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g< prägt« und später volkstümlich gewordene Work: unck »<.«" IAbwarten, dann wird man schon sehen) gegenüber Deutschland die Parole zu sein. Stimmen sus Paris. Unser Pariser I..-Mftarbeiter schreibt uns unterm 3. Juli: „Wahrend die radikalen Regierungsblätter auch heute weiter zur Ruhe mahnen, verschärft die unabhängige und vor allem di« Kolonialpresse be deutend den Ton. Wie der „Temps", so verlangen das „Echo de Paris" und viele ankere Organe die Entsendung französischer Kriegs, schisse nach Agadir, in der Hofsnung, das; sich dort auch englische einsinden werden. Es scheint jedoch, baß die Regierung bislang noch nicht den Entschluß gesagt hat, Deutschland mit einer Maß- regel zu antworten, die als eine Provokation aus gesagt werken könnte. Es liegt auch auf der Hand, das; Staatssekretär von Kiderlen Wachter, als er den Mächten in einer ganz bestimmten Form hi«. Ent- sendung des Kanonenboots „Panrher" nach Agadir zu wissen gab, das eventuelle Erscheinen jranzvgicher Kriegsschule voraussah und das Pariser Ministerium durch Herrn v. Schccu in Kenntnis setzte, wie er diese Entgegnung auffasscn würde. Die offiziös in formierten Blätter wie „M'atiu", „Petit Parisien" usw. teilen denn auch mit, daß sich vor Di e n s t a g nichts Rcucs ereignen werde, und daß die Re gierung sich daraus beschränkt habe, in London und 2t. Petersburg Erkundigungen einznziehcn. Herr v Schoen und b>cmahlin waren auf dein gestrigen Gartenfest i in Elysc-e der Mittelpunkt der allgemeinen Aufmcrtsamkeit: während die Diploma tinnen aus der deutschen „Ambajsadrice" Neuig- keitcn herauszulocken versuchten, wa: der Botschafter von den Ministern und auch von den bekanntesten Erlögen der jranzönsclen Kolonialpartei umgeben. Ministerpräsident Caillaux und Aeußernmuustcr d: Selves -ogen Herrn v. Echoen wiederholt in ern« Fensternische, um in anscheinend sch: höflichem, aber mitunter animiertem Ton Mit ihm zu diskutieren. Wenn auch mehrere Blätter behaupten, dag bei die sem großen Drplomatcnempfang in der Präsident- schäft kurz vor der Abreise des Herrn Falliöres nach Holland die Vertreter fast sämtlicher Staaten ken „Gewaltakt", diese Rückkehr zum Bismarck- s ch c n V e r s a b r c n, gcmißbilliat hätten, io braucht das Deutschland noch nicht zu erschrecken. Denn die Ausländskorrespondenten der Morgenpresse müssen zugestehcn, dog man das deutsche Vorgehen in Ma drid mit unverholener Freude und in Rom recht „germanophil" beurteilte: daß einige von ihnen aus Wien melden, die österreichisch-ungarische Negierung habe mit großem Mißfallen vermerkt, daß Deutsch land den Verbündeten nicht vorher benachrichtigt habe, so ist diese Unterstellung beleidigend siir den Grasen Aehrenthal, dem Fürst Bülow im Reichstag Denk zollte, Deutschland erst nach der vollzogenen Annexion Bosniens und Herzegowinas unterrichtet zu haben: alle Hossnung wird auf England gesetzt, obschon einige Londoner Organe wie die „Daily News" Frankreich vorwerscn, durch die Missachtung der Algecirasakie Deutschlands Vorgehen selbst ver schuldet zu haben, und obschon im „Echo de Paris" ciugestanden wird, da'g Frankreich gegen Spanien bislang nichts anszurichten vermochte, weil England Eine Weiheltunüe rml üer Wuttbmg. Zu in Gedächtnis Earl Alexanders von Sachsen-Weimar. Von Kurt Hummitzsch. i-Mchdrucl mrtwtcn.) Zot)cr»iusiag. — Die Höhe ist säst