkonsul in Moskau seine deutschen Landsleute auffällig mied, so war auch in Ostafrika seine Borliebe für die Gentlemen aus östlichen Gefilden, die Herren Inder, nur zu bekannt. Für den deutschen Sied ler hatte er gar nichts übrig, und er hat nicht etwa nur kleinen Leuten und afrikanischen Neu lingen, bei denen es noch einigermaßen ver ständlich gewesen wäre, von der Ansiedlung in Ostafrika abgeraten, sondern auch erfahrenen Afrikanern aus anderen Kolonien und vermögen den Landwirten. Mit solck)en Grundsätzen des obersten Beamten ist den Kolonien des deutschen Volkes, dessen kolonisatorische Fähigkeiten weltbe rühmt sind, nicht gedient. Nun ist's also Herr Dr. Solf geworden — das kleinere Uebel, werden manche von unseren Lesern denken, wenn sie sich an tue scharfe Kritik erinnern, die wir früher an Herrn Dr. Solf geübt haben. Gewiß, wir hatten viel an ihm auszusetzen, und zwar lagen die Vorwürfe, die wir ihm machen mußten, im wesentlichen auf demselben Gebiet, wie bei Herrn v. Nechenberg. Auch Herr Dr. Solf hatte für die Besiedelung Samoas durch Deutsche nicht viel übrig. Es ist aber doch ein wesentlicher Unter schied zwischen den Motiven bei der Gouverneure. Herr v. Rechenberg wollte nichts von deutscher Einwanderung wissen, weil er offenbar der Ansicht war, daß ein landfrem des farbiges Element, die Inder, sich zum maß gebenden Faktor im Wirtschaftsleben der Kolonie besser eigne, als der Europäer. Und starr köpfig, wie er nun einmal ist, vermochte er seinen Willen gegenüber der öffentlichen Meinung in der Heimat und in der Kolonie durchzusetzen, wobei ihm allerdings zustatten kam, daß Staatssekre tär Dernburg denselben schiefen Anschauun gen huldigte wie er, und daß Herr v. Linde- quist trotz gegenteiliger Meinung ihn gewäh ren ließ. In Samoa aber, im Reiche des Herrn Solf, lagen die Dinge umgekehrt. Dort war bereits ein starkes Mifchlingselement englischen Geprä ges vorhanden, al- wir di« Kolonie übernahmen. Während es nun unseres Erachtens das Nahe liegendste gewesen wäre, diesem Mischlingscle- ment durch Ansiedlung von Deutschen ein Gegen gewicht zu schaffen, hielt Solf die Verhältnisse offenbar für unheilbar. Nun muß ihm ja aller dings zugegeben werden, daß die Besiedlung ein nicht ganz sicheres Experiment gewesen wäre. Es konnte passieren, daß auch die deutschen Siedler dem Mischlingswesen anhcimsielen. Da die Ver hältnisse auf Samoa noch wenig gefestigt waren, so wären zunächst nur unverheiratete Ansiedler in Betracht gekommen, und cs lag die Gefahr nahe, daß sie cs machten wie viele andere Weiße, nämlich der Einfachheit halber eine hübsche ver mögende Samoanerin oder ein Halbblut heim führten. Ein Familienvater mit Vermögen kommt bei uns natürlich nicht so leicht auf den Gedanken, nach Samoa, unserer fernsten Ko lonie, auszuwandern. Wir meinen zwar, daß die Kolonialverwaltung, nachdem das Reich nun einmal Samoa erworben hatte, sich die Schaf fung eines gesunden und starken Deutschtums hätte etwas tosten lassen müssen. Aber bei den früheren politischen Verhältnissen sagte sich Solf wohl — und nicht mit Unrecht, daß der beste Wille ihm doch nichts genützt hätte. Erst unter Tern- burg war eine Acnderung der Tinge möglich, aber ihm war die bisherige samoanische Politik ja gerade recht. Und so galten unsere Angriffe im Grunde damals mehr der obersten Leitung als dem Gouverneur. Herrn Solf schlug man und Herrn Dernburg meinte man. Festzustchen scheint uns jedenfalls — und das ist jetzt der springende Punkt — daß Solf einer nationalen .Kolonialpolitik, die in der Be siedlung der Kolonien durch deutsche Landleute die gesündeste Form der Kolonisation