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Mittwoch, den 26. Marz 1SS4 Nr. 73. Seite 3 Tagesneuigkeite« ft Teutsch-Holtündische schwimmende Messe 1924. In Rot» terdam ist eine „N. B. Maatsckapvis tot Exploitatie van Over- ieesche HandelSvaartrn" gegründet worden, die von dem Rotier« dainschcn Lloyd einen 4731 Tonnen große», im Jahr« 1905 erbauten Dampfer erworben hat, der nach Umbau unter dem Rainen „Hermaita Theresia" als Messe schiff am 1. Juli 1924 von Hamburg aus die erste Fahrt nach Südamerika an« treten soll.. Tas Schiff wird 813 Ausstellungsgegenstände ent- , halten. . ft Der Siegeszug des Rundfunks. Wie gemeldet wirb, be reitet die indische Negierung einen großen Plan vor, um in Indien den zur Vervollständigung des innerreichlichen draht losen Verkehrs notwendigen Rundfunkdienst in Verbindung mit den anderen Kolonien uno anderen Teilen der Welt einzurichten. Eine ganze Anzahl von Lizenzen auch für private Unternehmungen aus diesem Gebiete werden vorbereitet. ft Telcphonverb düng zwischen Zagreb und oem Ausland. Mitte März soll eine direkte Telephonverbindung zwischen Zg- greü und Budapest erössnet werden. Die direkte Verbindung zwischen Zagreb und ' Triest dürfte erst in einigen Monaten hergestellt werden. ft Fernsprechverbindungen PcterSburg—Reval. Nachdem die ersten Versuche sehr gute Ergebnisse gehabt haben, wird die regel mäßige Fernsprechverbindung zwischen Petersburg und Re val demnächst eröffnet werden. i- Brandkatastroph« in einem märkischen Dorf. Ti» schwe res Brandunglück hat das Dorf Weiße „spring am Fried- r i ch - W ilhelm - Ka » al im Kreise Lebus heimgesucht. Wahr scheinlich durch einen schaohaften Schornstein verursacht, brach ein Feuer aus. Die meisten Männer waren ihrer Arbeit nach- gegangcn, nur drei, darunter der Gemeindevorsteher, konnten die Torsspritze in Tätigkeit setzen. Frauen und Kinder ver suchten aus den brennenden Häusern die Habe zu retten. In kurzer Zeit lagen acht Häuser in Asche. Die Häuser, alle noch mit Stroh gedeckt, boten oem Feuer leichte Beute. Auch die un- ungünstigen Windverhältnisse beschleunigten das Unglück. SO Men schen, 14 arme. Schiffer- und Arbeiterfamilien sind obdachlos geworden. Das Dorf gehört zu den ärmsten des Kreises LebuS. Bezeichnend dafür ist, daß im ganzen Dorse sich nicht eine Milch kuh befindet. Schweine und Ziegen sind in den Flammen um gekommen. ft Eine Fälscherbanoe verhaftet. Die Kriminalpolizei in Stettin hat eine fünfköpfige FSlscherbande sestgenommen, die alte 10- und 20-Millionenscheine durch Aenberung des Buch stabens M in B in B i lli ou en s cki e i ne umgewandelt hat. Die gefälschten Scheine wurden auf Märkten und in Geschäften umgesetzt. Ein großer Teil der falschen Scheine wurde beschlag nahmt. Ter Führer der Bande, der Arbeiter Grapp, wurde zusammen mit dem Berliner Falschmünzer Tischler verhaftet. 