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«ich vmen und außen aeschlossen., neschlossen auch ,ur Abwehr ultramontaner Angriffe. Weiter berichtete Herr Psarr Schaar- jchmidt au« Dur in Böhmen, einer der ältesten und er- tayrenstea Arbeiter in der Evangelisations-Arbeit in Oesterreich, über: »Sech« Lehr- und Arbeftsjahr« in der Lo« von Nom- betveauug". Der Redner teilt« put, dab die evangelische Bewegung in Oesterreich sich jetzt in einem ernsten, kritischen Stadium befinde, weil di« römische Gegenbewegung jeden Tag shsteuia- tischer und erfolgreicher vorgehe, weil eine Lauheit unter dem Vvlkc der flammenden Begeisterung gefolgt sei und weil infolgedessen so mancher Führer der Bewegung müde würde. Trotzdem glaubt« der Redner auf Grund von Tatsachen an ferneren Segen und Sieg der Lo« von Rom-Beivegung in Oesterreich. Im Anschluß an diesen Bortraa sang der Ehor Julius Ottos .Da» treue, deutsche Herz", und dann sprach der Vorsitzende de» Landesvereins, Herr Kircheiirat Superintendent I). ttiool. Meyer-Zwickau, mit hinreißender Wärme und getragen vom Feuer echt lutherischer Begeisterung das Schlußwort. Der ge meinsame Gesang des Lutherliedes bildete den Schluß der Ver sammlung. Dem JahresberichtcdesLand es Vereins aus die Zeit vom 1. Mai 19<Ki bis zum 30. April 1905 »vor zu entnehmen, daß der Landesverein in dieser Zeit um 24 neue Anzahl korporative Mitglieder mit etwa 2100t) Mitgliedern komme», so daß etwa 50 000 Personen im Königreiche Sachsen die Sache des Evangelischen Bundes vertreten. Ter sächsische Landesverein ist gegenwärtig der stärkste Landesvercin >,„ Evangelischen Bunde. Die Tätigkeit des Vorstandes erstreckte sich hauptsächlich auf den weiteren Ausbau der Preßtätigkeit innerhalb des Landesvereins, mit der Förderung und finan ziellen Unterstützung der evangelischen Bewegung und der evan- aelischen Kirche und mit der Vorbereitung der Bildung von Kreisverbänden. Als neues Organ gründete der Landesverein für sich den „Evangelischen Änndesbotcn für das Königreich Sachsen", Liebesgabe von 20 000 Mark, welche der Turner evangelischen Gemeinde in Böhmen, die nun demnächst ibre eigene Kirche ein weihen wird, zuslossen. Auch im übrigen ist die Sammlung für die evangelische Bewegung in Oesterreich lebhaft und erfolgreich betrieben worden. Einschließlich der große» Liebesgabe belief sich daS Resultat dieser Sammlungen aus etwa 58 000 Mark und 'war um rund 17000 Mark hoher als im Vorjahre. Die Gesamteinnahme des Landesvereins stellte sich auf 98 584 Mark, die Ausgabe auf 93 209 Mark. Die Summe der Stiftungen stieg um 3500 Mark aus 12 000 Mark. Auf die römischen Hl«, strevungen lvarf der LandeSvrrcm fortgesetzt ein scharfes Auge und ergriff in den verschiedensten Fällen Äbwehrmaßregeln. Auch in den Ortsgruppen uiid Zweigvereinen wurde lebhaft an der BimdeSsacbe gearbeitet. Am Montag trat der Landesverein zur Haupt versammlung zusammen. Nach gemeinsamem Gesänge und Gebete ergriff Herr Kirchenrat Superintendent O. Meyer- Zwickau das Wort zur Eröffnungsrede, in derselben folgendes ousführeich: Die Koblenzer Kafferrede, eine echt evangelische Tat, finde freudigen Widerhall in den Reihen des Evangelischen Bundes. So gelte die kafferliche Mahnung nicht dein Runde, sondern dem Ultramontanismus, von dem sie