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Nr. 138. los. Istlkyrmy. daß. wenn sich 2 Proz. der Ware als fehlerhaft Herausstellen, di« gesamte Lieferung zurückgewiesen werde. Die Arbeiter stellen fest, daß von den 100000 01541 fehlerhaft waren; die Verwaltung behält aber die Ware trotzdem und verlangt nur eine Preiser mäßigung. d. h. sie stösst nachträglich die Bedingungen ihrer eigenen Ausschreibung um, was den Budget» grundlagen zuwiderläuft. Im Kolonialbudaet entdeckt der Rechnungshof, daß die Gouverneure der einzelnen Kolonien nicht nur ihre Einnahmen- und Ausgabenetats aufzustellen, sondern auch selbst zu kontrollieren und zu billigen haben, ohne dan eine höhere Instanz sich etnmischt. Warum viele der Kolonien unter enormer Steuerlast schmachten, kann man sich erklären, wenn man z. B. sieht, daß die Insel Reunion 1008 gleichzeitig drei Gouverneuren den hohen Gehalt zu zahlen hatte: einem, der sich auf Urlaub besano (15 000 Fr.), einem zweiten, „Jnterimsaouoerneur" (12 500) und einem dritten, der bereits als Rachjolger für den Beurlaubten bestimmt und nach seinem neuen Posten aufgebrochen war l12 500 und bann 25 (>00 Fr.). Die Insel Gua deloupe leistete sich gleichzeitig zwei Gouverneure, von denen einer A)000 Fr. und der andere 15 (XX», nebst einer „Entschädigung für Aufenthalt in Paris" erhielt. Die Kolonie Sai nt Pierre-et Miquelon bezahlte noch zwei Jahre lang ihrem jrüheren Gouverneur den Gehalt von 12 500 Fr., obgleich er bereits einen gleichen Posten in Gabon innehatte und auch dort bezahlt wurde. Als der König Sisowath nach Paris reiste, eröffnete der Gouverneur von Indo-China in dem tambodschischen Budget einen Kredit von 50 OOO Piastern. Dieier Voranschlag wurde um eine Kleinigkeit überschritten: um 125 (XX) Piaster. Die Necserechnung verzeichnet u. a.: 663 Fr. für Geheimpolizisten, die die Pariser Polizei- präsektur gestellt hatte, 214,10 Fr. für Erfrischungen auf dem Rennplatz in Autcuil, 2478,53 Fr. für in den Kolonial- und Acu'neren - Ministerien verteilte Trinkgelder, 7383,75 Fr. für ein Fest nn PrS-Catelan. So bezahlten die armen Kolonien die Einladungen der Republik. — Gin Runügsng üurch üie Dlt- üeutlche Ausstellung. X. I. Posen, 17. Mai. Den Hauptanziehungspunkt und das Wahrzeichen der Ostoeutichen Ausstellung bildet unstreitig der Turm der Oberschlejischen Eisenindustrie, der bei einem Durchmesser von 58 m eine Höhe von 52 m ausweist. Rach Beendigung der Ausstellung soll das gewaltige Bauwerk, das dem Fremden schon beim Verlassen des Bahnhofes die Lage des Ausstellungsgeländes kündet und in seiner etwas massigen, architektonisch kaum hervorragenden Gliederung ohne weiteres den Eindruck eines Zweckbaues macht, in den Besitz der Stadt Posen übergehen und als Wasserturm dienen, wofür die Stadt Posen von dem Gesamtkostenaufwand von 625 000 vr, 265 (XX) bezahlt. Posen erhält damit den größten Wasserturm Deutschlands. Die Eisenkonstruktion des Turmes weist ein Gewicht von 1375 Tonnen auf. Zu einem „Treffpunkt aller Einheimischen und Fremden" dürfte sich wohl das große, oben im Turm in 32 m Höhe befindliche, 600 qm fastende Restaurant gestalten. Prachtvoll ist hier oben der nach allen Seiten der Rotunde hin offene Rundblick aus das Ausstellungsgelände, den die großen Glassenster gewähren und der sich auch noch auf die umliegende Landschaft erstreckt. Als Abschluß des Turmes ist oben aus der Kuppel ein gleichzeitig als Ausstellungsobjekt zur Schau ge stellter Scheinwerfer von 61 Millionen Kerren- tichtstärle ausgestellt, der in den