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foMkcde Umzchau. Gin lozlalpoUMrtzer Geüenktag. Ter dreißigsten Wiederkehr deS Tages, an wel chem vom Fürsten Bismarck im Reichstage die Bot schaft Kaiser Wilhelms l. verlesen wurde, worin der Kaiser der Volksvertretung die Ausgaben zur Heilung sozialer Schäden ans Herz legte, wird am heutigen Freitage in vielen Kreisen geoacht werden. „Wir würden," so heißt es in der Botschaft, „mit um so größerer Befriedigung auf alle Erfolge, mit denen Gott Unsere Regierung sichtlich gesegnet Hai, rurückblicken, wenn es Uns gelänge, dereinst das Bewußtsein mitzunehmcn, dem Vaterlande neue und dauernde Bürgschaften seines innern Friedens und den Hilfsbedürftigen größere Sicl>erl>eit und Ergie bigkeit des Beistandes, auf den sie Anspruch haben, ;u hinterlassen." Es wurde dann die neuerliche Vorlegung des Unfallversicherungsgeseues sowie die Einbringung des Alters- und Jnvaliditätsgesctzes angekündigt. Tie damals begonnene soziale Gesetz gebung ist im Laufe der Zeit ausgebaut urrd der Kreis der Personen, denen die Fürsorge zuteil wird, erheblich erweitert worden. Gehörten doch im Jahre 1900 der Krankenversicherüng rund 13 Mil lionen, der Invalidenversicherung 15 Millionen und der Unfallversicherung 24 Millionen Personen an! Eine neue Grundlage hat die soziale Gesetzgebung durch die am Beginn des nächsten Jahres in Kraft tretende Reichsversicherungsordnung erhalten, welche auch die Hinterblicbenenversicherung mit cinsctstießt, und eine weitere Ausdehnung bildet die augenblick lich im Reichstage zur Verabschiedung vorliegende Angestelltenversicherung. Und immer neue Aufgaben werden auf diesem Gebiete entstehen, um das Werk zu vollenden, zu welchem vor drei Jahrzehnten der erste deutsche Kaiser die Anregung gab. Deutsches Keich. Leipzig, 17. November. * Zur Reichstagswahl in Leipzig-Stadt. Dienstag, den 21. November wird im Erogen Saal des Zentral- Theaters eine öffentliche Wählerversamm- lung stattfinden, in der Herr Reichstagsabgeord- neter Zustizrat Dr. Zunck über die polittsche Lage vor den Reichstagswahlen sprechen wird. * Aus dem 13. sächsischen Reichstagswahlkreis Leipzig . Land. Am 14. dieses Monats sprach der Kandidat der rechtsstehenden Parteien Dr. Henrici in einer gut besuchten Ver sammlung in Liebertwolkwiß. Unter Fernhaltung von jeglichen kleinlichen Parteiintsressen nahm er in sach kundiger Weise Stellung zu allen schwebenden Tages sragen. Das Einverständnis der Besucher mit den Ausführungen dokumentierte sich am schlagendsten dadurch, daß über 20 von ihnen sich sofort bereit er klärten, die Wahl von Dr. Henrici tatkräftig zu unter stützen. * Hansabund. Die Bezirksgrupoe „Altstadt" in der Ortsgruppe Leipzig des Hansabundes hielt am Mittwoch im „Panorama" eine Mitgliederversamm lung ad, in der Herr Rechtsanwalt Dr. A. Zink eisen einen Vortrag über „Sickerungsübereignun- aen im Geschäftsverkehr und ihre Beurteilung in der Rechtsprechung" hielt. An den Vortrag schloß sich eine Debatte, in der der Syndikus der Handels kammer, Herr Rechtsanwalt Dr. Kien, betonte, daß auf Anregung der Leipziger Handelskammer eine größer« Anzahl deutscher Handelskammern sich für die Rezisterpfl.cht ausgesprochen hätten. Ueber den Mtt- telstandskonzreß Les Hansabundes sprach zum Schluß Sekretär Emil Berg. * Verband für Zugendhilfe. Zn der Helferkon serenz des Verbandes für Zugendhilfe zu Dresden gab am Mittwoch das Arbeitsgebiet der Vermittelungs stellen Anlag zu besonderer Darstellung und Dis kussion. Der Verband besitzt jetzt 30 Vermittelungs stellen in der Stadt und 57 