höchstwahrschein lich ungehört zurückkomme» werde. Der Evangelische Bund habe nie die Katholiken in ihrer Lehre und Uebcrzeuguna an gegriffen. Jedes solle nach Ansicht des Bundes das Heil in seiner Form suchen. Der Bund verlange, daß die römische Kirche auch di« evangelische Kirche als Werk Ehristi anerkennt. Dafür müsse der Evangelische Bund kämpfen iin Interesse des Friedens der Konfessionen. Bon römischer Seite sei freilich dieser Frieden kaum zu erwarten: um so mehr als der bayrische Wahlsieg des Zentrums den Ultraniontancn mächtig zu Kopfe gestiegen ist. Was dieser Sieg und die damit verbundene Herr- säiast im zweitgrößten deutschen Bundesstaate bedeutet, zeigte der Redner an Erinnerungen an die ultraiiwiitane Acra Abel in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts in Bayern. Tic ultramontan« Herrschaft in Bayern werde vorbildlich für die Ultramontanen des Reiches sein und deshalb sei Wachsamkeit und festes Zusammenstchen der protestantischen Staaten Deutsch lands notwendig. In erster Linie rechne man hierbei auf das evangelische Sachsen. Hier seien Regierung, Landtag und Volk eins in dem Bestreben, das Erbe der Reformation zu wahren. Und das mackp: den Haß der Römischen gegen Sachsen begreif lich, oblvohl die Katholiken nicht vergessen sollten, daß sie gerade in Sachsen mit aller Nachsicht und Feinfühligkeit behandelt wer den. Daß Sachsen ein starkes Gegengewicht gehen das durch das Zentrum veraewaltigte Bayern bildet, sei ein Legen für das Reich, an dem die Sachsen mit ganz besonderer Zähigkeit hängen. Die evangelische Kircl>e mache gegenwärtig einen Um- bildungsprozeß durch, der vielfach als Zersetznngsprozcß be trachtet, .aber keineswegs ein solcher sei: in.diesem schweren Stadium müsse gerade die sächsische evangelische Kirche aus gleichend zwischen den besonders im Norden austretende» Extremen wirken. Sachsen habe auch die größten Opfer für die Fortsetzung der Reformation gebracht unter den sämtlichen deuftchen Staaten. Freilich könne auch hier noch manches mehr getan werden. Weiter wies der Redner die Notwendigkeit des Evangelischen Bundes nach, der die Ausgabe habe, den stramm evangelischen Sinn der Sachsen rege zu erhalten und auszu- brcikcn, zum Wohls des Sachscnlandes und des Deutschen Reiches. Wenn einst der Pavismus in seinen Macktgclnstcn im Reiche besiegt ist. werde die Geschichte sagen: „In dem Kampfe um die volle Ausbreitung des Segens der Reformation Kol das protestantische Sachsen vorangestanden. Es hat unter Anregung des Evangelischen Bundes wacker gefachten. Heil unser Sachsen!" — Nach Erledigung verschiedener geschäftlicher Arbeiten berichtete Herr Pastor H. Müller aus Zwickau Pdann über den Antrag, betreffend die Bedingungen ür die Ausübung des Patronats über evange- isch »lutherische Kirchen. — Ein freier Ausschuß zur Förderung der Bekämpfung der Schwindsucht, der unter dem Vorsitze des Herrn Ober bürgermeisters Beutler liier zusammengetreten ist. bat sich die Gründung »nd Unlerbaltnng von zwei Fürimgestelle» für Lungen kranke in Dresden zur Ausgabe gestellt Ihre Majestät die Königin- Witwe, der Albertverein und die städtischen Kollegien haben diesem hochbcdentsamen Unternehmen bereits nninhasle Un>erstiib»»g ge währt Da aber lehr große Mittel zu einer