Abendstunden, sein Licht weithin über das Ausstellungsgcbäude und die Stadt Posen versendet. Das Erdaeichoß des Tur mes, das der Stadt später als Markthalle dienen wird, ist fast ausschließlich durch die großen Firmen der oberschlesischen Eisenindustrie besetzt und enthält überwiegend die Produkte der schweren Eisenindustrie: Röhren, Bleche, Schienen, Stabeisen, überhaupt Walzprodukte, Blei- und Zinkprodukte, ferner Werkzeugmaschinen, landwirtschaftliche Ma schinen, Feuerlöjchgeräte, Zusammenstellung von Mon tanprodukten. Rechts vom Oberschlesischen Turm befindet sich die Ausstellung der Landwirtschaft und links der Ver gnügungspark, dessen werter, freier Platz bestimmt rst, großen Menschenmasten Raum zu bieten. Zahl reiche größere und kleinere Gartenanlagcn, sowie ein künstlicher Teich geben ihm einen prächtigen dekora tiven Rahmen. Unter den mancherlei Volks belustigungen und Schaustellungen, denen hier Raum zur Betätigung gegeben ist und unter denen natürlich auch ein „richtiges" Regerdorf nicht fehlt, nimmt eine Abteilung, zugleich auch die künstlerisch wert vollste, die hervorragendste Stelle ein: es ist Alt tellnlyer Tageblatt. Posen. Wir erblicken hier in erster Linie das alte Posener Rathaus, einen stolzen Renaissancebau, den man hier in halber Gröge äußerst kunstvoll nach gebildet hat. Das wirtliche Rathaus ist zurzeit zwecks Renovierung von einem undurchdringlichen Balken- und Brettergerüst umgeben, weshalb die Idee entstand, auf der Ausstellung die Rachbildung zu bringen. Zu engen, winkligen Gasten vereinigt, gruppiert sich um den Zentralpunkt des Gemeinde leben» eine Anzahl alter kleiner Häuser, wie man sie im polnischen Teile, der Wallischei, heute noch vieliach findet, Alt-Posen so recht da» charak teristische Gepräge verleihend und den Ein druck eines mittelalterlichen Stadtteils erweckend. Weiter seien die beiden großen Haup trestaurants erwähnt, die malerisch um einen freien Platz gruppiert find, in dessen Mitte eine große Leucht- sontäne ihre farbigen Wassermasten etwa 50 m in die Höhe schleudert. In den Ausstellungsbcreich ist auch der Botanische Garten gezogen, zwischen besten blumengeschmückten Anlagen man, fern von allem Gcräuich, wird lustwandeln können. Auch er wird, cbcnio wie eine Betonhalle, in der dicIagd- ausstellung ihr Heim hat, für kleinere Speual- ansstellungen demBotanischen Garten dauernd erhalten bleiben. Den Vorzug des Teiles des Botanischen Gar tens bilden ichöneBaumgruppen.eine schattige Allee und weite Flächen, auf denen des Gärtners Kunst die schönste Farbenpracht entfalten wird denn die Gartenkunst wird in einer Dauerausstellung und drei Sonderausstellungen zur Schau gebracht werden. Gegenwärtig hat die Frühjahrs-Sonderausstelluna be gonnen. Für Ende Juni ist die zweite Pflanzenschau in Aussicht genommen und die letzte Sonderausjtel- lung wird am 13. August eröffnet und dauert bis zum Ausstellungsschluß. Mit dieser letzten wird eine große Obstausstellung und eine kurzfristige Binde ausstellung verbunden werden. Roch einiges wäre über die Ausstellung der Selbstverwaltungskörver zu sagen. In ihr tritt in über eugender Weise in die Erscheinung, was deutsche Kultur von gemeinnützigen Werken für die Allgemeinheit im Osten geschaffen hat. Außer der städtischen Selbstverwaltung hat man auch die Kreise einbezogen, ebenso die Provinzen und die Landgemeinden. Vor allem verfolgt die Ausstellung den Zweck dem Laienpublikum einen Einblick in die mannigfachen Gebiete der Selbstverwaltung zu ge währen und Verständnis und Interesse dafür