weitere in den Ortschaften um Dresden. Neuanmeldungcn. die jederzeit an genommen werden, sind an die Geschäftsstelle des Ver bandes, Dresden, Lothringer Straße 2, zu richten. ch * Die Uebersicht der vom Bundesrate gefaßten Entschließungen auf Beschlüsse des Reichstags wird in Zukunft dem Reichstage gleichzeitig mit dem Etat vorgelegt werden. * Der Arbeitsplan des Reichstags. In der Sitzung des Seniorenkonvents des Reichstags wurde der Arbeitsplan für das noch zu erledigende Be ratungsmaterial folgendermaßen festgestellt: Zn dieser Woche ist noch zu erledigen der Gesetzentwurf betr. Schiffahrtsabgaben. der Entwurf eines Haus arbeitsgesetzes und der Entwurf eines Gesetzes betr. Aenderung des 8 114 Absatz 5 usw. der Ge werbeordnung. Die ganze nächste Woche bleibt jitzungsfrei. Nach der Pause würden zunächst Rechnungssachen zur Verhand lung stehen. Weiter gedenkt man, soweit es irgend möglich ist, noch zu erledigen den Entwurf eines Ge setzes betr. die Aufhebung des Hilfskassen- gejetzes, die Vorlage über die Ausgabe kleiner Aktien in den Konsulargerichtsbezirken, den Ent wurf eines Versicherungsaesetzes für Ange stellte und den Bericht der Tudgeikommiffion über die zum Marokkoabkommen gestellten An- träge. Eleichsalls in der übernächsten Woche hofft man, die zur dritten Beratung stehenden Gesetz entwürfe, die Schiffahrtsabgaben, das Haus- arbeitsgesetz und die Aenderung des 8 114 usw., der Gewerbeordnung zu verabschieden. * Kolonialattaches. Wie wir hören, wird zur- zeit erwogen, di« Schaffung von Stellen für Kolonial attaches bei den großen Kolonialstaaten anzuregen, weil dauernd die Zahl der kolonialen Aufgaben wächst, die eine internationale Beobachtung und Re gelung wünschenswert erscheinen lassen. Dahin ge hören die Schlafkrankheit Wilds chuL, Waffenhandel, Eisenbahnen usw. Im Zahle 1904 beabsichtigte di« Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes Stellungen für Kolonialsachver- itändige Lei unseren Botschaften in London und Paris einzurichten. Der Reichstag lehnt« jedoch diese Stellungen ab. Im Verlauf der deutsch-französischen Kongoverhandlungen ist es aber wiederholt als Mangel empfunden, daß wir über die Zustände m fremden Kolonien, in diesem Falle der franzö sischen, nicht ausreichend unterrichtet waren. * Landwehrinspektion Berlin. Das stetige An- wachsen der Dienstgeschäfte der Landwehrinspektion Berlin, die zurzeit aus vier Bezirkskommandos be steht und deren Geschäftskreis sich außer auf Groß- Berlin auf die Kreis« Teltow, Ober- und Nieder barnim bezieht, macht «in« Vermehrung der Bezirks- kommandos für die Folgezeit unerläßlich. Die ge- plante Erweiterung um «in 5. und 8. Dezirkskom- mando, die in Rücksicht auf dringender« Veränderung zurückgestellt wurde, soll den gesetzgebenden Körper- ichaften im nächsten Heeresbaushalt vorgelegt wer den. Zn unterrichteten Kreisen rechnet man mit der Errichtung der beiden Bezirkskommandos zum 1. Ok tober 1912. * von unserer Marine. Das Kanonenboot Panther" das von Agadir am 17. August in Danzig emtraf, um auf der Kaiserliche» Werft größe ren Reparaturen unterzogen zu werden, soll bis Weihnachten wieder dienstbereit lein, um aufs neue die sehr schwach besetzte westafrikanische Station zu beziehen. Für die neue Indienststellung erhält der „Panther" als Kapitän den Korvettenkapitän Karl Heine. Der neue Panzerkreuzer „M oltk e", der von Kiel in Danzig eintraf, um in der Danziger Bucht und vor Neukrug in Ostpreußen seine forcierten Meilenfahrten zu erledigen ging vorläufig nach Kiel zurück, da andauernder Neoei die Fahrten zurzeit zu gefährlich