uiiisnssende» Füiwrge gebraucht werden, wendet sich der Ausschuß mit einem Ausrufe an die Wohltätigkeit der Bürgerschaft, die ui» freiwillige Beiträge ersucht wird. Die Fürsorgcstellcn sollen nicht in die ärztliche Behandlung der Kranken cingreiscn, sondern Zentralstellen für lMienische Hilfeleistung und praktische Unterstützung Erkrankter unb für Beratung und Belehrung Gefährdeter sein. Freiwillige Geldbeiträge werden möglichst laufend auf zwei Jahre erbeten. Die Geschäftsstelle unseres Mattes ist zur Entgegennahme von Geldbeiträge» bereit. — Der in der Landesanstalt Bautzen internierte Bankier Viktor Hahn hat, um die Erörterung der Frage über die weitere Belastung der chm verliehenen Auszeichnungen abzu- schneiden, nunmehr auch das ihm seinerzeit vom König ver liehene Ritterkreuz I. Klaffe des Albrechtsordens freiwillig zurückgegebcn, nachdem er schon vor einiger Zeit das Er nennungsdekret zum Geh. Kommerzienrat ebenfalls wieder aus- gehändigt hat. — Der Schulgemeinde Wilthen sind 5000 Mk. anS Staats mitteln zu de» Kosten des Schulbaues bewilligt worden. AuS den amtlichen Bekanntmachungen. Die König!. Landesbrandversicherungskasse ist wegen Reinigung der Geschäftsräume am 22. und 23. dieses Monats für den Kasscnverkeyr geschlossen. Vom 25. September ab werden die G o t t s r i e d K e l l e r- Strahe, zwischen Warthaer Straße und Flurgrenze mit Briesnitz, wegen Schotterdeckenerncuerung, die Hohe Straße, zwischen Daheim- und Ringstraße, und die Heidenauer Straße, zwischen Parzelle 284 und Wecscn- steiner Straße, wegen Hanptschlcusenbau auf die Dauer der Arbeiten für den Fahr- und Reitverkehr gesperrt. — Mit der Schotterdeckenerncuerung in der Burgsdorfs-Straße, zwischen Großenhainer und Reichenberger Straße, und mit dem Kanalbau in der Weesensteiner Straße, zwischen Heidenauer und Altenberger Straße, soll am 2. Oktober be- gönnen werden. Uever de« sozialdemokratische« Parteitag wird uns weiter vom 17. d. M- berichtet: Im großen Saale des Jenenser Volkshaules wurden beut« abend die Verhandlungen des sozialdemokratischen Parteitages mit einer überaus stark besuchten Begrüßungsversammlung em- gelcitet. Der prächtige Versammlungsraum, den die Zeiß- Stistung ebenso wie alle» anderen Parteien auch der Sozial demokratie kostenlos zur Verfügung gestellt bat, ist von den Jenenser Parteigenossen auf das festlichste geschmückt. Auch bei der Ausschmückung des Sitzungssaales hat man diese» Mal ausiallig viel Rot ausgetragc». Der Hintergrund der Bühne, dos Rednerpult, die Galerien, alles ist mit rotem Tuch ousgeschlagen. Sogar die Delegicrtentische hat mau außerdem »och mit großen Vasen voll bluiiglvler Chrysanthemen geschmückt. Selbst die Prcssctische sind in ver- schwenderischer Fülle damit bedacht worden. Vor dem Redner pulte, in einem Lvrbeerhain, erhebt sich die Allste von Karl Marx, im Hintergründe die von Lassalle und Liebknecht. Das Lokal-Komitee hat das mit Lorbeer umkrünzte Bild des verstorbe nen Stifters des VolkshauieS, Franz Abbe, auf dem Präsidenten- lische zur Aufstellung gebracht. Bemcrkenswerterweise fehlen diesmal alle Inschriften und Sprüche, worin ans früheren sozial demokratischen Parteitagen die sozialistisch« Poesie wahre Orgien zu feiern pflegte. Nur die Stirnwand des Saales meist eine Dekoration ebenfalls