zu erwecken. Einen sehr großen Umfang haben die Ausstellungen des Landeshauptmanns der Provinz Posen, der Städte Posen, Danzig, Vromberg und Königsberg. U. a. ist Schlesien mit sehr anschaulichen Modellen seiner Talsperren nnd Flußbauten vertreten, ferner die Landesversicherungsanstalt Posen, die Provinzial- Feuer-Sozietät, die Kaiier-Wilhelm-Bibliothek, der Tugendschriftenausschuß des Posener Lehrervereins, die Kgl. Gewerbeinspektion und das Hygienische In stitut. Einen besonderen Pavillon haben die Städte der Provinz Posen. Landschaftlich von eigenartigem Reiz ist das Kleinsiedlungsdorf mit seinem traulich-bescheidenen Charakter. Von einer Wirtschaftsaenoßenschaft errichtet, zeigt es ein modernes Dorfbild, bei dem natürlich auch der Dorfanger nicht fehlt, um den sich die einfachen Häuschen und das kleine Kirchlein reihen, neben dem ein — Reformwirtsbaus steht. Auch die innere Mission zeigt hier ihre sozialen Einrichtungen. Alles in allem erhält man von dieser ersten Ost deutschen Ausstellung für Gewerbe, Industrie und Landwirtschaft den Eindruck eines im Laufe der letzten Jahrzehnte zu ganz besonderer Entfaltung gelangten Wirtschaftslebens. Es ist eine machtvolle Kundgebung des gesamten östlichen Deutschlands, die ihre nachhaltige Wirkung gewiß nicht verfehlen wird. Ebenso wird sie ohne Zweifel dazu beitragen, die Vorurteile, die gerade in wirtschaftlicher und kultureller Beziehung noch vielfach in den Kreisen derer anxutreffcn sind, denen dre Ostmark tsrra iocviswtn ich zu beseitigen oder wenigstens zu mindern — ein Ziel, das zu erreichen ja auch nicht in letzter Linie die Aufgabe dieser grandiosen ostdeutschen Ausstellung sein soll. * Der Reichskanzler und die Ostdeutsche Ausstellung. Der Reichskanzler v. Bethmann Hollweg hat an den Oberbürgermeister Dr. Wilms in Posen das nachstehende Telegramm gerichtet: „Zu meinem lebhaften Bedauern durch dringende Geschäfte verhindert, der heutigen Eröffnung der Ost deutschen Ausstellung persönlich beizuwohnen, sende ich dem Ausstellungskomitee und den Ausstellern meine herzlichsten Wünsche für ein gutes Ge lingen des großen Werkes. Die Ostprovinzen der Monarchie haben ihren vollen Ankert an dem gewaltigen Aufschwünge, den ganz Preußen auf allen Gebieten des Erwerbslebens rn vierzigjähriger Friedensarbeit unter der schützenden und fördernden Fürsorge seiner Herrscher genommen hat. Indem die Ausstellung zeigt, was deutscher Fleiß und deutsche Tüchtigkeit in Industrie und Landwirtschaft hier ge leistet haben, wird sie, das hoffe ich, ein Markstein in der Wirtschaftsgeschichte unseres Ostens werden." Der smerlksnlsch-englische Schleüsgerichisoertrsg. Das amerikanische Staatsdepartement veröffent licht folgende Erklärung: „Das Staatsdepartement vollendete den Entwurf des allgemeinen Schceds- gerichlsvertrages, der vom Präsidenten gebilligt und dem französischen und dem britischen Notschalter übergeben wird als die Grundlage, auf der die Regierung der Vereinigten Staaten nun mehr gewillt ist, in Verhandlungen einzutreten. Der Entwurf ist nicht das Ergebnis von Verhandlungen mit irgend einem einzelnen Lande, sondern stellt nur dar, was die Regierung als aeiunde Grundlage zu den Verhandlungen für die Ausdehnung des Bereichs ihrer Schiedsverträge ansieht. Er ist dem französischen und dem britischen Bot schafter zugestellt worden, weil sie den Wunsch ihrer Regierungen zu erkennen gaben, die Frage des allgemeinen Schiedsgerichtsvertrages zu diskutieren, der alle Meinungsverjchredenheiten ein schließen würde, die zwischen ihnen