1- Gefälschte Nentenmarkscheiut. Seit einigen Tagen tau chen falsch« Rentenmarkscheine zu 10 Rentenmark auf, bei denen bas Wasserzeichen sehr schlecht durch einen gemusterten Ausdruck in grauer Farbe nachgeahmt ist. Hält man die Scheine gegen das Licht, so fällt der Unterschied gegenüber den echten Scheinen sofort aus. ft Ein KindeSmörder zum Tod, verurteilt. In dem Prozeß gegen den Uhrmacher Heinrich Sch aper, der, wie berichtet, im Oktober vergangenen JahreS die siebensährige Tochter seiner Wohnungswirtin auf bestialische Weise ermordet hat, wurde von der Strafkammer des Landgerichts 3 in Berlin das Urteil gefällt. Der Angeklagte wurde des Mordes für schuldig er achtet und zum To de verurteilt. Zugleich wurden ihm die bürgerlichen Ehrenrechte auf Lebenszeit abgesprochen. ft Eine seltene Geburt von Fünflingen. Die Frau eines Handwerkers In Genthin (Altmarki hat dieser Tage fünf Kin der zur Welt gebracht, die seooch nach wenigen Stunden wieder gestorben sind. Der der Geburt beiwohnende Arzt erklärte, baß in oen letzten Jahrzehnten in Deutschland «ine FNnfltngS- gebnrt nicht vorgekommen sei. Wissenschaftlich verbürgt ist über haupt nur eine ganz geringe Anzahl von Fünflingsgeburten. ft Der eingcsrorcne Igel. Ein Gartenbesitzer in Schleu sin gen fand in einem Rieselgraben seines Obstgartens einen vollständig in einem großen Etsklumpen eingefrorenen Igel. Durch Schläge mit oer Rodehacke wurde das eisige Gefängnis zertrümmert und oer Insasse befreit, dem dieser ungewöhnlickie Winteraufcnthalt scheinbar nicht geschadet hat. ft Ein Geschwader stegrn den SchnapSschmuggrl. Ter Finanz ausschuß des amerikanischen Repräsentantenhauses fordert, wie ans Neuyork berichtet wird, einen Kredit von 13 Millionen Dol lar zur Bekämpfung des Alkoholschmuggels in den amerikanischen Kiistengewässern. Sie soll dem Zweck dienen, eine Flotte von neun schnellen Kreuzern, Torpedoiägern und Begleitschiffen in Dienst zu stellen, die alle mit radiotelegraphischen Apparaten aus gerüstet werden und eine Besatzung von 75 Offizieren und 2000 Matrosen erhalten. Nach Ausweis des Berichtes sind seit dem Monat Mai mehr als 700 000 Kisten Likör auf dem Wege des Schmuggels allein in den Hafen von Neuyork eingeführt wor den. Andere nicht minder bedeutende Mengen haben ihren Weg in andere Häfen, vor allem in den von Baltimore, gefunden. Ti« hier gelandete Schmuggelware kommt insbesondere aus Kuba und von den Bahama-Jnseln. ft Siebenhundertsahrsrier oer Nnivers.tät Neapel. Neapel bereitet sich vor, in den ersten Maitagen die siebenhundert- sie Wiederkehr oeS Grünoungstages seiner Hochschule zu begehen, die 1824 von dem Hohenstansenkaiser Frieorich ll. gestiftet worden ist. Die Feier soll in einer glanzvollen Weise be gangen werden. Die Einladung zur Teilnahme ist tn lateini scher Sprach« an die Hochschulen der ganzen Welt er gangen; all« bedeutenden Universitäten, auch die Amerikas und des Orients, werden durch Delegationen vertreten sein. Mittel punkt der Festlichkeiten wird eine Aufführung auf dem Forum zu Pompeji sein: des Horaz Larmen saeculare, das der Dichter im Jahre 17 v. Ehr. im Aufträge des Augustus zur Feier der von diesem veranstalteten Säkularspiele schrieb, in der Vertonung des Holländers Diepen brock, gesungen von einem Riesenchor von Berusssängeru und Mittelschülern. Ter Ehordirektor des San Carlo und der Konservatorinmsdirektor Cilea sind mit den Vorbereitungen beschäftigt. ft Ausstellung für Kultur und Wirtschaft in Aussig. Vom 1. Juni bis 31. Augitst d. I. findet in Aussig eine Ausstellung für Kultur und Wirtschaft