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Nr. 48 /reitag. Erscheint Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch alle Postanstal ten. Preis pro Quart. 10 Ngr. Ein unterhaltendes Wochenblatt für den Bürger und Landmann. 20 Juni 1856. . . - ; Weißeritz-Ieitung.M angenommen. Verantwortlicher Redacteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Zeitbetrachtnng. (Schluß.) Die Westmächte fordern den Abzug der Oesterreicher, und zwar blos aus dem Grunde, „damit der Völkerwille in seinen Aeußerungen nicht behindert sei." Der moldau ische Generaldivan hat am 24. Mai einstimmig den Wunsch beschlossen, daß beide Fürstenthümer vereinigt werden möchten. Rußland und Oesterreich find dagegen; nament lich sucht ersteres eine starke Vormauer gegen die Türkei zu verhindern. Vorläufig ist nur entschieden, daß beide HoSpodare der Donaufürstenthümer wirklich abtreten. Wem die erledigten Herrscherstühle gegeben werden sotten, dar über wird es noch viel Streit und Jntriguen geben. Die Westmächte haben noch keine rechte Lust, ihre Truppen vollständig aus der Türkei zurückzurufen; denn ihre Anwesenheit sichert Einfluß und giebt die Füglichkeit, bei allen Eventualitäten gleich bei der Hand zu sein. An mehreren Orten der Türkei ist es zu blutigen Auftritten gekommen wegen der Durchführung der Gesetze zur Freiheit der Christen. Dies giebt den Weltmächten einen höchst will kommenen Vorwand, eine Abtheilung Truppen in der Türkei zu belassen. Offiziöse Stimmen der Westmächte sagen jetzt, daß es nothwendig sei, die Truppen noch einige Jahre dort zu lassen. Oesterreich ist darüber sehr unge halten und Rußland davon schlecht erbaut. In Griechenland hat sich der Einfluß Rußlands, so bald dieses die Hände frei im Osten hatte, wieder geltend gemacht. Als erstes Zeichen hiervon ist der Protest Grie chenlands gegen die fernere Occupation durch westmächt- liche Truppen zu betrachten. Man prophezeiht mehrere Konsequenzen jenes Schritts, nämlich Entlassung des grie chischen von den Westmächten beschützten Ministeriums und einen Staatsstreich zur Beschränkung der jetzigen Verfassung. Die Zeichen der bewegten Zeit schießen üppig empor, — wer aber sagt im einzelnen Falle, wie sie zu deuten? Ein Friede, nicht der Friede ist Europa gegeben. Die russische und preußische Diplomatie ist in voller Bewegung wegen des westmächtlich - österreichischen April vertrags. Man hat aber eine Anfrage an die betheiligten Höfe unterlassen, weil man voraussichtlich die höfliche Ant wort erhalten haben würde: jener Tractat schließt durchaus keinen unfreundlichen Gedanken in sich; man wolle nur der Sorgfalt für die Erhaltung der Türkei einen feier lichen Ausdruck verleihen. Oesterreich hat sich mit dem Westen verbunden und Rußland isolirt. Jene drei Ver bündete wollen nun als neue Auflage der heiligen Allianz die Geschicke des WeltthcilS in Zukunft leiten. In England hatte der April Niederlagen des Mi nisteriums im Parlamente gebracht; im Mai folgten Ver söhnungen. Eine allgemeine politische Amnestie versöhnte die Gemüther. Frankreich schwamm hr Festen und Festrüstungenr vom Glanze der zu Ehren der fürstlichen Gäste abgehgl- tenen Revüen, Paraden, Festtheater re. wendeten sich die Hoffnungen der Schaulust auf die nah« kaiserliche Taufe. Während der Zwischenzeit haben die Franzosen das Schau* spiel der am l. Juni eröffneten landwirthschaftlichen Aus stellung gehabt. Diese Feste begleiten die Nachrichten von Entdeckungen und Aburtheilungen geheimer Gesellschaften in den Provinzen. In Paris lacht man darüber, daß der gut bezahlte Senat dienstbeflissen nachträglich diqVewtl* ligung des außerordentlichen Kredits von nur l,382,600,OVY FrS. in stiller Abgeschlossenheit ausspricht. Wo soll das Schuldenmachen noch hinaus? Was kann die Nation thun, wenn der Senat jedem Wunsch deS Gebieters um neue Geldanlchen sclavisch nachkommt? In Belgien ist man sehr bedenklich. Die bedroh lichen Worte des französischen Ministers Walewski gegen die Freiheit der belgischen Presse hat einen tiefen Eindruck gemacht. Als der belgische Minister sagte: Die Köntgl. Negierung werde sich niemals dazu verstehen, die Frei, Helt der Presse anzutasten, so wurde dieses „Niemals" nicht nur in Belgien, sondern von Land zu Land mit zustimmendem Jubel vernommen. Ein strengeres Preßge setz wird aber in Belgien kaum zu umgehen sein, um Conflicte mit dem übermächtigen Nachbar zu vermeiden,. Entschiedenheit wird auch an der Seine imponiren. Ein Bild der traurigen Zustände Italiens ent werfen zu wollen, ist überflüssig. Sardiniens Minister, dem Graf Cavour, wurde bei seiner Rückreise durch all« Orte, wo er durchkam, ein Triumphzug als Anerkennung für sein entschiedenes Auftreten bereitet. I» ToScana ist ein furchtbar strenger Militärcodex ins Leben getreten. In Parma ist die Härte des Belagerungszustandes nicht gemildert worden. Neapel ließ von Amnestirung, Milderung des Regiments sprechen; aber rS ist Alles beim Alten geblieben. Lieber möchten wir in Sibiren, als in Neapel wohnen. In Schweden hat es eine CabinetSkrists gegeben; in Norwegen ist der Kronprinz als Vicekönig einge zogen. In Dänemark spielt der Reichsrath dieselbe Rolle, wie die Mehrheit deS preußischen Landtags; na mentlich geht'S über Schleswig-Holstein her. Die Regie rung ist zum Verkauf der Domänen in Schleswig-Hol stein ermächtigt; die Festung FriedrichSort wird geschleift und damit fällt Deutschlands letztes Bollwerk im Norden. Es ist doch herrlich, ein Deutscher zu sein! Die Sund- zollsrage, aus welcher Dänemark Geld schlagen möchte, ruht gemüthlich. In Rußland schrieb man viel von durchgreifenden Maßregeln in der Beamtenherrschaft. Auch das Unter richtswesen soll mehr gehoben werden. Hat man in Ruß land den Werth der Volksbildung erkannt, so sucht man