sieht, nicht grundsätzlich ablehnend gegenübersteht. Er ist ein Mann von viel praktischem Verstand, der mit sich reden läßt und sicherlich den ihm unterstell ten Gouverneuren nichts in den Weg legt, wenn sie neue Wege einschlagen wollen. Er steht zur zeit bezüglich SamoaS, wenn wir nicht irren, auf dem Standpunkt: „ich habe es so gemacht, wenn mein Nachfolger es auf andere Weise ver sucht, so habe ick) nichts dagegen." — . Vor einigen Tagen hqtte ich Ge legenheit, mich mildem ncuenStaats- sekretär zu unterhalten. Herr Dr. Solf meinte, im Hinblick auf eine meiner Publikatio nen, er hoffe, daß ich misch auch noch zu seiner Anschauung bekehren werde, denn nicht nur auf Samoa, sondern nach seiner Kenntnis auch in Ostafrika seien die bisherigen Erfahrungen nicht ermutigend. Da befindet fick Herr Dr. Solf nun allerdings im Irrtum. Abgesehen davon, daß ich über die Lage der Ansiedler in Ostafrika an ders berichtet bin, — der kleinen wie der größe ren — wollen einzelne Mißerfolge meiner Ueber- zeugung nach gar nichts besagen. Es mögen noch Jahrzehnte vergehen, bis der Deutsche in Ostafrika richtig heimisch ist. Es mag sein, daß viele untcrgehen werden, wie in Chile, Brasilien oder anderswo — Kulturdünger. Aber ebenso sicher wird — wie in diesen Ländern, wo die Verhältnisse für die Anfänger noch ungleich schwieriger lagen — der Erfolg unserer Koloni- j'ationsarbeit nicht ausbleiben. Ich schätze die Fähigkeiten und den guten Willen des Herrn Dr. Solf ziemlich hoch ein. Er ist ohne Zweifel ein geistvoller Vcann, der über den Dingen zu stehen vermag, der sich nicht von irgend jemand lins Schlepptau nehmen läßt, wie es bei Dern burg unverkennbar der Fall war, der auch nicht in allem seinen Kopf durchsetzen will, wie Herr v. Rechenberg. Und darum glaube ich im Gegen teil, daß sich Staatssekretär Solf noch mit der Zeit, ich will nicht sagen zu meiner Ansicht — das wäre vermessen — wohl aber zur Ansicht recht vieler Kolonialpolitiker — bekehren wird, daß in der Kolonialpolitik die Stimme unseres Volkes, des erfolgreichsten Kolonialvolkes der Erde (wenn auch in fremdem Dienst), Gottes Stimme ist. Herr Dr. Solf soll einmal im Volk herumhorchen, was dieses unter Kolonisation ver steht! Er soll beileibe nicht eine große Emigra tion nach den Kolonien in die Wege leiten. Jedem verständigen Kolonialfreund genügt cs veilmehr, wenn er sieht, daß der Staatssekretär sich über jeden Siedler freut, der drüben heimisch wird, und dafür sorgt, daß ihm von den Behörden dasjenige Maß von praktischem Wohlwollen ent- aegengebracht wird, das auch solide kapitalisti sche Unternehmungen berechtigterweise von jeher genossen haben. Und wenn er ein übriges tun will, so soll er weiter dafür sorgen, daß brauch bare? Siedlungsland für den Nachschub verfüg bar bleibt. Das würden wir von seilen der Zentralverwaltung nationale Kolonialpolitik nennen. Itsllen sm Scheiüewege. (Tine Unterredung.) „Zwischen Italien und Oesterreich bestehen aus drückliche Einverständnisse, die auf beiden Seiten bei den wichtigsten internationalen Fragen loyal zur Geltung gebracht werden und die feste Grundlage einer Freundschaft bilden, die — wir sind dessen sicher — immer intimer und Herz» licher werden wird." Also lautet der Schlußsatz einer regierungsoffiziösen Note, welche Italien dieser Tage in der „Tribuna" veröffentlicht hat. Es muß ver zweifelt schlecht um di« Kunst der italienischen Diplo- i matie stehen, daß sie mit der Beteuerung der „immer , intimer und herzlicher werdenden Freundschaft" in einem Augenblick vor die Rampe tritt, wo das Par terre Aug und Ohr gespannt auf das Schauspiel der „immer intensiver und ofsensichtlicher