statt. Die WirtschastsauSstellung erstreckt sich aus die gesamte industrielle und gewerbliche Tätig keit, wie Bauen und Sieorln, Land- und Forstwirtschaft, Ver kehrswesen, Bergbau und Hüttenwesen, Chemie, Eisen, Stahl und Metall, Holz uno seine Bearbeitung, Papier, Druck- und Buch kunst, Glas, Porzellan und Ton, Textilien, Kleidung und Aus stattung, Lebens- und Genußmittel. Ter Hauptverbanb der deut schen Industrie plant einen großen Repräsentationsraum mit Volks- und handelswirtschaftlichen Vorführungen. Ein Eigen bau des Deutschen Gewerkschaftsbundes legt die sozialwirtschast- lichen Elemente des ErwerslebenS dar. Meldeschluß ist am 15. April d. I. ft Eine armenische Universität mit deutschen Professoren. In Er im an, der Hauptstadt Armeniens, ist eine große Uni versität errichtet worden. Als Lehrkräfte an der medizinischen Fakultät dieser Hochschule sind ausschließlich deutsche Präses, soren tätig. Leider ist die finanzielle Lage des armenischen Staates so ungünstig, daß er nicht imstande ist, die Kliniken mit der nötigen Anzahl von Instrumenten und andere» Hilfs mitteln, sowie mit Büchern auszurüsten. Tie Zentrale des armenischen Hilfskomitees, deren Leiter Tr. Baronigian im Löß- nitzgrund bet Kötzschenbroda ist, wendet sich daher an alle diejenigen, die überflüssige wissenschaftliche Bücher und In strumente besitzen, mit der Bitte, durch Stiftungen das nsuge- gründete Institut zu unterstützen. ft Der „schwarz" gewordene Seemann. Ein dänischer See mann hat den Aerzten in Hüll in England ein bisher un gelöstes Rätsel aufgegeben. Seine Hautfarbe ist im Laufe der letzten sechs Monate allmählich immer dunkler geworden, und ist jetzt derart, daß der Mann, abgesehen von seinem blonden Haar, einem Neger gleicht. Da die Aerzte des Kranken hauses sich keinen Rat wußte», wurde ein Spezialist kür Haut- und Blutkrankhelten zugezogen, dem es aber auch nicht gelungen ist, die Ursache des SchwarzweroenS zu ermitteln. ft Ein« Ausstellung aus dem Münchener Kunstleben. Aus München wird geschrieben: Eine eigenartige Ausstellung veran staltet zurzeit die Graphische Sammlung der Münchner Pina kothek. Eine Ausstellung aus dem Münchner Kunstlebe», das in seinen gesellschaftlichen Aeußerungen, in seinem Vereinsleben, sei nen Festen und Festzügen, durch Einlaoungskarten, Kostüment würfe, Plakate, Programme, Festzeitungen hier wieder lebendig wird. Es ist eine illustrierte Geschichte des Münchner Künstler lebens, von den Künstlern, und zwar von den besten, geschrie ben, gezeichnet, gestochen, gemalt. Von Neureuther und Schwind führt die Ausstellung über Kaulbach, Wilhelm Busch und Diez zu Oberländer, Hengeler, Reznicek und Stuck durch fast ein volles Jahrhundert. Kultur- wie lokalgeschichtlich gleich inter essant, ist die Schau ein Denkmal des Münchner Humors und der Münchner Kllnstlerlaunc. ft Sine Fachklasse für die Vorbildung von Redakteuren Das Technikum der Buchdrucker in Leipzig beabsichtigt, die in den letzten Jahren ausgenommenen redaktionellen Ilebungen ab 1. April d. I. zu einer Fachklasse für Redakteure kleinerer Blätter auszubauen, die namentlich den Wünschen vieler Pro vinzbuchdrucker entsprechen soll, da für die Ausbildung von Re dakteuren an