erscheinen läßt. * Zum Konflikt in Bayern. Die Verhandlungen, die zu einem Großblock m Bayern führen sollen, werden forrgeiührt Entgegen anders lautenden Meldungen mutz betont werden, daß die Verhand lungen mit den Konservativen und Bündlern sich noch nicht zerschlagen haben, sondern vielmehr einem Wahlbündnis näher gerückt sind. Wenigstens kann schon heute damit gerechnet werden, daß die west rheinischem Konservativen und Bündler für den Großblock sind. Die liberalen Wahlkreisvorsitzenden Bayerns haben sich Donnerstag mit den hervor ragenden politischenPersöntichkeiten desLandes zu einer wichtigen grunblegendenKonfercnz 'usammengemnden. Es muß herooraehoben werden, daß der Zentrums führer Dr. Pichler in seiner Volksversammtungsrede vom Mittwoch bereits das geplante Blockabtommen der gesamten Linken erwägnte und die Hoffnung aussprach, daß sich die Blockbildung nur auf Sozial demokraten und Liberale erstrecken möge. Bezeich nend ist, daß das Zentrum seine ganze Hoffnung auf die neugegründete bayerische Neichspartei und die wirtschaftliche Vereinigung setzt. Gelingt es, diese beioen Parteien für den Großblock zu gewinnen, dann ist das Zentrum sicher beim Wahlkampfe in Bayern in der Niederlage. Die Neuwahlen für Len Land tag sollen nach dem „Bayer. Kurier" erst nach den Reichstagswahlen, also im Februar stattfinden, * Reichstagswahloorbereitungen. Zn Wetzlar. Altenkirchen wird das Zentrum keinen eigenen Kandidaten aufftellen, sondern den Christlich-So zialen Behrens unterstützen. — Der von der Fort schrittlichen Volkspartci für Mülheim-Wip- perfürth-Eummersbach aufgestellte Dr. Wcsthaus hat seine Kandidatur zurückgezogen. — Für Dortmund-Hürde haben die Nationalliberalen den Rektor Diecke rhoff ausgestellt. — Das Zen trum hat' für Duisburg-Mülheim-Ober hausen den Arbeitersekretär Klofl aus Esten aufgestellt. — Als polnischer Kandidat in Gnesen ist der Likörfabrikant Kasprowicz aufgestellt. — Die konservativen Parteien des Wahlkreises So- rau - Forst beschlossen, die Wahl des von den Na- tionallib«ralen aufgestellten Kommerzienrates Bahn zu unterstützen. — Als Kandidat der Vereinigten Liberalen für Augsburg wurde Dr. Hoeber in Aussicht genommen. — Nav'-dem Herr v. Bürtlin de finitiv abgelehnt hat, ist als nationalliberaler Kan didat Reichsrat Franz Buhl aus Deidesheim für Neustadt-Landau ausgestellt worden. — Die Anhänger der Zentrumspartei im Kreise Kaisers lautern-Kirchheimbolanden haben be schlossen. die Zentrumsstimmen dem Kandidaten des Bundes der Landwirte zuzuwenden. — Als Zentrumskandidat im Wahlkreise Zmmen- stadt ist Amtsrichter Emminger aufgestellt. — Als konservativer Kandidat des Wahlkreises Ro stock-Doberan ist Domänenrat Rettich aufge stellt worden. Er gehörte schon 1893 bis 1906 dem Reichstage an. -- Zm 18. sächsischen Wahl kreise Zwickau stellte sich am Mittwochabend in einer großen öffentlichen Wahlversammlung Herr Ingenieur Leupold als nationaler Kandidat vor. ÄUÄSNÜ. England. * Das englische Königspaar seekrank. Wie eng lische Blätter berichten, herrschte im Golf von Bis- caya ein großer Sturm, als gerade die „Medina" mit dem englischen Königspaar an Bord diesen passierte. Das Krönungsschiff sowie deren Begleit schiffe haben durch den Sturm vielfach« Beschädigun gen davongetragen. Es war unmöglich, sich an Bord aufzuhalten, und auch die regelmäßigen Gottesdienste konnten nicht abgehalten werden. Das Königspaar selbst war längere Zeit von der Seekrankheit befallen: selbst ältere Seeoffiziere erinnern sich nickt, jemals einen so heftigen Sturm mitgemacht n haben. Frankreich. * Zum