und den Ver einigten Staaten entstehen könnten. Die allgemeinen Grundzüge des Entwurfs sind folgende: Er er weitert das Bereich unserer bestehenden allgemeinen Schiedsgerichtsabkommen dadurch, daß er die in ihm enthaltenen Ausnahmen beseitigt, nämlich Fragen des vitalen Interesses oder der natio nalen Ehre. Der Entwurf sieht vor, daß alle Streitsachen, die von einem internationalen Gericht entschieden werden können, dem Schiedsgerichtshof im Haag unterbreitet werden sollen, wenn nicht durch ein be sonderes Abkommen irgend ein anderer Gerichtshof geschaffen oder gewählt werden sollte. Ferner sieht der Entwurf vor, daß alle Streitfragen, die eine von den beiden Vertragsmachten als nicht durch ein internationales Gericht zu entscheiden ansieht, einer Unter suchungstommission über wiesen werden sollen Die Untersuchungs kommission, der alle komplizierteren Streitfragen laut des neuen Entwurfes des amerikanischen Staatsdepartements unterbreitet werden sollen, wlrd die Vollmacht erhalten, Vorschläge zur Beilegung derselben zu machen. Die Kommission soll aus Angehörigen beider Länder gebildet werden, die Mitglieder des Schieds gerichtshofes im Haag sind. Sollte die Kommission dahin entscheiden, daß die Streitsachen der schieds gerichtlichen Beurteilung zu unterwerfen sind, so soll diese Entscheidung bindend sein. Bevor man also zu dem schiedsgerichtlichen Verfahren seine Zuflucht nimmt, selbst in Fällen, in denen beide Länder darin übereinstimmen, daß die betreffenden Streitfragen sich zu einer schiedsgerichtlichen Erle digung eignen, soll die Untersuchungskommrffion die vorliegende Frage prüfen, um eventuell ihre Bei legung anxuempjeblen, die die Notwendigkeit einer schiedsgerichtlichen Aktton ausschließen wurde. Der Vorschlag einer solchen Kommission soll nicht die Wirkung einer schiedsgerichtlichen Entschei dung haben. Die Kommission soll ferner auf An suchen einer der beiden Regierungen ihr Gut achten um ein Jahr aufschieben, um die Möglichkeit für ihre Beilegung auf diplomatischem Wege zu gewähren. Die anderen Teile des Ver tragsentwurfs behandeln hauptsächlich Einrich tungen für die Kontinission und andere Einzelheiten." Bereits vor ewigen Tagen wgren wir in der Lage, die weientlichen Bestimmungen des Vertrages zu veröffentlichen. Neu ist in der obigen Erklärung nur die Bestimmung, da» bei der Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Amerika und England auch dem Haager Schiedsgericht eine gewiße Rolle als Oberinstanz zuerteilt wird. Wir messen jedoch dem ganzen geplanten Vertrag nur problematiichen Wert bei, um so mehr, als die gegenwärtige Politik Amerikas absolut nicht dazu geeignet ist, Vertrauen zu der Friedensschalmei zu erwecken. Im Gegenteil! Die Pläne, die die Union in Mexiko und Kanada ver- folat, dürften vielleicht die erste Gelegenheit zum Zusammentritt des Schiedsgerichts geben. Dann werden wir ja sehen, was für einen Wert das Ab kommen besitzt. Meilen in Mexiko. Wie die „Associated Preß" aus Juare-z meldet, ist nunmehr ein fünftägiger Waffenstillstand unterzeitynet worden, der sofort für die gesamte Republik Geltung haben soll. Die Grundlage für den Friedensschluß, Mtwg, IS. Mül lSll. der damit eingeleitet sein dürfte, ist die Demission Diaz' und des früheren Vizepräsidenten Torral. — Es wird gemeldet: Ne» York, 18. Mai. (Tel.) Zn dem gestern am Krankenbett des Präsidenten Diaz abgehaltenen Min ist errat wurden Madero folgende Frie densbedingungen angeboten: „Diaz und der frühere Vizepräsident Torral treten noch vor dem 31. Mai zurück. Minister