erstiegen. Von warmer ^unijonne saust übergoldet, blüht da oben die Warlvurg aus wucherndem Grün empor. Ein herrlicher Anoliä. Und erhebend zugleich. Da steht die Zwingsesie bculjch.n Christentums, da die feste Burg, von der die Verkündigung der Wahrheit wie Johannisseucr hinausleuchiete in die deuljchen Lande. Hier hat der ^unker Jorg die deutsche Bibel ge- ichafscii. Und weiter zurück: hier auf der Wartburg hallen in der Hochblüte der milielhochdeulschen Dich- nmgspcciode die bedeutendsten Dichter eine Heim ställe. Waller von der Vogelweide, Wolfram von Eschenbach, Heinrich von Vcldcte Sichteten und sangen am Hofe des kunstsinnigen Landgrafen Hermann 1. Uno die Sage spann um diesen On jene wunderlick)« Geschichte von dem Längertrieg auf der Wartburg. Mit erhobenem Herzen talen wir die letzten Schritte hinaus zu der historisch populärsten Burg Deutschlands. Am Torbogen verlrat uns eine Wache den Weg. Einlaß nur gegen Karlen. Berufung aus den Lurghauplmann verschaffte uns jedoch Einlaß. Für den Vormittag war in der Burgkapelle eine ein fache Feier angesctzl worden, zu der nur eine be schränkte Anzahl Teilnehmer zugelafscn wurden. Sie galt dem Andenken des 1901 verstorbenen Earl Alexander, Großherzogs von Sachscn-Wft'imar- Eiscnach, der die Wartburg in ihrer früheren Gestalt wicdcrhcrstellcn lieg. Der 21. Juni war sein Ge burtstag gewesen. Durch ein niedriges romanisctres Portal tritt man in die Kafielle ein. Mit Malereien würdig geschmückt, erweckt dieser kleine Raum, in dem einst die wohl- lätige Landgräfin Elisabeth, die „Heilige", und später Martin Luther ihre Erbauung suchten, ein feierliches lüesiihl. Ein gotischer Fürstcnstubl aus dem Mittel alter, kostbare Altar- und Kanzelverkleidung. präch tige Stickereien auf den Gestühlkissen geben dem Raume den Charakter heiliger, vornehmer Intimität. Dem Fürstenituhl gegenüber sind drei Schwerter aus gestellt, von denen zwei für den Protestantismus ge stritten haben: die Schwerter Gustav Adolfs und des Herzogs Bernhart von Sachsen-Weimar, der in der Schlacht bei Lützen nach Gustav Adolfs Tode die Schweden zum Siege führte. Eine schlichte Feier in schlichtem Rahmen. In der lichtgetämpften Gewölbekapelle war jeder der kleinen Gemeinde in andächtiger Stimmung. Bald nach der Einleitung der Feier erklang verhalten, wie von fernen Chören, des Leipziger Komponisten Walther Niemanns feinsinniges In mvrvoritun „Tk*n, cslil'.i.« msnioria". Der Leipziger Uni versitätskirchenchor, der zufällig die Wartburg be suchte, sang es im anstoßenden Sängersaale, dem selben Rauine, in dem 1207 der Sängerkrieg statt gefunden haben soll. Wunderbar weich zitterten die „wohl aus Dynastiegründen" dem König Alphons kein entscheidendes Wort sagen wollte. Manche Blätterstimmen raten Lazu, dieselbe entschlossene Haltung zu -eigen, wie bei dem bekannten Zwischen fall in Casablanca, dessen sich Herr Clemenceau als eines Sieges über den „deutschen Bluff" rühmte, und der doch kein Sieg war, weil Deutschland gar nichts Schlimmes beabsichtigte. Nachdem Deutschland zum ersten Male in Marokko eine bestimmte Stellung einnahm und formell den Mächten seinen Willen notifiziert«, wär« es äußerst gefährlich, wenn man sich in Frankreich einbilden sollte, mit Drohungen Deutschland einschüchtern zu können." Moinier aus dem Rückmarsch. Aus Mekincs wird vom 20. Juni gemeldet: Die Abteilung Les Generals Moinler traf auf ihrem Rückmärsche von Melines in El Ja heb ein und richtete dort eine scherifische Garnison ein. Die Stellung der Dreibundmächte. P. Berlin, 4. Juli.