Kolonialskandal vo« Udjda. Zn dem Augenblick, wo General Toutee seine Erklärung über die Affäre von Udjda abgegeben hat, ist der bisher so stark aufgebauschte Kolonialskandal in sich zu sammengefallen. Die ungeheuerlichen An klagen, die gegen Destailleur und Largeon erhoben worden sind, können keinesfalls mehr auf recht erhalten werden. Weder di« Genannten, noch irgendein anderer von den arabischen Funktio nären haben sich Amtsvergehen zuschulden kommen lasten. * Der Etat 1912 sieht für laufende Ausgaben des militärischen Luftfahrwesens 4 494 950 Franken vor, für Neukonstruktionen 12 558 600 Fr. Es ist allo für den genannten Zweck der Gesamtbetrag von 17 Millionen ausgeworfen. Bei Orleans wird außerdem ein neues Flugfeld errichtet werden, da die dortige Stadtverwaltung der Militärbehörde ein Gelände von 55 Hektar zur freien Verfügung gestellt hat. Für di« Zwecke der Marine hat das Kriegs ministerium die Errichtung einer militärischen Fliegerzentrale in Le Havre verfügt. Als Garnison einer Militärfliegerabteilung für die nordafrika- nischen Kolonien ist Biskra in Algier ausersehen wor» den. Den Oberbefehl über diese Abteilung führt Leutnant Lafargue, dem außerdem noch zwei Offi ziere und 16 Pioniere zugeteilt wurden. Persien. * Die russische Note ist bisher nichtbeant wortet worden. Der Präsident des Ministerrats ist mit dem Minister des Aeußern bemüht, dem russischen Volke entgegenzukommen und hat bereits an Morgan Shuster den Befehl er teilt. seine Gendarmen von dem Haus- und Landgute des Prinzen Schoa zurückzuziehen. Shuster ant wortete. der KonfiskationsbefHl sei mit der Unter schrift aller Minister versehen. Er könne daher dem Gegenbefehl des Ministerpräsidenten nicht Folge leisten. Die Ministerkrisis sowie ein even tueller Rücktritt de» Regenten wären aus- sckließlich durch inner« Wirren heroorgerufen. Mit der russischen Note hat der Rücktritt des Kabi- letts nichts zu tun. Es sind vorläufig keine Anzeichen dafür vorhanden, daß Persien geneigt ist. Genug tuung wegen Beleidigung russischer Konsularbeamter durch Gendarmen Shuster» zu geben. DeuMer Reichstag. 207. Sitzung. Berlin, 16. November. (Tel.) Am Bundesratstische: Dr. Delbrück. Brei tenbach. Dr. o. Zonquiäres und andere. Präsident Graf Schwerin-Löwitz eröffnet die Sitzung um 1 Uhr 15 Min. Fortsetzung der zwei ten Beratung des Schiffahrtsabgaben gesetzes. Abg. Dr. Heinze (Natl.): Wenn auch zugegeben werden kann, daß das Bestreben, Schifsaynsabaaben einzuführen, uralt ist, so ist doch nicht zu übersehen, daß die spezielle Anregung zu diesen gesetzgeberischen Maßnahmen erst seit 1905 datiert. Die Ströme können nun und nimmer, auch wenn sie noch so sehr reguliert werden, als künstliche Wasserstraßen ange sehen werden; sie sind und bleiben ein gütiges Ge schenk der Natur, auf dessen freie Benutzung das Volk berechtigten Anspruch hat. Ich habe mich nicht davon überzeugen können, daß man berechtigt sei, die Schiffahrt mit neuen Abgaben zu belegen. Daß die Schiffahrtsabgaben wieder auf den Konsumenten abgewälzt werden, ist wohl nicht zu befürchten, vie neuen Lasten fallen auf die Schultern der Schiffer (Sehr wahr!), die an sich schon genügend mit Zinsen und sonstigen Abgaben belastet sind. Das Gesetz soll am letzten Ende bezwecken, den Wasser transport zu fördern und zu vermehren. Für die Elbe ist das aber nicht erforderlich. Der verfügbare Raum wird durch die Elbschifsahrt schon heute nicht ausgenutzt. Die Kohleneinfuhr aus Böhmen nimmt ständig ab, wie überhaupt der Güterverkehr zurück geht. Außerdem ist eine Vertiefung der Elbe technisch