de la Barra übernimmt die provisorische Präsidentschaft. Madero ist sein Haupt berater bis zu: Präsidentenwahl. De la Barra ernennt den Knegsminister und den Minister des Aeußern, die übrigen Minister werden von Barra und Madero gemeinsam ernannt." Diaz' Unterhändler in Juarez Tarbajal und Uadero wurden sofort von dem Beschlüße des Mi nisterrats verständigt und schlossen aufs neue einen fünftägigen Waffenstillstand ab. Die beiderseitigen Truppenvormärjche sind einstweilen ein gestellt und alle Nebellenführer und Regierungs generale von dem Waffenstillstand in Kenntnis gesetzt wottren. Ueber die neue Regierung wird telegraphiert: London, 18. Mal. (Tel.) Der Minister der auswärtigen Angelegenheiten de la Barra wird Präsident. Das Kabinett tritt zurück und die Ministerportefeuilles werden im Einverständnis mit Madero und de la Barra verteilt werden, doch heißt es. daß alle Minister bleiben, mit Ausnahme des Ministers des Innern, des Justiz- und Kriegs ministers. Das Innere soll Vasquez Gomez erhallen, der Kandidat der Maderisten bei der Prä sidentenwahl. Justizminister soll Vasquez Taale werden. Zum Kriegsminister wird Bri gadegeneral Jvs6 Gonzalez Salas ernannt werden, der bei beiden Parteien persona «rata und mit Maderos Familie verwandt ist. Für die größten Staaten der Republik sollen eine Reihe neuer Gouverneure ernannt werden. Dem Kongreß geht ein politischer Amnestieakt zu. Weiter wird gemeldet: London, 18. Mai. (Tel.) Einer Meldung des Rerterschen Bureaus aus Mexiko zufolge wird, wenn Diaz abdankt, Madero der Hauptberater des interimistischen Präsidenten de la Barra. Dies wird als die tatsächliche Einrichtung einer gemein samen Präsidentschaft betrachtet, die bis zu den in sechs Monaten statt findenden Wahlen dauern wird. Die Sitzung des Kabinettrats, in der der Ver zicht des Präsrdenten Diaz angekündigt wurde, war sehr ergreifend. Der bejahrte Präsident lag im Vorzimmer mit geschwollenem Gesicht im Bett und litt unter heftigen Schmerzen. — Nach einer Mel dung von autoritativer Seite verläßt Diaz das Land nicht. Er fürchtet seine Landsleute nicht, da keine Feindschaft gegen ihn bestehl. Das Ge schäftsleben hat sehr unter dem Krieg gelitten. Ein allgemeines Friedensbedürfnis herrscht unter der Bevölkerung. Die Waffenstillstandsbedingungen enthalten die Neutralisation der Eisen bahnen und Telegraphen. Theater unü Konzerte. Leipzig, 19. Mai. Altes Theater. So sonderbar es srin mag, ist's doch Tatsache — „Der ErafvonLuxemhurg" ging gestern einer neuen Angele nach. Man konnte seinen Geschmack nur billigen. Denn Frl. Elsa Zschoppe — so. und nicht Didier hieß sie — machte eine feine, schlanke Figur, wußte ihre Festrobe ele gant zu tragen und sich frei und natürlich zu geben. Eine noch schärfere Pointierung einzelner Stellen des Dialogs wäre notwendig gewesen. Dafür ent schädigte die wohllautende, gut gebildete, nur in der Höhe mit einiger Vorsicht zu gebrauchende Stimme. Die Sängerin schlug mehrere Male Dc- fühlstöne an, die man hätte für echt halten können, hätte man sich nicht in der Operette gewußt. Sollte die mit Beifall begrüßte Gästin das Hamburger Operettentheater mit unserer Bühne vertauschen sollen und wollen, so wäre kaum etwas dagegen ein zuwenden. e. s. Letzte Loksl-Nachrichten. Leipzig, 19. Mai. * Beim Gondeln verunglückt. Zn der Näh« der Hakenbrücke wurde gestern abend die Leiche einer un- Snltav Mahler P V. Wien, 18. Mai. (Eigene Drahtmeldung.) Gustav Mahler ist heute abend kurz nach 11 Uhr gestorben. Mit Gustav Mahler hat die musikalische