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Nummer 95 — 24. ^ayrqang 6mal wöchtl. Be,»nSprklS: für April 2.S0 ^ etnscbl Bestcllgcld. Anzc a-nprcijr: Tie laesp PetiUeile'iü-H, Sielleutieittche 20 L» T<e PelU-Reklamezeilr 83 Millimeter breU, 1 Ossertengebükir für Selbst- ablioler 20 bei Uebeiiendunn durch die Post lußerdem Poitoznichlag. Einzel-Nr. !ü. Sonntcigs-Nr Ist L». Weichäftlichcr Teil: Jojes Fohmann, Dresden. SörtilMe Sonnabend, 25. April 192Ä una irul Im Fall« höherer Gewalt erlischt ,ede Berpflichluu vufLieserung sowie Trsüllung von «uzeigen-Austrägen« Leistung vo» Schadenersatz. Für undenilich n. d. Fernrul übermittelte r-nzeigen übernehmen wir keine Berant« wortung. Unverlangt eingesandte und mit Rückporta nicht versehene Manuskripte werden nicht ankbcwcchrt, Sprechstunde der Neraltion b bis 6 Uhr nachmittags Hanptschriftleiter: Dr. Joses Albert. Dresdr» voWMung »lesniatieftrlle der Sächsls-, «n >volkS»e«w»« und TruN und »Uerlaa, Saronia-Biichdnlckere, GmbH. -rrcsden.eutst. IS, Holbeiuslraße <6. sternrui 32722. PoMideNeanto Dr>-?de» 1178? Für christliche Politik und Kultur Redaktion der Sächsischen HolkS,elnina ^ DreSdc»-i!Nsl. l«, Holb-iuslratze 16. öer-,ru- 3272t und Der Dorkiimpfer für Volksgemeinschaft un- VSlkersrie-en ist Wilhelm Marx! Die Doppelzüngigen Es ist bekannt, daß es eine große Anzahl von Leu ten gibt, die jede geringfügige Gelegenheit aufgreifen, um der religiösen Ueberzeugung ihrer Mitbürger irgend etwas anzuhängen. Damit sie aber ihre eigene Tadel losigkeit um so vorzüglicher Heraussteilen, reden sie von der Unduldsamkeit der anderen. Wir haben das ja häu fig genug besonders in der letzten Zeit erlebt, wir haben ja beispielsweise allzu häufig etwas von „sklavischer Nomgesinnung", von „staatsverderbendem Ultramon tanismus". von „jesuitenhaftem Gewaltsystem" und der gleichen gelesen und gehört. Die Zürnenden kochten vor Entrüstung über das „katholische System", das in so zäher, unermüdlicher Arbeit immer neuen Boden nach der Revolution gewann, das unbeirrt aller Anfeindungen seinen Weg weiterging und allen zum Trotz immerfort den Bau aufwärtsführte, Stein auf Stein schichtend, Kir chen und Klöster bauend, und die Menschen zu neuem Leben sammelnd. Diesen Zürnenden war also das kirchliche Leben (in diesem Falle das katholische) ein Dorn im Auge. Ihre „Gemütsruhe" vertrug nicht die nach Aktivität und praktischer Ausgestaltung der christlichen Grundsätze drängende Art und Weife der religiösen Gemeinschaft. Die einen fühlten sich verletzt, weil ihr eigenes Gewissen nicht gern aus dem beharrlichen Zustand der Gleichgül tigkeit erwachte, die anderen, weil sie den weniger ak tiven Geist der eigenen Gemeinschaft nicht gerne eilige- stehen möchten. So trat an die Stelle des ehrlichen Auf raffens, an die Stelle der Achtung vor dem Gegner, der Haß. Das war ja schon immer so in allen Zeiten der Weltgeschichte. Und besonders in deutschen Landen haben die unseligsten konfessionellen Kämpfe stattgefunden. Was Wunder, wenn auch in der Nachkriegszeit, als Deutschland eigentlich andere positive und staatsauf- bauende Aufgaben zu erfüllen hatte, als es sozusagen vor einem Berg von Problemen stand, die dringend zur Linderung der armen u. ärmsten Volksgenossen gelöst werden mußten, es doch nochZeit zum koufessionellen.Ha der fand. Im Kriege, als jeden Augenblick aIle der Tod umlauerte, standen alle Schulter an Schulter, aber kaum leuchtete der erste Silberstreif der Friedenssonne, da war jenes Zusammengehörigkeitsgefühl vergessen, und all mählich. immer lauter werdend, begann der Kampf gegen den katbolischen Mann, gegen seine Kirche, gegen den Papst. Nun ist die Mahlzeit gekommen. Jene Parteien, in