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Wittgen's Raubfchloß. (Fortsetzung.) Marien, die Gülden stern sorgenvoll erwartet hatte, entging die Wolke auf seiner Stirn nicht. Deut lich verkündete ihr dieß, daß ihre Furcht auf irgend eine Weise wahr geworden; doch mit erkünstelter Freund lichkeit beruhigte er die Forschende darüber. Aber seine seither so laute Lust am Leben war verstummt. Jene schönen Augenblicke eines vertraulichen Alleinseins schienen für die Arme nie w'iederkehren zu wollen, denn sichtlich vermied er solche. — So mit sich verfallen, jagte er eines Morgens, gequält von diesem Trübsinn seiner Gewohnheit, wieder in achtloser Uebereilung auf einer mit Steinen besäeien Trift entlang, als das sonst so sichere Roß zusammen brach und sein Reiter weit hinweggeschleudert, vom heftigen Sturz blutend und bewußtlos, am Boden liegen blieb. — Eben war Bürgermeister Werner im Hofe zu Marell angekommen, seinen alten Freund zu umarmen, dessen Anwesenheit ihm Marie gemeldet hatte, und fragte mit sehnsüchtiger Hast, warum er ihn noch nicht erblicke, als schon das schaumbedeckte Roß desselben mit leerem Sattel durch das Thor sprengte. Schrecken erfüllte Marie, die, farblos, zur Pforte linauSstürzte, ihn zu finden, ihm zu helfen, und Kaspar und Heinrich folgten in gleich nutzloser Eile der Flüchtigen, ohne auf die Nachricht eines Bauers zu achten, der Zeuge des Unglücks gewesen war, und nun eilte, dem Scheintodten Hülfe herbeizurufen. Besonnener eilte der Hausherr, den Wundarzt zur Stelle zu schaffen, während Werner der Sorge für seinen Transport sich unterzog. Jobst, der wohl ahnte, was vorge gangen, hatte indeß den Rappen aufgefangen und sah starr den Bürgermeister an, neugierig, ob dieser ihm nicht Lickt geben würde. „Alter, nimm schnell den Leiterwagen und bedecke ihn mit Matratzen! Fort, besinne Dich nicht lange!" rief ihm dieser zu und eilte, um selbst mit das Nölhige herbeischaffen zu helfen, und ein sanftes Lager zu bereiten. Als der Ohnmächtige nach langer Zeit wieder zu Sinnen kam, blickte er um sich, wie aus einem Traume erwachend. Ein schüchterner Blick traf die zur Seite stehende Marie, und ruhig lächelte er sie an. „Lebe ich denn noch?" lispelte er schwach und kaum verständlich ihr zu. „Gelobt sei Gott!" antwortete die Weinende. „Wohl, wohl!" und leise, als scheue er selbst, eS zu hören, fuhr er fort: „Satan lebt auch noch, Marie!" Wie ein versengender Blitz erschütterte die unheil volle Verkündigung die Arme. Sie sah ihre Ahnungen erfüllt und fürchtete das Schlimmste von der verschleier ten Wahrheit, zugleich dem Himmel dankend, daß Niemand sonst die Aeußcrung weiter gehört. Jenes böse, ihr noch unbekannte furchtbare Wesen, mußte auch hier wieder im Spiele sein; eS drängte sich unheilvoll zwischen sie und ihre Liebe. Was mochte eS sein? — Doch wir werden eS bald erfahren. — Jetzt nahte sich ihm Werner; doch kaum nahm er solchen wahr, als er ihn mit scheuem Blick anstarrte, und, als suche er seinem Anblick zu entfliehen, schnell die Decke über das Gesicht ziehen wollte; doch die Hand versagte ihm den Dienst, und ein schmerzhafter Seufzer verrieth die Schwere ihrer Verletzung. „So müssen wir unö Wiedersehen? und ich hatte mir der Freuden so viele versprochen I" redete ihn der wackere Mann an, im Tone des tiefsten Mitleids. „Ach^ das Leben hält gar wenig des Guten; mit dem Schlimmen ist cö nicht so karg, lieber Wer ner!" antwortete der Kranke. Jetzt traf auch der Wundarzt mit seinen Instru menten unter'm Arme ein, und kramte solche schonungslos vor dem Leidenden aus; mit gleicher Rohheit begann er die Untersuchung, die laut aussprach, wie wenig Heil auS solchen ungeschickten Händen für die Ein richtung deS ausgefallenen linken ArmeS zu hoffen sei. Güldenstern verweigerte daher, bei zunehmender Besonnenheit, fest die Annahme irgend einer seiner HülfSleistungen, und eben so ernst ÄZerner'S Vor schlag, ihm »ach Pirna zu folgen, um dort von einem erfahrenen, Arzte geheilt zu werden. Ec bat vielmehr seinen Wirth, ihn schleunig nach Dresden zu senden, und zufrieden gewährte er Heinrich'ö Bitte, ihn begleiten und pflegen zu dürfen. Auch Werner nahm Theil an dem Geleite und bald war Alles zur Abreise fertig. „So wollt Ihr uns verlassen und ich werde Euch nicht warten und Eure Schmerzen lindern können?" klagte Marie beim Abschiede. „Dresden ist ja nicht so fern als Schweden!" tröstete Frau von Schönberg. „O Marie, wären wir dort!" flüsterte Gülden stern ihr zu, indem er sanft zum Lebewohl ihr die Hand drückte, und langsam entschwand er dem Auge der Betrübten, welches ihm weinend in weite Ferne verfolgte, als fürchte es, ihn nie wieder zu sehen. Mit väterlicher Sorgfalt hatte Werner in dem besten Gasthause der Residenz dem Verwundeten eine bequeme und freundliche Wohnung gemiethet, ihm einen geschickten Wundarzt zur Hülfe gerufen und erst, nachdem er die nöthigsten Bedürfnisse herbeige schafft, verließ er ihn, gedrängt durch seine Geschäfte; doch wiederholte er seinen Besuch so oft als möglich, und nach kurzer Zeit schon ward ihm die Freude, alle Leiden bis auf eine Schwäche deS ArmeS verschwunden zu sehen. Auch hatte der Schmerz und die Besorgniß um den Ausgang der Krankheit auf eine wohlthätige Weise Gülden stern's Gedanken von den Vorfällen abgezogen, welche solche herbeigeführt, und die ihm empfohlene Bewegung in freier Luft, die mit jedem Blicke etwas Neues und Reizendes in diesem lieblichen Thale bot, verhinderten, vermöge der erfreulichen Zer streuung, das Erwachen solcher trüben Erinnerungen. So gab er denn mit mehrerem Antheil sich auch wieder dem Vergnügen hin, welches die Geselligkeit gewährt, und besuchte gern die Familien, deren Häuser Schönberg's Empfehlung ihm geöffnet hatten. Seine Briefe meldeten dieß der trefflichen Familie, und wenn solche die Hausfrau vorlaS, bann preßte Marie stumm die gefallenen Hände gegen daS wallende Herz Vor Freude. In der Hoffnung eines baldigen Wieder sehens, gab man den Gedanken auf, ihn dort zu besuchen. l Fortsetzung folgt) DermLs chtes. Zn Leipzig wurde vor einigen Tagen eine 76jährige Frau wegen zudringlichen Bettelns auf der Straße arrettrt, und als dieselbe später im Polizelhause visitirt wurde, sand man 50 Thlr. baares Geld, darunter 2 Doppcl-LouiSd'or», bei ihr.