Welt einen ihrer bedeutendsten, feinsinnigsten Dirigen ten verloren. Nicht in gleichem Maß« hat er sich die Anerkennung der Fachleute als Komponist xu erwerben gewußt. Es bat nicht an Männern gefehlt, die ihn als solchen seyr hoch einschätzten. Schrieb doch u. a. einst Dr. Göhler, der ja jederzeit in Wort und Tat für Mahler mit Begeisterung eingetreren, daß er der einzige lebende Musiker sei, der sich an die höchsten Aufgaben mit unerschütterlichem Ernst gewagt und dessen Schaffen eine stetige Entwicklung, eine immer entschiedenere Konzentration, eine immer größere Vertiefung zeigt. Doch machten sich daneben auch Stimmen geltend, die ihm die Fähigkeit, tiefes, echtes Empfinden in Tönen zum Ausdruck zu bringen, mehr oder weniger absprachen. Man lese nur, was Rudolf Louis in seinem Buch „Ueber die deutsche Musik der Gegenwart" oder was Storck in dem Ar tikel eines Türmerhestes „Aus der neuen sinfon'.schen Literatur" über ihn schreiben. Wie dem auch sei. auf jeden Fall ist mit Mahler eine Künstlerpersünlrchkeit, eine Individualität von uns gegangen an denen unsere Zeit wahrlich nicht reich ist, ein Meister der Farbe, der es verstand, höchst charakteristische Mischungen durch Zusammensaßen einzelner, den verschiedenen Klanggruppen an gehörender Farben xu erzielen. Dabei war ihm die Kunst der Farbengebung niemals Selbstzweck. Seine Musik will „Ausdruck innerlich seelischer Vorgänge" sein. In der reinen Darstellung der Ideen besteht nach seiner Meinung einzig und allein die Aufgabe der sinfonischen Munk. Immer war er bemüht, sich mit den höchsten Lebensproblemen auseinanderzu setzen. Nicht selten bedurfte er dazu eines großen technischen Apparates. Mag Dr. Göhler auch zu weit gehen, wenn er sagt, daß es keinen Komponisten gibt, bei dem der künstlerische Vorwurf und die gewählten Darstellungsmitrel so durchaus adäquat sind wie bei Mahler, so läßt sich doch behaupten, daß es ihm nicht darauf ankam, gesuchte Klangeffekte oder Jnstru.nen- tationskunststückchen aneinanderzureihen und dadurch zu wirken daß er vielmehr bestrebt war, die in seiner Musik niedergelgtcn Gefühle und Stimmungen in das ihnen geeignetste musikalische Gewand zu kleiden. Wer Mahler als Komponist verstehen will, muß sich zunächst mit seinen Liedern bekannt machen, und zwar zuerst mit den kleineren mit Klavierbegleitung und sodann mit den größeren mit Orchesterdegl-ttung, die sich in drei nach Stil und Stimmung durchaus von einander verschiedene Gruppen gliedern: in die nach eigenen Dichtungen bereits 1883 komponierten „Lieder eines fahrenden Gesellen", die Lieder nach des Knaben Wunderhorn und die nach RückertsHen Dichtungen. Mahler war der erst«, der es versuch Lieder mit Orchesterbegleitung zu schreiben. Er demnach als der Schöofer dieser Gattung anzusehen, von denen Dr. Göhler, der ja in dankenswerter Weise im Rohmen der Konzerte der Musikalischen Gesellschaft auch die Bekanntschaft der Vierten Sin- fonie vermittelte, die „Lieder eines fahrenden Ge sellen" und di« „Kindertotenlieder" erstmalig in Leipzig zur Aufführung brachte. Es sind dies äußerst stimmungsvolle, fast durchweg melancholisch ooge- stimmte Gesänge von großem Klangretz und Schön heit der Instrumentation, di« als eine Me.sterlelstung in der Orchesterkunst zu bezeichnen ist. Zn ihnen weist er der Mukik eine bedeutsame Rolle zu. Eie soll nach seiner Ansicht den Worten nicht bloß nahe te, isL kommen, sondern unendlich viel mehr kundgeben, als diese vermögen. Mahlers „Lieder eines fahrenden Gesellen" find aber auch insofern von Bedeutung, da