denen d i e Leute sitzen, die sich vorher als offene Be- kämpfer des Katholizismus zeigten, stellten ihren Kan didaten Hindenburg auf. Weil sie aber von vornherein einsahen, daß ihre Zahl allzu gering sei, um diese Kandi datur durchzubringen, mußten sie daran denken, auch die deutschen Katholiken zu gewinnen. Und nun entdeckten sie plötzlich ihr edles, von Besorgnissen um die katholische Sache erfülltes Herz. Päpstliche Enzykliken wurden durchgeblättert, weit zurückliegende bei irgendeiner Ge legenheit gemachte Aeußerungen von kirchlichen Wür denträgern wurden eifrig gelesen, der „Osservatore Ro mano", das Organ des Vatikans, wurde ein vielbegehrtes und ängstlich studiertes Blatt. So tauchten denn plötz lich jene Sensationen in der Rechtspresse auf. wonach der Papst selbst sich gegen ein Zusammengehen des Zen trums mit der antikirchiichen Sozialdemokratie ausge sprochen habe. Man hatte Aeußerungen entdeckt, in denen zum Ausdruck kam, daß ein Katholik niemals So zialdemokrat sein könne. Diese Aeußerungen wurden dann als erneute jetzige Stellungnahme des Vatikans verkündet, mit den bekannten riesenhaften Ueberschrif- ten: ..Papst Pius XI. gegen Sozialdemokratie, Zentrum und Wilhelm Marx." Es handelte sich darum, den ober flächlichen Leser in gröbster Weise zu täuschen. Daß nämlich die Tatsache, ein Katbolik könne kein Sozial demokrat sein, nichts, aber auch nicht das geringste mit dem jetzigen Zusammengehen der Sozialdemokraten, der Demokraten und des Zentrums zu tun hat. ist ja von vornherein zu offenbar. Das Schlagwort von der Wei marer Koalition tauchte wieder auf. Man vergaß nur zu sagen, daß gerade das Zentrum, weil es an der Wei marer Koalition teilnahm, und sich nickt wie iene beiden Rechtsparteien mit einer großen Geste zurückzog, die christlichen Grundsätze für unser Staatswesen über. Haupt gerettet hat. Nichts wäre heute davon in kl MW AW» MM Frankfurt, 24. April. Die „Frankfurter Zeitung" veröffent licht in ihrem ersten Morgenblatt vom 23. April folgenden Ausruf von Professor Dr. Adolf v. Harnack, dem bekannten evangelischen Theologen: „Die bevorstehende Ncichspräsidentenwahl nötigt jeden Wähler, zwischen zwei Kandidaten die Entscheidung zu treffen, Hindenburg oder Marx! Und er muh wühlen; denn wenn er sich der Wahl enthält, ist er mitschuldig an einer Zufallswahl. Welche Eigenschaften muh der zu Wählende haben anher der Reinheit und Festigkeit des Charakters und der Treue zum deutschen Bolke? 1. Er muß ein politisch erfahrener Mann, d. h. er muh ein Staatsmann sein, von innerem Beruf und fach männischen Kenntnissen. 2. Er muh ein erprobter Staatsmann sein, und das Volk muh ihn als solchen, kennen. 3. Er muh mit voller innerer Zustimmung und Zu versicht auf dem Boden der N e i ch s v e r f a s s u n g stehen: ihre Grundgedanken müssen die seinigen sein. 4 Er muh jede Klassenzerklüstung bekämpfen, für den Zusammenschluh des ganzen Volkes ohne Partei lichkeit wirken und leben. 8. Er muh menschlicher Voraussicht nach die Gewähr bieten, dah seine Kraft sieben Jahre hindurch die Bürde des Amtes zu tragen verinog. Wer diesen Bedingungen entspricht, der muh gewählt werden: wer ihnen nicht entspricht, darf nicht in Betracht kommen, mögen die Gemütswerte, die uns mit ihm verbinden, noch so herzlich und groh sein. Marx entspricht diesen Bedingungen: Hindenburg, zu dem wir mit Ehrfurtcht auf schauen, entspricht ihnen nicht. Die Frage nach der Konfession des zu Wählenden darf keine Nolle spielen — sie würde für die evangelischen Deutsche» auftanchen müssen, wenn neben dem Katholiken Marx ein pro testantischer Staatsmann mit den gleichen Qualitäten aufgestellt wäre; aber wir können bei dieser Wahl nicht nach unseren