in roter Farbe mit der Inschrift aus: „Freiheit, Gleichheit. Brüderlichkeit". Zahlreicher denn je ist diesmal die Preise vertreten, lieber 70 Journalisten aus dem In- und Auslande sind erschienen, darunter Vertreter des „Temps" und des „Figaro", ferner ein Vertreter der „Äuence Havas", des sranzoßschen offiziösen Telegraphenbureans. Weiter sieht man den Reichslagsahgeordnclen Hello o. Gerlach, sowie Vertreter der russischen, der italienischen und österreichischen sozialistische» Presse. Interessant ist, daß jedem Delegierten eine Druckschrift auf den Platz gelegt ist, die von den Breslauer Parteigenossen dem Parteitage zur Organisations-Debatte unter breitet ist. Die Druckschrift enthält aus dem Titelblatt folgende Angaben: „Organisation des Äolksvereins für daS katholische Teiilschland un Jahre 1905 : 475 000 Mitglieder, Jahresbeitrag I Mk.". Durch fette Ueberschristen ist aus dem von dem General direktor Dr. Pieper auf dem Straßburger Katholikentage erstatte ten Geschäftsbericht hcrvorgehoben, daß dieser Volksverein 33 be soldete Beamte und 15 000 Vertrauensmänner besitzt, daß er 2000 Volksversammlungen abochaltcn hat, ferner 5 Zentrunisredner- schulen unterhält, 27 Millionen Flugblätter verbreitet hat und 384 Zentruinsblätter unterstützt. Der Nückichluß auf den Punkt Organisation des Parteitages ist leicht zu ziehen: die Breslauer Genossenstellen den Volksverein für das katholische Deutschland als das Muster und Vorbild einer zentralistischen Organisation über ganz Deutschland hin. — Tie Eröffnung der Veriammlung verzögerte sich, da die Parteiführer erst nach und nach erschienen. Auch war eine vertrauliche Sitzung des Vereins ,,Arbeiter presse" im Lause des Nachmittags der Eröfsnungsveriammlung voraufgegangen. Zu Beginn der Sitzung stand man in Gruppen zusammen und debattierte eifrig über den voraussichtlichen Gang der Verhandlungen. Man möchte ein zweites Dresden vermeiden. Ein Blick auf die Kampshähne zeigt jedoch, daß der Parteitag alles andere als einen ruhigen Verlaus nehmen wird. Eine dumpse Schwüle lag über dem Saal, als um 7 Uhr abends nach einem einleitenden Bcgrüßliiigslicd des Jenaer Arbeiter-Gesangvereins der Schlosser Hermann Leber als sozialdemokratischer Vertrauensmann der thüringischen Ge- nassen und zugleich als sozialdemokratischer Reichslaaskaudidai für die am 7. Dezember stattsindende Rcichstagsnachwabl in Eisenach das Wort nahm, um den Parteitag im Namen der thüringischen Genossen zu begrüße». Leber widmete dem ver storbenen Professor Abbö Worte des Tankes und der Erinne rung und kritisierte das Verhalten der Regierung in Sachscn- Weimar-Eiscnach gegenüber der Sozialdemokratie. Hierauf nahm, mit donnerndem, nicht cndenwollcndem Jubel begrüßt, Neichstagsabgeordncter August Bebel das Wort, um namens des Parteivorstandes den Parteitag zu eröffne». Er dankte für die durch Leber den Parteigenossen zu Teil gewordene Begrüßung. Bebel beschäftigte sich dann ebenfalls mit ver histo rischen Vergangenheit Jenas. Hier war eS, wo der Staat Friedrichs des Großen, wo der preußische Junkerstaat vor 100 Jahren zertrümmert und zerschlagen wurde. Jena und Auerstädt, das sind Tage, die Preußen in Stücke schlugen, es nach Tilstt drängten und dort zu einem schmachvollen Frieden nötigten, jenem