- <Priv.-Tel.) Die Bot schafter der beiden Dreibundmächte haben gestern der kaiserlich deutschen Regierung die freundschaftliche Stellungnahme ihrer Negierungen zu der aktiv gewordenen deutschen Marokkopolitit (Entsendung des Kreuzers „Panther") zum Ausdruck gebracht. Marokkointerpellation im englischen Unterhaus. London, 4. Juli. (Eig. Dralstmcld.) Im Unterhaus fragte Balfour den Ministerpräsi denten, ob es im öffentlichen Interesse möglich sei, eine Mitteilung über Marokko zu machen. A s a u i t h erwiderte: Die Angelegenheit, auf die Balfour hinweisr. zieht, das brauche ich nicht erst zu sagen, die ernste Aufmerksamkeit der Negierung aus sich. Diplomatische Mitteilungen werden in diesem Augenblick aus getauscht. Ich glaube aber nicht, Last es an gebracht ist, gegenwärtig mehr zu sagen. Der Libe rale David Mason fragte an, ob nicht nach Artikel 8 der Algecirasakte der Generalinspekteur des diplomatischen Korps darüber zu berichten habe, welche wirksamen Mastregeln zum Schutze von Leben und Eigentum der Fremden zu ergreifen seien, und ob nicht nach Artikel 9 der Akte das diplomatische Korps im Falle, Last Beschwerden erhoben werden sollten, den Generalinspekteur ersuchen könne, Er hebungen anzustellen und Bericht zu erstatten, und endlich, ob irgendwelche Beschwerden erhoben worden seien. — Asquith erwiderte: „Dies ist keine An frage, die ohne vorherige Ankündigung gestellt werden sollte. Wenn Mason sie schriftlich vorlcgcn will, werden Erhebungen angcstellt werden." Das „Wiener Freiadenblatt" und die deutsche Marokko-Aktion. Das „Wiener Frcmdenblatt" teilt den Inhalt der Rote über die Entsendung des Kreuzers „Panther" Klänge herüber. Als Hauptlied wurde dann ge sungen „Ein' feste Burg ist unser Gott". Hier auf der Wartburg das alte Lutherlied! Nachdem die herzensstarkcn Töne verklungen waren, ergriff Archi- diakonus Trabert das Wort aus Grund des Textes Hebr. 3, 12—13. Mit warmen Worten gedachte er Carl Alexanders, des verstorbenen Fürsten, den fein Volk verehrt und noch nicht vergessen. Treue gegen Gott, Treue gegen sein Volk und Treue gegen sich selbst hat er gehalten, bis ihm der Tod das Szepter aus der Hand nahm. Jeder gedachte wohl bei dieser stimmmungsvollen Feier des Werkes, durch das sich Carl Alexander den Dank des gesamten deutschen Volkes erworben hat: der Wiederherstellung der Wartburg. Schon in jungen Jahren durch fein« Mutter, die Großherzogin Maria Paulowna, an geregt. betrachtete er es als eine seiner höchsten Lebensaufgaben, die im 18. Jahrhundert in Verfall geratene Wartburg, das Wahrzeichen des evan gelischen Glaubens, vor gänzlicher Zerstörung und Verballhornung zu schützen. Lange hat er nach einem geeigneten Baumeister gesucht, bis endlich Hugo v. Nitgen ihm für diese schwierige Aufabe ge eignet schien. lieber vierzig Jahre hat dann v. Nitgcn, auf eingehende Studien gestützt, die Wiederherstellungsarbeiten geleitet und die Burg, soweit Lies möglich war, in ihrer alten Gestalt wieder aufgebaut. Gerade Liese historische so inter essante Burg dem deutschen Volke wiedergegeben zu haben, war das große heilige Vermächtnis Carl Alexanders. Seine Anregungen haben den Anstoß zum verständnisvollen Ausbau der Burgen auf kul turhistorischer Grundlage