großen Tageszeitungen bekanntlich die Univer sitäten Sorge tragen. Deswegen sind die praktischen Lehrfächer und Vorträge so ausgebaut, daß Schüler mit den verschiedensten Vorkenntnissen daran teilnehmen können. Für die Vorträge in Politik und öffentlicher Meinung sind Dr. Schöne vom Städtischen Presseamt, für Kunstkritik und Fenillteon Dr. Morgenstern, Leiter der Stilistischen Bücherhallen, für Zeitungsgeschichte Dr. Bock witz, vom Buchmuseum in Leipzig, in Aussicht genommen und bereits gewonnen worden. ft Tragischer Tod. Auf tragische Weise kam in Olden, bürg ein Kaufmann umS Leben. Er kam spät nach Hause und wollte, da er keinen Hausschlüssel hatte, von einer Nebenstraße aus eine Mauer überklettern, um so von hinten in seine Woh nung zu gelangen, t'- , - ' aber iu> viiisfpringen aus und blieb mit dem Kopf zwischen Mauer und einem sie überspannendest Stacheldraht hängen, wodurch ihm di« Luftröhre zugedrückt wurde und er erstickte Morgens fand man die Leiche an der Mauer hänge». ft Eine philosophische Schule. Aus Weimar wird be richtet: Unter dem Namen „Philosophische Schule in Weiinar" tritt eine Veranstaltung inS Leben, deren Zweck es ist, venen, di« in der Zerfahrenheit und Wirrnis der Zeitläufte nach Ver tiefung, nach Sammlung und innerer Bereicherung streben und sich um eine feste Welt- und Lebensanschauung bemühen, einen Mittelpunkt zu bieten. Das Schwergewicht liegt nicht sowohl auf der Uebermittlung uno Kenntnis der Anschauungen, als aus der Willens- und Charakterbildung. Ter Jugend soll eine Führung, den reiferen Menschen eine Klärung und Festigung ihrer Lebensanschauung geboten werde,,. Die Leitung der phft losophischen Schule liegt in den Händen ihres Begründers Tr. Ernst Mächler. Die Mitwirkung hervorragender VeMinIlchs keiten ist gesichert. Die Parlamkätk der Welt Die bevorstehenden Neuwahlen zum Reichstag lassen die Frage laut werden, auf welche Weise die anderen Kulturvölker der Welt, die parlamentarisch regiert werden, ihre Volksvertretun gen wählen. Bekanntlich bildet das republikanisch« deutsche Reichs wahlrecht eine besonders ausgeprägte Form deS Parlamentaris mus, die vor allem darin ihren Ausdruck findet, daß in ihm nur ein Einkammersystem vorgesehen ist. Der deutsche Reichs, tag kennt kein Oberhaus neben sich, da die Funktionen ves Reichsrates nur kontrollierender, nicht aber bestim mender Natur sind. Das Prinzip der einen einzigen Kam mer findet sich sonst nur noch in Finnland. Bulgarien, Serbien, Griechenland und Persien. DaS alte Musterbild des Parlamentarismus bietet Groß britannien mit seinen zwei Kammern. Das Oberhaus seht sich z. Z. zusammen aus drei königlichen Prinzen, den zwei englischen Erzbischöfen, 24 Bischöfen, 542 über 21 Jahre alten Peers, deren Parlamentssitz erblich ist, 16 gewählten schottischen und 28 gewählten irischen PeerS, zusammen also aus 650 Mitz gliedern. DaS Unterhaus besteht aus 670 Abgeordneten, dis ,n direkter Wahl aus 5 Jahre gewählt werden. Zur Wahlberech. tiguiig sowie zur Mahlbarkeit sind ein Alter von 21 Jahren und der Besitz eines Hauses, Landstückes oder die Zahlung von zehi* Pfund Sterling (200 Goldmark) Jahresmiete die Voraussetzung. Auch die französische Nationalversammlung besteht aus zwei Kammern. Der Senat setzt sich aus 314 Mit gliedern in einem Mindestalter von 40 Jahren zusammen, die militärisch ausgebildet sein müssen und auf 9 Jahre gewählt werden. 