werdenden Kriegsbereitschaft" zwischen den beiden alliierten Feinden richten muß. Was war der Zweck der regier rungsosfiziösen Stilübung, mit der man die Szene für das Publikum zu verdunkeln glaubte? Im Lande selbst mißt man den Worten nicht den ge ringsten Wert bei. In allen italienischen Zeitungs redaktionen ist es ein offenes Geheimnis, daß der Kurs schärfer als je zuvor gegen Oesterreich geht. Sie haben wiederholte Weisungen von ihrer Regie rung erhalten, sich einer recht vorsichtigen Sprache gegenüber den Dreibundgenossen zu bedienen, und die italienische Presse zeigt sich, von vereinzelten Aus- nahmcfällen abgesehen, sehr folgsam im Interesse des gesamten Landes. Es bleibt also nur übrig anzu nehmen, daß jene mit den Tatsachen so seltsam kontrastierende Note an di« Adresse des Aus landes, speziell nach Wien und Berlin, ge richtet war. Italien kann heute seine Karten noch nicht auf decken. Es weiß noch nicht, wohin die Fahrt geht, und vermag sich deshalb noch nicht zu demaskieren. Erst wenn die Regierung der Stimme ihres Volkes nachgegeben und den Anschluß an die Westmächte vollzogen haben wird, werden wir das wahre Gesicht zu sehen bekommen. Möglich, daß Italien doch noch eine neue Vernunftsehe mit Deutschland- Oesterreich eingeht. Wahrscheinlich ist es nicht. Man wird der Stimme des Herzens folgen. Denn die Lockungen von dieser Seite sind allzu groß. Im Augenblick steht die vielumworbene Italia am Scheidewege. Der Entschluß wird ihr an scheinend nicht leicht, wie aus einer Unterredung her vorgeht, die ein mit den Stimmungen und Absichten der regierenden Kreise aufs beste vertrauter italienischer Poli tiker mit einem unserer Mitarbeiter kurz nach Er scheinen der oben bezeichneten Note gehabt hat. „Italien, so führte unser Gewährs mann aus, steht vor einer der folgenschwersten Entscheidungen. Eine Frage, wie die der Lebens fähigkeit der Tripel-Allianz, kann nicht von heute auf morgen verhandelt werden. Die Sache ist furcht bar ernst. Es handelt sich um Krieg und Frieden von ganz Europa, um das Leben von ganzen Nationen. Der grausige Ernst der Situation zwingt daher einen jeden unter uns mit seinen Gedanken und Worten über den Wert oder Unwert des Dreibundes recht vorsichtig zu sein. Keiner von uns kann heute sagen: Ich bin gegen den Dreibund! Denn di« Ereignisse können ihn schon morgen zwingen, sich praktisch alsDreibundsreund zu betätigen. Wir alle, ob wir für oder gegen den Dreibund sind, übernehmen eine Riesenverantwortung vor dem Volk, indem wir einen Schritt tun, dessen Tragweite in dem Augenblick, wo wir dies tun, unberechenbar ist. Stände heute die Verhandlung über die Fort setzung des Dreibunds in der Deputiertenkammer zur Verhandlung, so würde man jedenfalls mit Stimmeneinheit die Vertagung der heikel sten Frage beschließen, über die ;e eine Volksver tretung gehört worden ist. Zunächst muß sich der internationale Horizont aufklären. Wir müssen freien Ausblick haben, um unseren Deputierten und Mini stern sagen zu können: nun tretet die Reise ins unbe kannte Land an! Wollte man im Augenblick über Sein oder Nichtsein des Dreibunds beschließen, so wäre ein derartiger Beschluß, falls er das Ende des Dreibunds bedeutete, identisch mit dem Kriege zwischen uns und Oesterreich und damit auch zwischen Deutschland und den West mächten. Aber nach Jahresfrist kann sich die internationale Situation so verschoben haben, daß jede Kriegsgefahr beseitigt erscheint, auch wenn Italien aus dem Dreibund austritt. Heute aber leben wir von einem Augenblick zum andern. Jede Stunde kann uns den Krieg bringen. Darum müssen nur aus dieser Situation, die so un