gegeben. Tief eingegraben in di« Erinnerung hat sich jene bescheidene Feier stillen Gedenkens an Len milden und feinsinnigen Fürsten. Nach Beendigung des Gottes dienstes führte uns der Oderburghauptmann, Herr von Cranach, ein Nachkomme des großen Lukas von Cra nach, liebenswürdigst selbst in die Kemenate der heil. Elisabeth, die bekanntlich Kaiser Wilhelm II. im Jahre 1902 mit wertvollen Mosaiken ausschmücken ließ — in dankbarem Gedenken an seinen Großoheim Carl Alexander. Als man dann wieder hinaustrat in den Burghof, sog man noch einmal die mittelalterlich schonen Formen dieser Burg mit brennenden Augen ein, ließ im Geiste die reichen Landgrafen von Thüringen mit prächtigem Gefolge in den Palas schreiten, und Wol fram von Ejchenoach und Walther von der Vogel- lveide: sah die mildtätig« Landgräfin Elisabeth im Burggartcn unterhalb der Zisterne wandeln und dann den ehrwürdigen Doktor Luther an der Burgmauer stehen, wie er mit gefurchter Stirn hinausblickt auf die lieblichen thüringischen Berge. Auf der Wartburg ist ja die Romantik zu Hause. Hier ist ein Stück Mittelalter erhalten geblieben. Ob in jenen alten Zeiten auch schon der wilde Wein da an der Mauer sich ausrankte, und ob auch damals im Burghof volle Junirosen leise im West wind sich wiegten? Ole New Yorker Nitze. Kaum in einer Stadl der Erde wird di« Hitze des Sommers wohl so unangenehm empfunden wie in New Pork. Die Sonne brennt steil vom wolken mit und sagt, daß kein Grund vorliege. Besorgnisse zu hegen. Man solle abwarten. Diesem jüngsten Schritt der deutschen Regierung stehe Oesterreich- Ungarn sumpathijch gegenüber. Man dürfe hoffen, daß sich die Lage in Marokko nicht noch mehr ver wirren, sondern klären werde. Metzers Verteidigung. Der Abmarsch der Schwerindustrie aus dem Lager des Hansabundes ist von Geheimrat Kirdorf in einem Schreiben an Geheimrat Rießer des näheren in derselben Weis« begründet worden, in der Landrat Rötger seinen Austritt aus dem Hansabund motiviert hat. Die Antwort Rießers an Kirdorf ist ain Montag ergangen und charakterisiert sich als eine wirkungsvolle Selbstverteidigung, bei der zugleich noch einmal die Ziele Les Hansabundes klar gezeichnet werden. Sie verdient deshalb wörtliche Wiedergabe: Berlin, 3. Juli 1911. Herrn Generaldirettor Geh. Kommerzienrat Emil Kirdorf Streithof bei Miihlheim-Ruhr-Speldorf. Sehr geehrter Herr! Auf Ihre gefällige Zuschrift vom 30. v. M. beehre ich mich, folgendes zu erwidern: Die wirtschaftliche uno nationale Notwendigkeit des Kampfes gegen die agrar-demagogische Richcung, der in den von Ihnen selbst mit festgestellten „Richt linien" des Hansabundes als dessen wesentlichste Aufgabe be,zeichnet ist, hatte Sie und Ihre Freunde in erster Linie zum Anschluß au den Hansabund ver anlaßt. Diese Notwendigkeit ist meinerseits von neuem und mit aller Schärfe auf dem Hansatag und im Werbeaufruf betont worden, zugleich mit dem Appell an alle wahrhaft auf dem Boden des Hansa- bunöes stehenden Elemente, sich zu diesem Zwecke zu einigen und alles sonst Trennende zurückstetten. Mit jener scharfen Betonung und mit diesem Appell ist also nichts an den Zielen, dem Wesen und der Marschroute des Hansabundes geändert worden. Wohl aber haben Sie und Ihre Freunde in Essen und Saarbrücken sowie anderwärts inzwischen ganz offensichtlich Ihre frühereil Ansichten und Ab sichten geändert. Sie sind, wie dies bereits im „Tag" vom 