Tilsit, das auch in anderer Hinsicht uns schmäh liche Dinge in jeder Form gezeigt hat. In Jena haben sich die preußischen Jun'cr in ihrer ganzen Erbärmlichkeit gezeigt. Selbst Auerstädt hätte den preußischen Staat noch nicht ver nichtet, wenn die Junker nicht später in feigster, elendester Weise zu Kreuze gekrochen wären, sobald nur Napoleon oder seine Schar sich vor den Toren der preußischen Festungen zeigte. Damals erkannte selbst ein Friedrich Wilhelm III., daß mit diesem Junkcrtnm kein Staat zu machen sei, und Leute, wie Stein, Scharnhorst, Gncisenau, mußten die Grundlagen schassen, ans denen es 1813 gelang, den Kamps gegen Napoleon auf der ganzen Linie aufznnehmen. Man hätte meinen sollen, daß die Monarchie die schweren Stunden von damals, die ihr die Junker bereitet haben, nicht vergessen würde. Aber was ist eine Monarchie ohne de» Feudalismus. Es geht nicht, daß eine Monarchie ohne ein Zwischenglied bleibt, wie es die Junker bilden, die die Sünden der Monarchie im gegebenen Moment ans sich nehmen. Alle jene erbärmlichen Vorgänge wurden vergessen, und nach 15 Jahren waren die Junker wiederum vollständig im Besitze der Macht. Erst im Jahre 1849 trat eine kleine Acndernng ein, aber das deutsche Bürgertum war schon damals zu unfähig, uni eine vernichtende Revolution zu machen. Das Junkertum kam wieder zur Macht und ist seit jener Zeit bis heute mehr und mehr zur herrschenden Macht im Staate geworden. Als dann gewisse liberalisierende Wege einaeschlagcn wurde», als die Gcwerbe- treiheit, die Freizügigkeit lamen, wußten die Junker wiederum, sich diese Einrichtungen in erster Linie zu nutze zu machen. Tann kam die groß« Krise in Bezug auf die Handelsgesetzgebung, und von 1879 bis heule sehen mir, wie die Junker in erster Linie die Lebensmittelverteuerung betreiben. Heute stehen die Dinge sogar so, das; das deutsche Bürgertum au? das deutsche Junker tum als an; seine letzte Stütze hofft. lPfnirnfc.I Wir werden „ns darüber in den nächsten Tagen ja ausführlich unterhalten. Und wenn jemals wieder das Lob gesungen werden sollte, werden wir ansstchen und sagen: Das bei Jena »nd Auerstädt nicdcr- geworseue Jnnkerliii» bildet für die Agrarbewegung in Deutsch land das eigeiftlichc Rückgrat, ibm haben wir die Fleischvcrtciie- rung »nt in erster Linie zu danken. Ohne das preußische Junker tum wäre eine solche Reaktion, wie wir sie heute in Deutschland .sehen, einfach nicht denkbar. Bebel wandte sich dann dem Zarismus zu. Die Ereignisse in Ostasien haben gezeigt, wie das russische Kaiserreich, „vor dem das große, mächtige Deutschland bis in die letzte Zeit hinein wie ein Schuhputzer auf den Knicen rutschte" sPfuirufe), von dem kleinen Japan Hiebe erhalte» hat. Meiner Ansicht nach bedeutet der Friede nsschluß, der gleichzeitig mit dem englischen Bünd nis Hand in Hand ging, für Japan «inen neuen Sieg. Mögen die bürgerlichen Blätter auch anders darüber urteilen. Japan ist ein moderner kapitalistischer Staat geworden mit all seinen Fehlern »nd Vorzügen. Rußland kann für absehbare Zeit keinen festen Fuß im Osten fassen. Das bedeutet, daß das russische Schwergewicht wieder nach dem Westen dränge» wird. Dos alte Rußland kann aber niemals wieder anslcben, und es wird hoffent lich unseren Parteigenossen, den russischen Revolutionären, ge