602 Abgeordnete, gleichfalls gediente Soldaten, bilden die Deputiertenkammer. Sie werden durch direkte allgemeine Wahl auf 4 Jahre gewählt. Die beiden Kammern der Vereinigten Staaten von Amerika stehen in ihrem Charakter gewissermaßen zwischen dem englischen und dem französischen Prinzip: Die besonderen gesetz gebenden Versammlungen der Vereinigten Staaten entsenden je zwei Vertreter auf Grund einer Wahl auf sechs Jahre in den Senat, der demnach aus 96 Mitgliedern besteht und alle 2 Jahre zu einem Drittel neu ergänzt wird. Die Senatoren müssen min. bestens 30 Jahre alt und seit neun Jahren amerikanische Bürger sein. DaS Abgeordnetenhaus wird aus 435 Abgeord neten gebildet, die 25 Jahre alt und seit 7 Jahren amerikanische Bürger sein müssen. Die Abgeordneten werden durch allgemeine und direkte Wahl in jedem Staate auf 2 Jahre gewählt. - Die Südamerikanischen Staaten folgen meist dem Vorbild des Großbruderz im Norden. Argentinien hat einen Senat von 80 und eine Abgeordnetenkammer von 120 Mitgliedern. Der Brasilianische Senat besteht auS 63, die Abgeordnetenkammer aus 818 Mitgliedern. In Chile zählt der Senat nur 36 Sitze und die Abgeordnetenkammer 113 Sitze. .Als Italien sich nach seiner politischen Einigung eine Verfassung gab, die eS vom vormaligen Königreich Sardinien über, nahm, folgte es mit ihr im wesentlichen dem englischen Beispiel. Dem englischen Vorbild entspricht der Sitz der königlichen Prinzen im Senat. Aus 21 Kategorien „Notabeln", nämlich den Inhabern bestimmter Aeinter. ferner Leuten, die sich dem Staat besonders verdient gemacht haben, und schließlich den größten Steuerzahlern, die jährlich 3000 Lire Steuern beibringen, wählt der König ins gesamt 390 mindestens 40 Jahre alte Senatoren auf Lebenszeit aus. Die Abgeordnetenkammer setzt sich ans 508 Abgeordneten zusammen, die durch Listenwahl nach den Grundsätzen der Ver hältniswahl in die Wahlkollegien der einzelnen Wahlprevinzen direkt auf 6 Jahre gewählt werde». Die asiatische Großmacht Japan hat ihr Wahlrecht ähnlich wie das englische gefügt. Die anderen größeren Staaten hapen bezüglich ihrer Parlamente mehr oder weniger ihre eigenen Be sonderheiten. Aber mit Ausnahme der anfänglich genannten sind sie alle auf das Zweikammersystem eingerichtet. Die Scholle Roman von Georg Juli«» Veterfen. Nachdruck vcrbotrn.) (68. Fortsetzung.) Gegen zehn Uhr machte Prahl sich auf den Weg, alles Nöti gen war vergebens „Die Reimers wartet uff mir. Un wenn ick nun nach Haufe komme, dann kocht se noch 'ne Tafle Kaffee. Jebacken hat se ooch. Un denn erzähl ick ihr. Wat hier loSjewesen iS, und denn kriecht jeder in sein Nest." »Eigentlich ist die Reimer» wie eine Mutter für Sie, Prahl"; konnte Pranger sich nicht enthalten zu sagen. Dabei zuckte ein Lächeln um seinen Mund. „Ick weeß schon, wat Sie sagen wollen. Herr Pranger," ent- gegnete Prahl gutmütig lächelnd.