15. Scpiember 1910 durch einen Ihnen nahestehenden Schriftsteller offen angekündigt war, in zwischen zur lleberzcugung gekommen, daß, trotz allem, was geschehen ist, die Sonderinteressem. namentlich die Zollinteressen, der schweren Industrie eine intime Ver bindung dieser Industrie mit der konser vativen Partei wünschenswert erscheinen ließen. Aus diesem politisch-taktischen Grunde wünschten Sie, wie gleichfalls schon in lenem Artikel betont wurde, daß der Hansabund den Kampf gegen den mit der konservativen Partei eng verknüpften Bund der Landwirt« nicht mehr führe oder doch völlig in den Hintergrund treten lasse, obwohl Sie und Ihre Freunde wissen und früher selbst häufig betont haben, in welchem Um fange dieser Bund die Lcbensinteressen von Gewerbe, Handel und Industrie seit langer Zeit geflissentlich losen Himmel nieder und durchglüht die Häuser massen, so daß der Aufenthalt in Len Zimmern höchst ungemütlich wird, die Luft ist von Wasserteilchen derart durchsetzt, daß eine schwüle, feuchtwarme Atmo sphäre entsteht, die das Atmen erschwert, die Blut zirkulation hemmt und auf den Kopf einen starken Druck ausübt. Auf Len asphaltierten Straßen und Plätzen kann man deutlich Wagenräder- und Fuß spuren wahrnchmen: das Gehen wird einem schwer, unaufhörlich perlt einem der Schweiß vom Kopfe: Körper und Geist werden von Stunde zu Stunde schlaffer und matter, je hoher die Sonne steigt. Aber kein Lüftchen bringt die ersehnte Abkühlung, kein Wölkchen kündigt die ersehnte Erfrischung an. Da sind in den „Bar rooms" beständig die langen Marmor tische von Halbverschmachteten dicht umlagert, da wird mit hastiger Gier Eiswasser oder eine der vielen, raffiniert zubereiteten Sodawasscrmischungen oder das sehr beliebte Ice-Cream hinuntergefchlülft, da — holen sich die Amerikaner ihre schlechten Magen. Natürlich ist auch die Kleidung der Hitze entsprechend leicht. Die Damen tragen dünne, weiße oder licht farbige Blusen, die Herren haben die Westen als un nötigen Ballast beseitigt, ihre Beinkleider, die oft die sonst unerläßliche Bügelfalte vermissen lassen, werden nur durch einen schmalen Leibriemen fest gehalten, den Rock tragen viele überm Arm. In den großen Geschäftskontoren, wohin die Augen Un eingeweihter nur selten dringen, legt man wohl auch noch Kragen und Manschetten ab und schlingt lose ein Taschentuch um den Hals, um sich Erleichterung zu ver schaffen. Kurz, man gönnt sich in bezug auf Klei dung Freiheiten, wie sie bei normalen Verhältnissen selbst im freien Amerika verpönt wären. Die Hitze leckt also, wie es scheint, auch an der Tünche der äußeren Zivilisation der Menschen und führt diele in d«n Zustand einer gewissen Natürlichkeit zurück, der niemand abstößt, weil er eben allgemein beobachtet werden kann. Hoch über dem Dunstkreis des steinernen Meeres von Manhattan-Island, auf dem Turm eines Wolkenkratzers am unteren Broadway, thront der Wetterkundig« New Parks, der wohl ebenso häufig verwünscht und gescholten wird, wie seine europäischen Kollegen. Ab«r unbeirrt um jede Volkslaune waltet er seines Amtes, kündigt Trockenheit und schönes Wetter an. An jedem Hitzelage veröffentlichen die New Parker Tageszeitungen betrüblich lange Listen von Hitzeopfern. Di« Ambulanzwagen kreuzen fort gesetzt die Straßen, um die armen Verunglückten rasch zur nächsten Unfallstation zu bringen, wo diesen eine ausgesucht gute und vor allen Dingen auch