lingen, aus Rußland einen halbwegs modernen Staat zu machen. Rußland war 30 Jahre hindurch der Schiedsrichter Europas. Seine Armee, seine Flotte sind jetzt aus längere Zeit gebrochen. Aber, Parteigenossen, man sollte es nicht meinen, daß dieser für Deutschland durch den ostasialijchen Krieg geschaffene günstige Zustand durch daS unglaubliche Ungeschick der dcnlschcn Staats männer nicht ausgenützt, sondern in daS Gegenteil verkehrt worden ist. Der Zweibund war in seiner Aktionsfähigkeit ge- krochen, aber unsere samosen Staatsmänner haben es zuwege gebracht, daß sich zur selben Zeit ein neuer Zwcibund, Frank reich-England, gebildet hat. Das ist die Folge unserer Mnrokkopolirik, der Reise nach Tanger, der bekannten Drohungen und der Anfrage an den Gcncralstab, ob wir gerüstet seien. Während man meiner Ucberzeugung nach keinen Augenblick geglaubt oder gewollt hat. daß es zum Kriege komme, hat man in Frankreich den Glauben z» erwecken versucht, Deutschland wolle Frankreich, wie 1670, überfallen. Auch das Austreten unsere« Genoffen Jaurb« wurde davon beeinffutzt. Wir werden unö ja im Reichstage noch weiter mit dem Fürsten Bülow darüber unterhalten. Jedenfalls zeigen alle diese Vorgänge, an welchem Zwirnsfaden die Geschicke der Völker noch hängen und wie. despotisch wir »och regiert werden. Die Wirkuim dieser Politik ist. daß Deutschland vollständig isoliert ist. Während so die Situation nach außen die denkbarst zerfahrenste ist. er hebt im Inneren die Reaktion immer schamloser ihr Haupt. Wir habe» ja gesehen, wie vom Ministersessel selbst die Fleisch notfrage in der frivolsten Weise verhöhnt worden ist. In Hamburg, Lübeck ist die Reaktion mehr am Werke denn je. das Unternehmertum geht so rücksichtslos vor wie nie zuvoi. Parteigenossen, wir find noch nicht über den Berg, sondern noch mehr wie je vor dem Berg. Deshalb heißt es zusammen zu hal ten^ damit wir für die kommenden Kämpfe gerüstet sind. Wen» diele Grundsätze uns leiten, dann werden unsere Gegner schwer getäuscht werden. Gegensätze, die vorhanden sind, sollen nicht ausgcschieden werden. Aber ich glaube, daß wir sie i» einer Form zm» Ansirag bringen müssen, die den Gegnern keinen Grund gibt, a» eine Uneinigkeit in der Partei zu glauben. .Wir werden zeigen, daß die Sozialdemokratie sich ihrer historischen Ausgabe bewußt ist. Damit erkläre ich den Parteitag für er- ösffict. lStürmischer Beifalls Zu Vorsitzenden des Parteitages werden hieraus Singer und Leber-Jena gewählt. Abgeordneter Singer übernahm den Vorsitz mit dem Wunsch, daß die bevorstehenden Verhandlungen und Auseinandersetzungen >» einem Tone gc- sührl werden mögen, ivie er der größten Partei des Deutschen Reiches würdig sei. (Grosser Beifall.> Damit werde man den Parteigenossen eine Befriedigung, den Gegnern eine Enttäuschung bereiten. Dann wurde die Tagesordnung festgesetzt. An erster Stelle steht morgen die O r g a » i s a t i o n S; r a g c. Die übrige Tagesordnung blieb unverändert. Es folgte ein Kommers. Am ersten Verhandlungslag am Montag erössnete Abg. Singer die Sitzung mit der Begrüßung der Delegierten der ausländischen Parteien. Ban dem Parteivorstand waren in zwischen dem Parteitage einige Resolutionen unterbreitet worden. Die erste betraf die Redeverbote gegen die Parteigenossen