Wün schen aussnchen, sondern müssen zwischen zwei gegebenen Kandi daten wählen, und da gibt es keine Wahl, sondern es gibt nur Marx! Die freien Berufe für M rx Die Zukunft der freien Berufe, die durch den Krieg und die Nachkricgswirtschaft ganz besonders schwer gelitten haben, hängt in erster Linie von einer ruhigen, gefestigten Innenpolitik und friedlichen außenpolitischen Beziehungen zu allen Kultur staaten ab. Tie großen kulturellen und sozialpolitischen Ausgaben des neuen Staates, auf deren Erfüllung auch die geistigen Arbei ter sehnsüchtig hoffen, können nur zum Wohl des ganzen deut schen Volkes vollendet werden, wenn Staatssinn. Vaterlands liebe und politisches Verantwortungsgefühl in ruhiger, unerschüt terlicher Arbeit die Führer zu Deutschlands Zukunft sind. Kunst und Wissenschaft können nicht in Kasernenstuben und in der schwülen Atmosphäre einer nationalistischen Offiziers kamarilla leben und nur von Vergangenheit und romantischen Unwirklichkeiten träumen — die geistigen Kräfte des deutschen der Neichsverfassung verankert, wenn das Zentrum seine Teilnahme an dieser Koalition verweigert hätte. Wir müssen an solche Dinge heute erinnern, denn es ist eine mehr als infame Lüge, wenn man versucht, das Zen trum des Aufgebens seiner christlichen Grundsätze durch das erneute Zusammengehen mit der Sozialdemokratie zu beschuldigen. Es ist aber gleichzeitig die schlimmste Verleumdung des Präsidentschaftskandidaten Marx, eines Mannes, der im Streit für die christliche Kultur a n erster Stelle steht. Aber Marx hat auch noch einen anderen Grundsatz, den der Duldsam keit, der Achtung der Gewissensfreikeit jedes Deut schen. Diesen Grundsatz darf man allerdings vergebens auf der Seite jener suchen, die heute „für die Zeit des Wahlkampfes" die Katholiken so getreulich an „ihre Pflichten" gemahnen. Wir betonten schon früher, daß nicht eine Spur von Veränderung im Programm des Zen trums durch dieVerbindung des Volksblocks vor sich geht, und daß ausgerechnet über konfessionelle Dinge nickt letzten Endes der Reichspräsident, sondern dos Volk selbst durch seine Vertretung im Parlament entscheidet. Was in der Reichspräsidentenwahl zur Entscheidung kommt, dürfte nun doch wohl hinlänglich iedem bekannt sein. Es ist an anderen Stellen zu wiederholten Malen eingehend dargelegt worden. Welches Fiasko der Neichsblock bereits mit seinem Stimmenfang der Katholiken erlitten hat. ist ja zur Ge nüge bekannt. Vor allem glaubte er mit Bauern rechnen zu können. Aber dle Rechnung war zu früh ausgestellt. Der anfängliche Beschluß der Bayrischen Bolksvartei, für Hindenburg zu stimmen, hat sich als trügerisch heraus gestellt. Dieser Beschluß war durch Intriaanten zustande gekommen und die Entrüstung der Wählerschaft setzte Volkes wollen aus dem lebendigen Leben der Gegenwar' schöpfen und im Vertrauen zur Zukunst mit dem Volk und stir das Volk Hüter und Mehrer deutscher Kultur sein. Kunst unt Wissenschaft können nicht in den engen Bezirken nationali stischer Verschlossenheit leben, sie gehören der Welt und allen Menschen, die sich zu gemeinsamer Arbeit die Hände reichen. Nur durch den Sieg des Volksblockes kann das deiuschs geistige Leben erhalten und gefördert werden — durch einen Sieg der Rechtsparteien wird es erstarren und ersterben' Auch für die Republik der freien Geister gibt es nur eine Parole! Kunst und Wissenschaft bekennt sich nicht zur Vergangenheit und nicht zu der Kandidatur einer national! st ischen Parteiwirtschaft, sondern für den Kandidaten, der in staatsmännischer Klugheit aus politischer Ver antwortung und mit demokratischem Willen die geistigen Menschen Deutschlands einst um die Fahne der Verfassung schart! Deshalb rufen die freien Berufe allen geistigen Arbeitern Deutschlands zu: Wählt Marx! Reichsausschutz der freien Bimiste der Deutschen demokratischen Partei. 