gemütlich wie nur denkbar ist, heraus! Die Presse sollte in allen Ländern dazu beitragen, über diese entsetzliche Krisis im Leben der Völker und Staaten Hinwegzukommen, ohne daß es zu dem großen Eklat kommt, wie ihn die Welt zuvor noch nie gesehen hat. Uns Italienern macht man das Verbleiben im Dreibund ungemein schwer. Zu der alten Allianz ist das Vertrauen in unserem Volke völlig verschwunden. Keiner der Deputierten könnte es darum in dem gegenwärtigen Augenblick auch nur wagen, seine Stimme zugunsten der Erhaltung der Allianz abzugeben. Und zwar vorbehaltlos abzugeben. Im andern Fall« riskierte er unweigerlich sein Mandat. Er wird also seine Bedingungen für das Verbleiben im Dreibund stellen müßen. Und diese Bedingungen werden um so schwerer sein, je mehr sich das italienische Volk in seinen Erwartungen von den Vorteilen der Allianz getäuscht sah. Werden nun unsere deutschen und österreichischen Partner auf diese Bedingungen eingehen wollen? Nach der Sprache ihrer Presse zu urteilen, möchte ich es nicht zu hoffen wagen. Was nun, wenn man sich über die Bedingungen nicht einigen kann? Fürst Bülow sagte: Italien und Oesterreich können nur Alliierte der Gegner sein. Vielleicht setzen die Tatsachen den Fürsten Bülow ins Unrecht. Ich könnte mir sehr wohl den Fall denken, daß von Rußland aus auf Oesterreich und von Westen auf Deutschland ein so starker Druck ausgeübt würde, daß Italien auch dann nicht von Oesterreich angegriffen wird, wenn es sich von dem Bund losgesagt hat. Italien also hat in Rußland auf der einen Seite und in den Westmächten auf der anderen seine natürlichen Beschützer von dem Augenblick ab, wo die Tripel-Allianz zu den gewesenen Dingen gehört. Ich glaube nichl, daß jemand be haupten wird, daß Italien übel dran ist. Es hat die Wahl, es kann seine Bedingungen stellen. Von Oesterreich und Deutschland also hängt es ab, ob diese Bedingungen angenommen und damit die Richt linien für ein neues, wesentlich revidiertes Bündnis festgclcgt werden. Italien befindet sich in der gleichen angenehmen Lage wie Ruß land: beide Länder werden gleicliermaßen gesucht von Freunden und Gegnern. Rußland hat in einem Jahre seine Rüstungen beendet und bildet für Oesterreich schon aus diesem Grunde eine Gefahr für den Bestand der Monarchie. Run wird man sagen: die Gegensätze zwischen den poli tischen und wirtschaftlichen Interessen Rußlands und Englands da unten an den Dardanellen und in Persien berühren sich und machen eine Ver ständigung zwischen den beiden Mächten und damit auch für den ganzen übrigen großen Mächtekonzern, der durch Italiens Beitritt nur noch vergrößert würde, unmöglich. Man redet da so viel unnützes Zeug von der Ausrottung der Balkanfrage im allge meinen und der Dardanellensrage im besonderen. Und weiß nicht, welch Armutszeugnis man den Diplomaten ausstellt, die jenem Konzern angeboren. Meines Erachtens wird sich schon eine Formel finden lassen, bei der Rußland und ebenso auch England auf ihre Rechnung kommen werden, wenn sie sich über die alten Streitgebiete einigen wollen. Denn wo ein Witte, da ist auch ein Weg. Das größte Hindernis für die Lösung der Balkan frage bildet neben Deutschland, das dort aber nur wirtschaftlich engagiert ist, Oesterreich, dem zuliebe an dem Statusquo nicht gerüttelt werden sott. Wer hat außer der Türkei, der mcistbetciligten Macht, und Oesterreich ein intensiveres Interesse an diesem unseligen Statusquo, der nun schon seit Jahrzehnten den Völkern Europas wie ein böser Alp auf der Brust liegt? Ist es da nicht an der Zeit, sich dieses Alps endgültig zu entledigen? Glauben Sie doch ja nicht, daß England Rußlands Flotte