rasch wirksam« Behandlung zuteil wird. Aber auch sonst zeigen sich die Behörden bemüht, der arg gequälten Bevölkerung Erleichterung zu ge währen. Während in normalen Zeiten jedes Näch tigen in den Parks und auf den großen Rasenplätzen inmitten der großen Squares streng verboten ist, gab di« Polizei nach und gestattete die unbeschränkte Be nutzung der Plätze und der an der Wasserfront ge legenen sogenannten Erholungspiers. Dickst gedrängt lagern die Menschen, die die Hitze aus ihren dumpfen kleinen Wohnungen getrieben hat, während der Nächte im Grase. Besonders begehrt ist ein Fleckchen in den verletzt und gefährdet hat. Die wahre Ursache der Sezession der Ihnen nahestehenden Kreise ist deshalb nicht der dem Hansabunde und seiner Leitung unter stellte „Ruck nach link s", sondern die entschiedene Absage, die ich auf dem Hansatag« d«n wiederholten Aufforderungen pflichtgemäß erteilte, einen Ruck nach rechts mitzumachen, also den Hansabund von der „mittleren Linie" abzudrängen und ihn zu veranlassen, seine Hauptaufgabe, den Kampf gegen die „Ueber-Agrarier". aufzugeben oder zurück- z u st e ll e n. Mil der Feststellung dieses Grundes der Sezession erledigt sich zugleich der in Ihrem Geehrten vom 30. v. M. unternommene nachträgliche Versuch einer weiteren Rechtfertigung der Sezession aus dem Ge sichtspunkte einer „die heimische Arbeit schützenden Wirtschafts- (richtiger: Zoll-) Politik". Der einstimmige Präsidial beschluß des Hansabundes über die Zollpolitik (S. „Mitteilung" vom 24. November 1910) trägt allen gerechten Anforderungen eines Schutzes der heimischen industriellen und landwirtschaftlichen Arbeit Rech nung. Das gleiche gilt von meinen kaum von irgend einer Seit« zu beanstandenden Ausführungen auf dem Hansatag«, daß gerade der Hansabuird, gleichweit ent fernt von extrem freilzändlerischen wie von extrem schutzzöllncrischen Tendenzen, infolge seiner Zu sammensetzung vorzugsweise geeignet sei, der Annähe rung der divergierenden Interessen auch auf diesem Gebiete als ehrlicher Makler zu dienen. Wenn Sie aber in der von Ihnen veranlaßten „Bekanntgabe" an alle Mitglieder unserer Nicderrheinisch-westfälischen Bezirksgruppe diese zum Austritt aus dem Hansabund« und zum Uebertritt in den neuen Verband mit dem Bemerken aufgeforderr haben, die Leitung des Hansabundes habe, im Gegensatz zu dem Präsidialbeschluß vom 24. November 1910, über die Stellung des Bundes zur Sozialdemokratie Unklarheit obwalten lasten, so darf ich feststellen, daß diese Behauptung den Tat sachen nicht entspricht. Ich habe in der Schlußrede auf dem Hansatag« auf diesen einstimmigen Präsidialbeschluß vom 24. No vember 1910 ausdrücklich Bezug genommen und dem noch hinzugefügt, daß uns eine Welt von den Ausgangspunkten und Zielen der Sozialdemokratie trenn«. Daß wir als wirtschaftliche Vereinigung, welche Mitglieder aller bürgerlichen poitischen Parteien um faßt. keine Stichwahlparolen ausgeben können, ist selbstverständlich und beruht gleichfalls auf ein stimmigem Präsidialbeschluß. Vergeßen aber haben Sie anscheinend bei Ihrer Kritik des Hansa- bvndes den offiziell kundgegebenen Beschluß Ihrer konservativen Freunde, wonach dieselben Lei Stichwahlen ihre Stellungnahme zur Sozial demokratie lediglich von taktischen Gründen ihres Parteiinteresses abhängig gemacht, sich also eine Unterstützung der Sozialdemokratie ausdrücklich vorbehalten haben. Hiernach