65 OVO W Aster demonstrieren für Morr! Köln. 21. April. Tie im Polksbiock ve'emigten polst!, scheu Parteien Kölns hatten ihr« Anhängec am MDwvcknl-.md >, einer großen republikanischen Kundgebung auf dem größten P!m> der Stadt, dem Nenmacft, znmmnie»ger»fe„ 16 Red ne: sprachen gleich',e'tig zu den Massen, die der Aussorde »ng, an kommendeil Sonntag für den Kandidaten des Volksblock.- an o e Wahlurne zn treten, mit Begeisterung znstimmtcn. Tie Zcstl der Tellnehn ee an die'er ruhig und geordnet verla-isenen Pio'en'.end- gcbnng, wie he Köln bisher kaum se einmal ge'ehon hat und die durch ihre imponierende Größe listen Eindruck nwck-U-, wird übereinstimmend auf etwa 6 5 000 Personen geschözi. Meh rere Störnngsversuche kommunistischer „Frontkämpfer" konnten im Keime erstickt werden. Marx in Slnttaar? Stuttgart. 24. April. Gestern abend sprach der Präsident, schaftskandidat des Volksblocbes. Reichskanzler a. D M arx ir vier Hauptversammlungen in Groh-Stutlgart. Marx legte ein Bekenntnis zur Weimarer Verfassung ab. deren große Fort- schritte und Vorzüge gcgmüber der früheren Reichsversassunx er rühmte. Tann ging Marx auf die Bedenken ein. die man gegen ihn als einen Mann von ausgesprochen katholischer Ge sinnung habe. Die Freiheit der Gewissen sowie der Welt anschauung überhaupt sei sein Ziel Mit Entschiedenheit weist er die Vorwürfe der Rechten zurück, daß irgend eine Parte! im Volksblack durch den Zusammenschluß ihre Weltansckxnmna irgendwie beeinträchtigt haben könnte. Der Zusammenschluß ist erfolgt, um das Vaterland zu schützen und zu nerteidiaeu In der Mittagsstunde des gestrigen Tages hatte Marz zu einer Massenvcrsammluna in Pforzheim unter freien Himmel gesprochen. — In allen Versammlungen umbranste der Präsidentschaftskandidaten jubelnder Bestall. gleich darauf in vollem Umfange ein» Das wirkliä katholische Bauern wird seine Stimmen einein änderet peben als Hindenburg. Für diesen Ausfall scheint nur der Neichsblock emen Ersatz in anderen Landestesten zr suchen. Er hat scheinbar „die Kathalikenausschüsse" in nerhalb der Deutschnatioualen Dolkspariei beauftragt neue Ausrufe an die Katholiken überhaupt zu erlassen. Auch in den „Dresdner Nachrichten" erschien gestern ein solcher. Er wendet sich an die Katholi ken Sachsens. (Ein Herr Schönberg hat unterzeich net.) Es hätte zur Ehre des ..Katholikenausschusses der Deutscknationalen Bolkspartei. Landesverband Sachsen", gereicht, wenn er sich vor der Veröffentlichung dieses Auf- rufes einmal all das etwas genauer angesehen, woraus er seine Empfehlungen für die Kandidatur Hindenburg ausbaut. Man findet nämlich all jene „angebliche n" Aussprüche des Papstes, des „Osservatore Romano" usw. darin wieder, die wir oben bereits erwähnten. Wer Auf rufe erläßt, muß zum mindesten wissen, worüber er schreibt. Er wird dann der Gefahr enthoben, in dersel ben Stunde, wo er seinen Aufruf losläszt, von amtlicher vatikanischer Stelle der Unwahrhastigkeit geziehen zu werden. (Wir verweisen nebenbei auf die gestern von uns gebrachten Mitteilungen über den gefälschten Papst brief. über das offizielle Dementi des Vatikans und den Bratest des Klerus.) Die weiteren Ausführungen des Aufrufs, daß das Zentrum und sein Fükrer Marx ent- gegen dem verpflichtenden Gebot des höchsten Lehr- »nt Hirtenamts handeln, fallen also von selbst in das Nichts zusammen. Sehr schön ist dann zum Schluß noch gesagt, daß die Belange der Katholiken ia gewährleistet würden, durch die Stellungnahme der größten Partei des Reich» blocks, der Deutschnationalen, in die ja der deutschnatio.