sie als Keime seines sinfonischen Schaffens zu bezeichnen sind. Aus ihnen, aus ihrer Thematik sowohl wie aus ihrer ganzen Stimmung heraus, entwickelte sich die erste Sinfonie. „Mein Bedürfnis", sagt Mahler, „mich sinfonisch auszusprechen, beginnt da, wo die dunkleren Gefühle walten, also sozusagen an der Pforte, die in die „andere Welt" hineinführt, die Welt, in der die Dinge nicht mehr durch Zeit und Art ausein anderfallen." In seinen acht hinterlaßriren Sin fonien, von denen dre letzte unter Mitwirkung unse res Riedelvereins in München ihre Uraufführung er lebte, bedient er sich der Sprache Beethovens, Berlioz', Wagners, Bruckners. Letzterer hat auch die Form seiner sinfonischen Werke rn einer Weise beeinflußt, baß sie ohne ihn kaum denkbar ist. Es zeigt sich dies um so deutlicher, je mehr Mahler das Gebiet der Programmusik verläßt und sich dem der absoluten Musik zuwendet. Deutlichkeit, unter der er Durch sichtigkeit der sublimsten Geistigkeit jedes Werkes verstanden wißen will, ist ihm alles rn der Musik. Eminentes Können, aufs feinste ausgebildeter musi kalischer Farbensinn und hohes klangliches Schönheits gefühl laßen sein« Werke erkennen, die von subjek tivem Erleben künden, daher ein Abbild seiner Per sönlichkeit, ein Stück Selbstbiographie sind. Mahlers Musik wurzelt in der Heimat. Gar oft geht er aufs Volkslied zurück, läßt schlichte, innige Weisen er klingen, die wohl aus alten Wanderliedern, au« Lie dern der Soldaten und Mägde, wie sie der vier jährige Knabe in sehr großer Zahl zu singen wußte, entnommen sind. Als Sohn eines in sehr bescheidenen Verhältnissen lebenden Kaufmanns wurde Mahler am 7. Zuli 1860 — so wird wenigsten» allgemein angenommen, ob wohl die Eltern den 1. Zuli als Geburtstag an geben —, in dem kleinen Orte Kalischt in Böhmen geboren. Nachdem er das Gymnasium zu Zglau und Prag besucht, wandte er sich nach Wien, um hier auf der Universität seine humanistischen, am Konserva torium als Schüler Bruckners sein« musikalischen Studien sortzujetzen und zu vollenden. Mir zwanzig Jahren bereits beginnt die Zeit seiner Wander fahrten als Kapellmeister. Wir finden ihn zuerst in Hall (Ober-Oesterreich), dann in Laibach, Olmütz, 1885 ein« Zeitlang als Vereinsdirigent in Kassel, sodann als Opernkapellmeister in Prag, wohin ihn Angelo Neumann berufen, wo er den Nibelungsn- rina einstudierte, doch auch Mozarts Wert« oucge- zeichnet auszulegen verstand, so daß Brabms jeden, der Mozart gut hören wollt«, zu Mahler schickte. Von 1886 ad war er zwei Jahr« als zweit«: Kapellmeister in unserer Stadt eifrig und mit großem Erfolg tätig, leitete sogar in Vertretung Nikrschs die Oper sechs Monate ganz allein. Hier vollendete er auch die non Weber hinterlassenen Entwürfe und Skizzen.zu der komischen Oper „Die drei Pintos", die er dann auch bald zur Ausführung bracht«. Danach erwarb er sich in Pest als Operndirektor große Verdienste, folgte sodann einem Rufe als erster Kapellmeister an das Hamburger Etadttheater (1891—97), ging während dieser Zeit als Gastdirigent viel auf R«is«n, um schließlich das Amt eines Direktors der Wiener Hofoper zu übernehmen, das er aber nach lOjähriger Tätigkeit wieder aufgab. Seit 1909 ist er Leiter de» Philharmonischen Orchesters in New Pork. Auch dort ist, mit Schnitzler zu reden, der Mann der deutschen Grübelei, der Mystik und des faustischen Ringens, der große Idealist in einer Weise geehrt und gefeiert worden, wie es ein Dirigent von der Bedeutung Mahlers durchaus verdient. Ourt Herrn Lwo. Lu, kMiir moikk 8. k'efer-Lsil' 6.