- „Aber, wenig Schein, doch alles rein' Hab' ick vorhin draußen uff Ihrem Handtuchschoner jelesen. Frau Hoffsteen. Det is ooch mein Wahlsprnch." „Daß mein Mann auch immer ulken muß, Herr Prahl," sagte Frau Wilhclmine Prackger. „IS ja alles nich so jemeint, Frau Pranger. Un die Herren Künstler sind ja immer so'n bißchen iebermietig." Damit trennte er sich. ..Hab' ihn doch nicht immer zum Narren," sagte der alte Hoffsteen mißbilligend, „ein so goldechter Mensch." Aber auch diese Ermahnung vermochte die heitere Stimmung de» Malers nicht zu dämpfen. — Die Festtage vergingen mit Besuchemachen und -empfangen, und trotz der Not der Zeit zeigte sich auch bei diesen schwerfälligen Menschen die allen Erdenkindern innewohnende Anpassungsfähig keit. Bei Prangep*trat sie am klarsten an die Oberfläche. Keine Unruhe, keine drohende Verkehrsstockung vermochte ihn von seiner Absicht abzubrinpen, sobald wie möqlich mit seiner jungen Frau in sein Besitztum am Starnberger See überzusiedeln, und er traf eifrig seine Reisevorbereittmgen; Wilhelmine unterstützte ihn dabei. Bald nach Neujahr reisten sie ab, und wenige Tage darauf machte Christian Holstern sich ein Gewerbe und fuhr nach Kiel zu seinem Onkel. ES war so schnell kein Loskommen von der Tante, die immer wieder auf das Prangersche Ehepaar zu spre. chen kam. „Und wie ich mich auf unsere Reise nach Bayern freue, Chri stian I — Furcht —bar." Pranger hatte das Ehepaar eingeladen, im Sommer aus einige Wochen zu Besuch zu kommen, und eS stand noch nickst fest, ob die Eltern der jungen Frau sich nicht auch dnschließen würden; der alte Hosssteen war entschieden dafür, seine Rra» dagegen hatte allerlei Bedenken. — Endlich gelang eS Christian, seinen Onkel allein zu sprechen. „Ich hätte ein Anliegen, Onlel," sagt« der junge Mann mit einiger Verwirrung, „und ich möchte es dir allein unterbreiten." Der Arzt fixierte ihn scharf. „Kann Tante es nicht hören, Krischan? Du weißt, ich Hab' keine Geheimnisse vor ihr." „N . . . Nein, eigentlich nicht." „Na, denn komm' mit in mein Sprechzimmer. — Und was hast du auf dem Herzen, mein lieber neveu?" Der Angercdete konnte nicht zu Wort kommen. „Weißt du schon, Onkel?" begann er endlich stockend. „WaS weiß ich, Junge? . . . Du, ich red' nun bald als Dok tor mit dir, und da kann ich erheblich grob werden." ' DaS half. > „Wir erwarten im Mai oder Juni etwas Kleines, Onkel." Ta schnellte Doktor Hoffsteen in die Höhe. „Ihr . . . wak Kleines? . . . lind daö soll Tante nicht HS. ren dürfen? . . . Bist du bei Trost, Krischan? . . Christian hoffsteen hielt den Onkel am Arm fest. „Gewiß soll Tante es wissen, Onkel, aber vorher wollte ich dich dock' etwas fragen." „Wat denn?" „Ja, Onkel, ich Hab' doch nur ein Bein . . . Meinst du, daß sich das vererben könnte, Onkel?" Eine heiße Angst stand in den klauen Augen. Da lachte der Arzt gerübrt auf. „Ach, Krischan, du ... du Spökenkieker," sagte er. „Nein, mein Junge, sei ganz unbesorgt. Der Junge — daß es 'n Junge wird, versteht sich bei den Hoffsteens von selbst, das erste Kind war immer ein Jung« . . ." , „Mir ist auch ein kleines Mädchen recht," unterbrach ihn Christian und blickte aus großen Augen durchs Fenster. „Mir auch, Christian, davon ist keine Rede. Aber eS wird 'n Junge, und zwar aus ganz bestimmten Gründen. Aber das ist Nebensache. Allo was ich sagen wollte: dnS Kind wird genau so mit