Adler-Wien, Grcnüch-Zürich, Janrös-Paris uns Todeschini-Dinin und besagt: Das Redeverbot. daS durch den Brief des deutschen Reichskanzlers an den deutschen Botschafter in Paris dem Parteigenossen Janrds in Aussicht gestellt wurde, falls er am 9. Juli dieses Jahres in der von den Parteigei'osien einberufcnen Versammlung auslreten würde, sowie die Rede verbote, die die badische Regierung am gleichen Tage gegen die Genossen Adler, Greulich und Dodcschini anläßlich der inter nationalen Zusammenkunft in Konstanz ausgesprochen hat. sind Zeichen der politischen Rückständigkeit Deiitichlands und haben zu einer Bloßstellung schlimnister Art der betreffenden Re- aierungsorgane geführt. DaS Deutsche Reich hat sich mit diesen Verbote» in der ganzen West der Lächerlichkeit preiSgcacben. Der Parteitag verurteilt dieses Vorgehen deshalb beson ders scharf. weil die beiden Versammlungen dazu bestimmt waren, das Mißtrauen der Völker gegeneinander nach Möglichkeit z» beseitigen und die Versicherung abzngebcn. das; es die deutsche Arbeiterklasse und ganz besonders die deutsche Sozialdemokratie ist, die es alle Zeit als ihre vornehmste Ausgabe ansicht, dem Kriege, gegen welches Volk er auch immer provo ziert werden sollte, den Krieg zu erklären. — Tie zweite Resolution betrisst die F l e i s ch v e r t e u c r n n g und lautet: Tie Tatsache, daß große Schichten der Bevölkerung mebr als jemals zuvor unter einer furchtbaren Vertencr»»g des Fleisches zu leiden haben, bedeutet für die betreffenden Schichten des Volkes eine schwere Bedrückung und führt zu einer Uiftercmähniiig, die von den verhängnisvollsten Folgen für die körperliche und geistige Entwicklung und sift das Gemcinwohl ist Sie ist die Wirkung einer agrarischen Ranbpolitik, die die berrschenden Klaffen und, voi; diesen gedrängt, die Negierung trotz aller Warnungen und Mahnungen betreiben. Ter Parteitag spricht über diese Elend und Verderben brinaciidc Politik seine Empörung aus. Er verlangt die sokortige O c s f n u n g sämtlicher Grenzen unter loyaler Anwendung sanitärer Vorsichtsmaßregeln, die Aushebung des absoluten Verbots der Einfuhr von ousländischcm Fleisch, wie Zunge. Corned-Bect n s. w. »nd betrachlet den Vvrwond, daß diese Waren gesundheitSschädtich seien, als dadurch widerlegt, daß die Deutschland benachbarten Staaten diese Waren ohne nach teilige Folgen genießen. Daß ferner ei» Minister im größten Staate Deutschlands, in Preußen, die Forderungen zur Linderung der Fleischnot mit einer an Frivolität grenzenden Leichtfertigkeit zu bcontwortcn für gut befuiwen und dadurch den tiefsten Un willen der weitesten Kreise der Bevölkerung erregt hat, hat wieder einmal den Charakter der vrrnßische» Regierung als den eines Klasscnstantcs ans daS eklatanteste bestätigt. Ter Parteitag richtet an die Parteigenossen die Aufforderung, soweit es noch nicht geschehen sein sollte, sofort in eine energische Agitation für Maßnahmen im Sinne der Resolution einzntrrten. — Die dritte Resolution betrifft eine Friedens- »nd Freund- schnstscrklärnng der englischen Parteigenossen »nd Gewerkschaften. Hierauf wurde in die Verhandlung über den Punkt „O r g a n i s a t i o n" eingetreic». Ter ^Berichterstatter Abg. v. Volkmar hob einleitend hervor, die Parteigenossen möchten nicht