so sehr fürchtet, wenn Rußland in Persien stärkere Beschäftigung bekommt! Die Westmüchte haben sich über Marokko. Algerien, Tunis, Tripolis und Aegypten verständigen können. Warum sollten sie jetzt nicht auch an den Balkan Herangehen? Seine Stunde wird in kurzem schlagen. Wir in Italien haben natürlich ein eminentes Inter esse, der Erledigung der Balkarckrage als aktive Teilnehmer beizuwohnen. Ob Als Mitglied des Dreibunds oder im Konzern der Weltmächte, das ist die große Frage, die heute niemand in Italien klipp und klar beantworten kann." Zur Reform üer Whi-Hsn Ersten StSnüeksmmer. Ter Verband Sächsischer Industries- ler schreibt uns: Wie schon in den vorangegangenen Landtogs perioden bat auch in diesem Jahre wieder der Ver band Sächsischer Industrieller eine Eingabe an die Zweite Ständekammer gerichtet betr. die Aende- rung der Zusammensetzung der Ersten S t ä n d e k a m m e r im Sinne einer zeitgemäßen Berücksichtigung von Handel und Industrie, die bis her als solche eine verfassungsrechtliche Vertretung bekanntlich nicht haben. In dieser Eingabe wird an die Zweite Kammer das Ersuchen gerichtet: ») die Kgl. Sächsische Staatsregierung zu er suchen, möglichst noch in dieser Tagung einen Gesetzentwurf vorzulegen, wonach unter Ab änderung der jetzigen verfassungsrechtliclxn Bestimmungen neben der Landwirtschaft auch Sachsens Industrie und Handel ein versas- . fungsmäßigcs Recht aus eine aus den Wahlen von Angehörigen der betreffenden Berufe her vorgehende Vertretung in der Ersten Stände kammer und zwar mindestens in derselben Stärke, in welcher gegenwärtig die Landwirt- schäft in dieser vertreten ist, erhalten; b) die Erste Ständekammer zum Beitritt zu diesem Beschluß aufzusordern. Zur Begründung dieses Ersuchens wird in der Eingabe in der Hauptsache folgendes ausgefuhrt: Nach den herrschenden staats- und verfassungsrecht lichen Anschauungen soll die Erste Ständekammer neben der Vertretung, die den sür das Staats wesen wichtigen Körperschaften, wie den meisten Korporationen gewährt ist, andererseits den für das Erwerbsleben besonders wichtigen B e r u f s st ä n d e n ein Mitbestimmungsrccht au der Gesetzgebung des Landes gewähren, damit diese nicht allein von den wechselnden Volkssrimmungeu und -strömungen abhängig sei. Es sollten gegenüber den Erwählten der Bolksgesamtheit in der Zweiten Kammer vor allein Persönlichkeiten aus denjenigen Erwerbsgruppen zu Worte kommen, deren Tä tigkeit von höchster Bedeutung für die Entwicklung der sächsischen Volkswirt schaft ist und auf deren Steuerleistuug sie sich im wesentlichsten ausbaut. Es kann inoessen nicht die Rede davon sein, daß die Erste Ständekammer an und für fick eine Vertretung der Berufsstände sein soll. Man hat zur Zeit der Entstehung der einzel staatlichen Parlamente mit Recht die Landwirtschaft als den qualifizierten Stand angesehen, der im Gegensatz zu der Beweglichkeit der in der Zweiten Kammer vertretenen DolkSmeinung die notwend-ae Stabilität der Entwicklung verkörpern könne. So bildete sich lste Anschauung, daß in erster Linie der Großgrundbesib zur Grundlage der in der Verfassung gewährten Rechte gewählt werden mässe, und dadurch haben die meisten Ersten Kammern der Einzelstaaten und so auch die sächsische Erste Kammer den Cha rakter der verfassungsmäßigen Vertretung deS Grundbesitzes erhalten, während Industrie und Han del unvertreten blieben. Inzwischen haben nun diese Ver hältnisse eine vollständige Umwand lung erfahren. Sachsen ist nicht mehr der Agrarstaat vom Anfang des vorigen Jahrhunderts, sondern das Industrieland par exceiloncs. Nach der Beruf-- und Betriebszählung von 1907 entfielen