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Drittes Blatt Sächsische Volrszeitn«g vov 18. September 1910 Nr. 213 Vermischtes. V Die Notbremse wegen eines Gebisses. Ter Eisenbahnzug auf der Strecke Berlin—Stuttgart wird angehalten. Eine Panik bemächtigt sich der Reisenden, als er plötzlich auf freiem Felde steht und nmn sich eine Er klärung nicht geben kann. Stimmen werden laut, die die sen Stillstand zu erklären suchen, denn men hört, daß die Notbremse gezogen worden. Allerlei Vermutungen werden hervorgebracht. Wahrscheinlich hat ein Eisenbahnräubec ein Abteil überfallen, in dem eine alleinreiscnde Dame saß. oder ein Zusammenstoß ist noch in letzter Sekunde verhin dert worden. Die Reisenden raffen schon ihre Sachen zu sammen und einige Damen bekommen bereits Weinkrämpfe. Aber da findet sich eine Erklärung für den Stillstand des Zuges und für die Anwendung der Notbremse. Ein Herr stand am offenen Fenster und schaute sich die Landscl)aft an Plötzlich muß er wohl von dem Windzuge etwas stark „ge troffen" worden sein, denn ein leichter Schnupfen kündigte sich durch ein heftiges Niesen an. Zwei- und dreimal tönt sein kräftiges „Hatschi" in die Luft. Das letzte Niesen ent führt ihm sein Gebiß, das er an Stelle seiner eigenen Zähne auf der Zunge balancierte. Er sah es dahinfliegen, und sah es sich unter den Bäumen niederlegen. Was sollte der Mann tun? Konnte er ohne Zähne auf seine Kundschafts reise gehen? Da alle seine Kunden gerade seine herrliche», weißen und regelmäßigen Zähne bewunderten? Kurz ent schlossen zog er die Notbremse. Der Zug stand stijl, rasch kletterte der Mann hinaus, holte sich sein Gebiß lind gab dem Schaffner die entsprechende Antwort. Die Panik löste sich sehr bald in ein herzliches Gelächter auf. Ob aber der Mann berechtigt gewesen ist, in diesem Falle die Not bremse zu ziehen, bezweifelte der Zugführer sehr stark. Jedenfalls wird wohl das Gericht die Entscheidung dariiber zu treffen haben, denn der Reisende war der Ansicht, ganz korrekt gehandelt zu haben, da die Eisenbahnverwaltung das Ziehen der Notbremse nur dann gestattet, wenn eine ernstliche Gefahr vorliegt. Der Reisende erklärte, daß die Gefahr für seine Gesundheit durch das Fehlen der Zähne bestanden hätte, da er ohne sein Gebiß nicht ordentlich essen kann, daß ferner Gefahr für seine Existenz dagewesen wäre, da er Reisender sei und die Kundschaft nicht ohne Gebiß lvsuchen könne. In der Tat wurde das Gebiß von dem Verlierer sofort gefunden, als der Zug hielt, und der weich? Waldboden hatte es vor dem Zerbrechen bewahrt. v Daß es manchmal seine Gefahr hat, den Fraueir zart entgegenzukommen, erhellt aus einen: bezeich nenden Geichichtchen, das aus dem Osten Preußens berichtet wird: Ein jovialer, älterer Herr aus Süddeutschland, der im Verkehr die Liebenswürdigkeit selbst ist und sich daheim als artiger Mann besonderer Beliebtheit bei den Damen erfreut, hat nach einem Fern-Telephongespräch wegen des Verechnungsinodus von seinem Hotel aus eine kleine Aus einandersetzung mit der Telephonistin, die den Apparat auf dem Amte bedient. In der