nicht durchführbar, weil der Elbspiegel in den ein zelnen Zayren ganz außerordentlichen Veränderungen unterworfen ist. Leider ist es nicht gelungen, die ein heitliche Handhabung dieses Gesetzes durchzusetzcn. Somit kann die Elbe mit Abgaben belastet werden, während der Rhein frei bleibt. Das geht nicht an. Die partikulare Znkraftsetzung ist einer der Haupt fehler der Vorlage. Meine Freunde aus Sach sen und ich wünschen, daß der gegenwärtige Verfassungszustand aufrcchterhalten bleibt und lehnen deshalb das ganze Ge setz ab. Abg. Günther-Plauen sFortschr. Dpt.): An dem ablehnenden Standpunkt, den auch wir von vorn herein dein Gesetz entaegenaestcllt haben, hat sich nichts geändert. Sachsen als Industriestaat erleidet durch das Gesetz unendlichen Schaden, und dies hätte sowohl von der preußischen wie von der Reichsregie rung berücksichtigt werden müssen. Die Hoffnung des württemberaischen Ministers Dr. v. Pischck, der der preußischen Negierung als Wasserdoktor großes Ver trauen entgegenbringt, richtet sich vielleicht auch auf eine Gesundung der württembergischen Eisenbahnver- höltnisse mit Hilfe Preußens. Eine Vertiefung der Elbe wäre nur möglich durch eine Verengung der Fahrrinne, sonst reimt der Wasscrstand nicht aus. Ein Ausbau der Elbschifsahrt ist von dem Gesetz nicht zu erwarten; im Gegenteil wird eine empfindliche Er höhung der Wasserfrachten erzielt werden. Es ist tief bedauerlich, daß die Regierung ihr Material nicht mit veröffentlicht hat. Die Wünsche auf Aus bau und Kanalisierung der Saale und Lahn Haden bei den verbündeten Regierungen keine Gegenliebe gefunden. Zn der Einführung der Schiffahrtsabga ben kann ich nur ein Schwinden des seinerzeit sieg- reick vertretenen Einheitsgedankens erblicken. Abg. Winckler (Kons.): Der Widerstand der Kol legen aus Sachsen ist bedauerlich. Ich meine, Lurch dieses Gesetz wird den gemeinsamen Interessen aller Lanüesteile gleichmäßig gedient. Wünschenswert wär« es, dem Antrag Zehnter entsprechend, diesen Artikel 3a überhaupt zu streichen. ' Ministerialüirecktor Peters: Die Befürchtungen der sächsischen Abgeordneten sind sachlich nicht begründet. Gerade bei einem regulierten Strom ist auch eine gewisse Garantie für die Aufrechterbaltung der Schiff fahrt bei kleinem Wasserstande geboten. Die Regu lierung der Flllffe kann dem Lande nur zu Nutzen gereichen. Wer iym diese Regulierung vorenthält, ist sein Gegner. Zn Artikel 54 der Reicksverfassung steht nichts von der grundsätzlichen Abgabefreiheit. Bayr. Ministerialrat Dr. Ritter v. Eraßmaun: Bayern ist vielfach der Vorwurf gemacht worden, es habe der Vorlage zugestimmt, obgleich man seinem Wunsche in bezug auf die Mainkanalisation nicht genügend nachgekommen ist. Wenn behauptet wor den ist. der Pärtikularismus werde durch diese Vor lage gefördert, so ist das nicht der Fall, weil die Stromverbände auf genossenschaftlicher Äasis mit einander vereinigt sind. Bekanntlich hat sich in Bayern eine sehr starke Strömung dasür bemerkbar gemacht, daß die Mainkanalisation über Aschaffen burg hinaus geführt werde. Mit schwerem Herzen haben wir uns entschlossen, hierauf Verzicht zu leisten, damit die Durchführung des ersten Bauprcwramms nicht gefährdet werd«, anderseits wäre es nicht mög- lich gewesen. Bezüglich der Oberrheinregulierung haben wir unsere Anträge ebenfalls zurückgestellt. Diejenigen, die die Vorlage ablehnen, wollen be denken, daß sie damit di« Brauchbarkeit unserer deut schen Ströme überhaupt in Frage stellen. Vizepräsident Dr. Spahn tritt dafür ein, daß über den Teil des Gesetzes, der die Regulierung der