zwei Beinchen strampeln wie der Vater vor dreißig Jahren." „Wirklich, Onkel? ... Du nimmst mir eine Last vom Herzen." „Siehst du wobN . . . Hast du Grete von deinen närrischen Gedanken erzählt, Krischan?" „Nein." „Ra, daS verbietet sich natürlich van selbst. Und nun komm, wir wollen Tante eine Freude macken." Und eS wurde eins Freude für die kinderlose Frau. Sie wurde ganz aufgeregt und tat mit keinem Wort mehr d«S Pran- gerscken Ehepaare? Erwähnung; alle ibre Aenßerungen galten der jungen Frau, die der Müb'e einen Erben schenken sollte. .Ich komme noch diese Woche mal hin, Christian, ganz ge. wiß. Und grüße deine Frau herzlichst von mir." „Ja, und bestelle deinem Herrn Bruder, er möchte jetzt end lich zum Dienst kommen," fügte Doktor Hoffsteen etwas verdrieß lich hinzu. „Aber Fried—richl Gottfried ist erst seit 14 Tagen wieder in menschlichen Verhältnissen! . . . Nein, er soll sich nur »och etwas Ruhe gönnen." „Ja, das meine ich nun allerdings auch, Onkel." „Und ich meine cs nicht. Der Junge hat über vier Jahre verloren, da kann er sich gar nicht eifrig genug aus seine Studien werfen. Ich lasse ihn also freundlichst bitte», sobald wie möglich hier anzutreten. Arbeit ist jetzt die beste Medizin, sich zu be haupten." - » * * Von allen Wunden, die diese Zeit mit ihren trüben Erschei nungen dem Kieler Arzt schlug, war die drohende Vergewaltigung seiner Heimatprovinz Schleswig-Holstein die tiefste und schmerz lichste. Als die Absichten der Feinde in dieser Beziehung zum ersten Male in klarer, unzweideutiger Form austauchten, erfüllte ein Gefühl des Schmerzes und Zornes das Herz Doktor Hoff steens. In der Folge gehörte er in Wort und Schrift zu den lei denschaftlichsten Verfechtern der alten, verbrieften Rechte seiner Heimat, und eS wiederholte sich auch hier die Geschichte: die Enkel der beiden Jdstedtkämpfer, Christian von Groiefeld und Christian Friedrich Hofssteew, fanden sich i„ Stunden der heißen Not wie der zusammen. Doktor Hoffsteen saß jetzt häusig im Arbeitszim mer deS Grafen, und es war keine Plauderstunde, zu der er ge- kommen war. Die Sorge »m das Vaterland, der bittere Schmerz um die bevorstehend« Zerstückelung der meeriimschlunaenen Lande beherrschte beide. Beschlüsse wurden hier gesatzt: zwei Männer von stärkstem nationalen Oiepräge schufen die Grundlage. a»i der die Anhänger aller politischen Parteien sich zusammcnsinden konn. ten. Die Scmderbestrebungcn fanden in beiden Männern die schärfsten Gegner; beide empfanden großdeutsch und sahen daS Heil ihrer Heimat »nd aller deutschen Stämme einzig in dem Rahmen deS Reiches. Und waren doch SchleSwig-Holsteiner. Söhne eine« Landes. daS sie au- tiefster Brust liebten und desseg Eigenart sie auch im Rabmen deS Ganzen gewahrt wissen wollten. Trübe, schwere Zeiten. Auck der alte Hoffsteen war manchmal bei diesen Besprechun. acn im Schloß mit anwesend, und seine bedachtsame Rede wurde sebr geschätzt. Dann kckickten ans schlickten Rahmen blaue Augen auf sie herab, und die karten Köpfe schienen fick zu neigen: „Rechs so, ihr wahrt unser Erbe!" Aber sie konnten eS doch nickt wahren, daS Geschick war mäcktiqer als sie. und blutenden Herzens ergaben sie sich in» Unabänderlich« rFvrttetzung folgts