erschrecken, wenn sein Referat etwas lang werden würde. Vollmar sprach seine Genugtuung über die rege Anteilnahme der Parteigenossen ans. Hier handelte es sich um eine interne, ties einschneidende Frage, »nd an der Erörterung haben sich nicht bloß einige obere Partcikrcise beteiligt, sondern die gesamte Partei hat mitqcarbcitet. Die Bewältigung der Ausgabe lvar eine sehr schwierige, da man einerseits eine straffe Organisation wollte, anderseits aber zu vermeiden liatte, daß die Freiheit in der Partei anactastet würde. Vollmar ging dann auf die pack; Hunderten zählenden Anträge ausführlich ein. Von ganz her vorragender Vcdcntima sei der 8 7 des Entwurfs, der von der bisherigen losen Organisation ganz abgcht und die Wahlvereinc künftig als die Grundlage der Organisation betrachtet wissen will. Alle Antragsteller seien mit dieftm Prinzip einverstanden, nur Schaumbnrg-Lippc habe einen anderen Vorschlag gemuckt. Tanesgeschichte. Zur nordischen Nnionskrisis. Ileberall in Schweden sind, wie in der Hauptstadt, dis Nachrichten aus Karlstad, durch welcbe die Hoffnung aus^ eine friedliche und zufriedenstellende L ö s » n g der großen Streit fragen gegeben ist, mit freudige» Gefühlen ausgenommen worden^ wenn sich auch die Freude ans Unkenntnis über das jetzige Ergebnis der Verliandlnngcn nicht in übereinstimmender Weise kn »dockt. Das norwegische in Ehristiania er scheinende „Daablad" schreibt: Alles empfindet jetzt Erleich, tcriing infolge der FriedcnsauSsickftcn, doch werden gleichzeitig viele denken: „Wenn nur der Friede nicht zu »euer erkauft ist, und wenn man nur auf ihn bauen kann." — Wie ernst die Loge tatsächlich gewesen ist, geht aus folgender Meldung des „SvenSra TelegramuBvran" hervor; Es verlautet ans bester -Quelle. daß in Norwegen, wie anS übereinstimmenden Berichten von Reuen den hervorgeht, in der letzten Woche ausgedehnte militäriiche Maßnahmen getrosten worden sind. Fast alle Truppen im mittleren Norwegen und in den Bezirken gegen die schwedische Grenze zu scheinen mobilisiert zu sein und werden nack, der Grenze gebracht. Die Stockholmer Zeitung „Dagen" schreibt: Die Meldungen welche von verschiedenen Seiten über M o b i l i s i e rungs maßnab m c n und Trnppenversendiingcn in N » r Wege n kommen, sprechen keine allzu friedliche und brüderliche Sprache Die schwedische Negierung muß erwägen, weiche Maßregeln an läßlich der norwcaüchen kriegerischen Veranstaltungen zu fassen sind. — „Stockholms Tidningcn" sagt: Norwegens kriegerischer Aufmarsch an der Grenze kann nur als Ausdruck für den Wunsch erklärt werden, uns bis auss äußerste aus die Probe zu stelle» und uns gegenüber der Gegenwart »nd der Geschichte zu demütigen. Liegt hinter den friedlichen Erklärungen aus Karl- stad keine Feindseligkeit, so muß die norwegische Mobilisierung binnen kurzer Zeit rückgängig gemacht werden. Wen» dies nicht geschieht, so ist es selbstverständlich, daß die Verbandlungen in Karlstad keinen Augenblick fortgesetzt werden dürfen. Deutsches Reich. An der am Sonntag nachmittag unter nommenen Aiftomobilsahrt in Homburg v. d. H. nahmen außer dem Kaiserpaarc auch das Kronprinzcnpaor und Prinz Adalbert teil. Um 7 Uhr reiste der Kaiser zu dreftäglgem Aufenthalt Dresdner Nachrichten. Nr. 280. Seite s. MW Dienstag. 11» September 1SV8