Mosel voksieht, namentlich abgestimmt werden soll. Aba. Stolle (Soz.): Di« Vorlage ist und bleibt «in Machwerk der preußischen Regierung und ein Ausfluß der Junkerherrschaft. Preußen hat, trotz aller gegenteiligen Erklärungen muß man dabei blei- ben, den kleineren Bundesstaaten seine Ansicht auf gedrängt. Die Hauptleidtragenden sind die kleinen Schiffer, die in ihrer Existenz schwer geschädigt wer- den. Die Regierung hat sich hier wieder einmal als Knecht der Junker gezeigt. (Beifall bei den Sozial- demokraten. Glocke: Vizepräsident Schultz rügt diesen Ausdruck.) Abg. Gras v. Praschma: Von einer Brotver teuerung ist keine Rede. Durch die Verkehrsverbesse rung tritt sogar eine Verbilligung ein. Di« preußische Regrerung ist nicht in der Lage, weitere Stromregu lierungen ohne das Schiffahrtsabgabengesetz vorzu nehmen. Wann wird dem Landtag ein Projekt für die Regulierung der oberen Oder zugehen? Minister v. Breitenbach: Ueber den Zeitpunkt, wann die Mittel zur Oderrcgulierung beim Land- tage angefordert werden, steht noch nichts fest. Jeden- falls kann aber gesagt werden, daß diese Frag« nicht auf die lange Bank geschoben wird. Wenn Herr Eot- hein meint, das sei eine Illusion, weil die Projekt« in keiner Weise feststünden, so hat er ein« unbeweis bare Behauptung ausgestellt. So viel steht fest, daß die Regulierung der Oder rund 40 Millionen kosten wird. Abg. Dr. Hahn (Kons. Bund der Landwirte): Von einer wesentlichen Verteuerung des Getreides durch die Schiffahrtsabgaben kann keine Rede sein. Für den Ausbau der Wasserstraßen war immer nur das Interesse der Schiffahrt maßgebend. Bedauer licherweise hat Herr Gothein auch di« Reichsoer. drossenheit unter seinen Argumenten ins Feld ge- führt. Damit sollt« man vorsichtiger sein. Die Vor lage scheint aber neue Sympathien für Preußen und somit für das Reich gebracht zu haben. Der Aus- bau der Rheinwafferrmne ist in erster Linie für die Montanindustrie am Niederrhein und in Westfalen erfalgt. Er war eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Au» allgemeinen nationalen Gründen muffen wir darauf Bedacht nehmen, keine Schädigung der Ruhr industrie durch die Kanalisation der Mosel herbei- zufüyren. Wir lehnen sie deshalb ab. (Beifall rechts.) Abg. Dr. Franl (Soz): Dr. Hahn hätte seine hin- reißende Beredsamkeit darauf verwenden sollen, seine eigenen Fraktionsyenossen aus Sachsen von der Güte dieses Gesetzes xu überzeugen. Daß die Reichs freudigkeit durch solche Vorlagen nicht gestärkt wird, geht schon aus der Denkschrift von Sachsen und Baden hervor. Das preußische Zentrum ist nicht bereit, weitere Mittel für den Ausbau der Ströme zu be willigen, wenn nicht das Schifsahrtsabgabengesetz kommt. Da muß ich darauf Hinweisen, daß die kleinen Bundesstaaten große Opfer bringen, während der große Bundesstaat Preußen mit seiner mustergültigen Finanzwirtschaft nichts für diese öffentliche Ver pflichtung tun wird. Württemberg würde schneller zur Neckarkanalisierung kommen durch ein Einver nehmen mit Vaden als durch diese Vorlage. Wir sind nicht gewillt, diesem Gesetz, das nur groß agrarischen Interessen dient, zuzustimmen (Beifall bei den Soz.). Abg. Dr. Zehnter (Ztr.) empfiehlt kurz die An nahme seines Antrags auf Streichung des Artikels 3a. Abg. Gothein (Jortschr. Vp): Mit seiner Theorie über die Liebesgaben wird Dr. Hahn niemand über zeugen. Den hohen Reichsbankdiskont als Vergleich an den Haaren herbeizuziehrn, bekommt nur er fertig. Abg. Haußmann-Württemberg (Fortschr. Vp.): Ich habe niemals auf dem törichten Standpunkt ge standen, Schiffahrtsabgaben für