steht fest, daß mit jener — Lurch die Se zession zum definitiven Ausdruck gebrachten — Sch wenkung, die Sie und Ihre Freunde inzwischen vorgenommcn haben, möge sie bereits in bestimmten Abmachungen mit den in Betracht kommenden Par teien ihren Niederschlag gefunden haben oder nicht, so wohl ein Keil in die so dringend nötige und so schwer kleinen Parks mit Brunnen. Unabläpig gehen Männer und Frauen ab und zu, tränken mitgevrachkG Hasid-" tücher mit Wasser und kühlen damit ihre heißen, pochenden Schläfen. Wer die wohlgepflegten und sorgsam von Polizisten gehegten Rasenplätze an der sogenannten Vattery, dem südlichsten Teile von Manhattan-Island, gesehen hat, traut seinen Augen kaum. Aber auch hier läßt die Polizei auf Anord nung des Parkkommissars die unwiderstehlich nach frischer Lust drängenden Leute gewähren. Nur der Zentralpark, der Stolz der New Porter, darf nicht als interimistische Schlaf- und Erholungsstätte wäh rend der Nacht benutzt werden, was natürlich unter der murrenden Menge große Erbitterung verursacht. Am bedauernswertesten sind die unglücklichen Be wohner der elenden Tenementdistrikte. Ihre kleinen Wohnungen kann man beinahe lüft- und lichtlosen Höhlen vergleichen, in denen sie, eng nebeneinander gepfercht, auf beschränktem Raume Hausen müssen: bei dieser Elul ein förmliches Höllendasein! Um den müden, schwitzenden Körper wenigstens um ein Stückchen der dunstigen Oual zu entrücken, steigen diese Aermsten auf die Dächer ihrer Häuser oder sie hocken auf den Feuernotleitern die ganze Nacht. Gar mancher von ihnen stürzt freilich, vom Schlaf über mannt, in die schauerliche Tiefe, wo er mit zer schmetterten Gliedern liegen bleibt, auch ein Opfer der Hitzewelle. Die meisten können jedoch keinen Schlaf finden, denn sie werden von den schwärmenden Moskitos, die in der feuchlwarmen Luft besonders zu gedeihen scheinen, unablässig geplagt, haben also doppelte Qualen auszustehen. Mehr noch als den immerhin widerstandsfähigeren Menschen spielt die Hitze den Zugtieren mit. Zwar hat die New Porker Tierschutzgesellschaft an 75 Punkten der Stadt Rettungsstationen eingerichtet, wo vom Hitzschlag betroffene Pferde durch Wasscrduschen neu belebt und erfrischt werden und wo auch für schwerere Fälle rasch ein Tierarzt eingreifen kann: zwar besteht zur Fortschaffung toter Pferde eine im ganzen gut organisierte Gesellschaft, deren äußerst praktische Ein richtungen zur Beseitigung von Pserdelcichen wohl ausgcdacht sind und auch gut funktionieren: zwar sieht man allenthalben liebevolle Kutscher, die ihren Pferden ganze Eimer voll Wasser über den Kopf gießen, um ihnen Kühlung zu verschaffen, aber trotz dem standen ungeheuer viel Pferde um. Ich habe u. a. in einer einzigen Straße einmal vier Pfcrdeleichen liegen gesehen, die. wie mir von einem Anwohner gesagt wurde, kurz iracheinander gefallen seien und bereits eine Stunde lanq dalügen. Dieses eine Bei spiel soll dartun, wie stark die Megräumungsgesellschaft beschäftigt ist und wie zahlreich die Opfer der Hitze unter den Zugtieren sind. Derartige traurige Bilder lasten sich noch durch Mitteilungen über Wahnsinnsanfälle infolge der Hitze-Einwirkung, ferner über Selbstmordversuche durch Ertränken und ähnlich« trüb« Tatsachen, von denen die New Porker Zeitungen berichten, ergänzen und vermehren: doch es sei genug. Mit Bangen harrte man der Prognose des Wetter-Clerks. vr. .4. 6.