einen Vorteil zu er- klären. Zm Gegenteil, die Verbesserung ist sckon lange vernachlässigt. Ist diese nur möglich dura» Ab gaben, so soll man sie. sofern sie in milder Form uu;-- geführt werden, beschließen. Noch ist anzuerkennen, daß in der Kommission vielfache Bedenken Legingt worden sind. Der Entwurf sieht heute viel freund licher aus. Neben diesen Bedenken bestehen viele Vorteile bei dem Gesetze. Damit schließt die Debatte über Artikel 1 und 3a. Abg. v. Strombeck (Ztr.) hat seinen Anttng. Ar tikel 3a in Artikel 1 hineinzunehmen, zurückg:,ogen. Artikel 1 wird angenommen, 3a tvird abgelehnt. Darauf wird die Weiterberatung auf Freitag 1 Uhr vertagt. Außerdem Eewerne- ordnungsnovelle betr. Heimarbeit. Schliß ^7 Uhr. Sächsischer Lsnütsg. Dresden, 16. November. Tie Zweite Kammer trat heute vormittag 10 Uhr zu ihrer 5. öffentlichen Sitzung zusammen. Auf der Tagesordnung stand die allgemeine Vor beratung über das Kgl. Dekret Nr. 5 über den Ent wurf eines Gesetzes, die Versorgung der Hin terlassenen von Staatsdienern betr., und die allgemeine Vorberatung über daS Kgl. Tckrct Nr. 12, den Entwurf eines Gesetzes, betr. die Versorgung der Hinterlassenen der e v a n g e l i s ch - l u t h c r i s ch c n und e vange - lisch-resormi erten Gei st lich en, sowie den Entwurf eines Gesetzes, die Versorgung der Hinter lassenen von Lehrern betreffend. Am Ministertische: Staatsminister TTr. Heck, Graf Vitzthum v. Eckstädt und v. Seyde- wik, sowie zahlreiche Negierungskommissare. Tie Tribünen sind gut besetzt. Nach dem Vortrag der Registrande trat die Kam mer in die Tagesordnung ein. Finanzminister v. Seydewitz schildert zunächst kurz die Grundlagen, von denen sich die Regierung bei der Ausarbeitung der Vorlagen habe leiten lassen. Tas neue Gesetz stelle die gesamte recht liche Versorgung der Hinterlassenen auf eine völlig neue gesetzliche Grundlage. Die Verhältnisse stän den in Sachsen besser als im Reiche. In Sachsen seien die Hinterlassenen von Staatsdienern pensions berechtigt, auch wenn der Beamte noch so kurz, so gar nur einen Tag, im Dienste gestanden habe, während dies im Reickze nicht der Fall sei. Tie Hinterbliebenen der Staatsdicner, der Geistlichen und der Lehrer würden in dem Gesetzentwürfe völlig gleichgestellt. Es könne sich nicht um eine wesent liche Erhöhungder Pensionen handeln, geschweige denn um eine Notstandsvorlage, sondern man habe es lediglich mit einer Neuregelung der Hin- terlassenenversorgung zu tun. Im Reiche, in Preu ßen und in anderen Staaten sei der Neuregelung der Pensionsverhältnisse keine rückwirkende Kraft ver liehen worden, weshalb man auch in Sachsen keinen anderen Weg einschlagen wolle. Staatsminister TTr. Beck bezieht sich auf die Ausführungen des Finanzministers v. Seydewitz und kündigt einen neuen Gesetzentwurf über die Ver sorgung der Hinterlassenen der Universi tätsprofessoren und -beamten an. Abg. Tr. Seyfcrt (Natl.) äußert gewisse Be denken gegen den Ausdruck „Gnadengcnusi". Es handele sich doch um einen Rechtsanspruch, den daS Gesetz gewähren wolle. Trotzdem stimme er aber freudig den Vorschlägen in den Entwürfen zu. Seine politischen Freunde und er müßten aber daran er innern, daß eS durchaus wünschenswert sei, den Anfangssatz von 20 vom Hundert auf 25 vom Hun dert zu erhöhen. Zum Schlüsse kam der Redner auf die Rückwirkung des neuen Gesetzes zu sprechen. ES seien im Tekret nur zwei Gründe angeführt: die werden in hygienisch vor- Knicker V/eise aus bestem Rohmaterial rein maschinell kerzesteüt und sind von keinem Oesetuvaclc, nshrhskt u. sehr ergiebig. Knorr ulacearoni