Diskussion entschlüpft ihn, ein „Aber liebes Kind . . .", worauf die spitze Antwort erfolgt: „Ich verbinde mit der Aufsicht," und worauf diese Instanz nun sofort zur Feststellung des Namens des Spre chers (der notabene selbst Vater erwachsener Töchter ist) „behufs Einleitung einer Klage wegen Beamtenbeleidi gung" schreitet! — Die „Instanz" will offenbar gerichtlich klarstellen, daß die empfindliche Telephondame nicht „lieb" und dem Kindesaster schon sehr entwachsen ist. Herrenlose Erbschaften. nufere Redaktion macht unseren Abonnenten nähere Mitteilungen gegen Lt» sendung von kV Pf. in Marken für entstehende Porto- und Schreidkostcn. Allen Anfragen tfl die vorstehende Nummer betzusügen. 107. Eine Erbschaft liegt bereit für Nachkommen und Anverwandte des am 18. Juni 1909 in Sachsenhausen bei Oranienburg verstorbenen Pensionärs Johann Christian Friedrich Wolf. Er war geboren am 6. April 1836 zu Glau, Kreis Teltow, als Sohn des Schäfers Friedrich Wolf und seiner Frau Luise, die eine geborene Nu je gewesen sein soll. 108. Eine Erbschaft liegt bereit für Nachkommen und Anverwandte der am 11. Januar 1910 zu Wangenheim verstorbenen Wilhelmine Schlottheim. Ihre Mutter war Ernestine Charlotte Wilhelmine Stephan, die eine geborene Schreiber war. Diese war geboren 1796 und am 17. April 1886 verstorben. 109. Eine Erbsck>aft liegt bereit für Nachkommen :md Anverwandte des am 12. August 1797 geborenen, für tot er klärten Häuslerssohnes Johann Brandl. Er war zu Seugenhof geboren als Sohn des Inwohners Johann Michael Brandl und seiner Frau Therese, die eine geborene Schießl war. As Zcbramm § kcbrermevel'. Dresden 8ev8t>-. 18 MIMlwls!) l-snäliau88lr. 27 kUi-nLitzoks 8lr. 2 von 4 flg. SN. 300 Sorten 2i§aretten. D kauclilLbake ttockkonanL RU »uerltr-nut t> ßtzMMßMG NssttKvIN, AssSHNssSI'S "s'apissst'ie — pansmenieli Salinen — kuspol8t6rnM8o1a8 un«> »«»I-AtLAN gut u. billig Nnun» NöNIvi» bS7 Dresden-Fr., Schäferstratze 22, Filiale C-ssebaude, Talstratze 20. ?aul N-llm Maler i»«d Lackierer Inh.: Emma verw. R»ther 8llr>or«,Iv»« 28 14 Dtanabad. I'. 8vI»i»»Ntv lupssiororuisistor ß Xsulbuobstrullo 20. dlutrutrion und Lokus, solid und billig. Rspuruturon ullor kolstormöbol. Dupoe-isron dor 2iininor. I,iuolo»ia-I,ogsn. Oskorutionsarboitsn. HolL Vresüvi» 1V 14. Ikvl. 1VL61. Sausrudk panchrr rmpfthlk« meinen garant. ungcschwefelten deshalb sehr be kömmlichen und ge sunden Tabak. 1 Tabakspfeife um sonst zu sPfd meines berühmten Förstcr- taboks f. 4.25^6 srko. SPfd.Pastorentabak und Pfeife kosten zus. b^efr. 0 Pfd. Jagd- Kanaster mit Pfeife s.bo ^ fr. S Pfd. hollönd. Kanaster u. Pfeife 7.50 franko, ^ S Pfd. Frankfurter Kanaster w.Pfeife kost. frko. 10^6 gea. Nachn.; bitte anzugeben, ob nebenstehende OesundheitSpfeife od. eine reichgeschnitzte Holzpfeife oder eine lange Pfeife erwünscht, k. LöUer, »rucksal s(Baden) Fabrik Weltruf. Sch, n. -iir-em«t» für Haus und Gewerbe. »veiil». LLekoe, Bürsten macher, Dresden, Gerbergaffe 24 und Spiegeln geschmückten Wände waren getäfelt. In der Mitte des Raunres stieg der Schaft des Kreuzmastes empor, bis zur Decke mit einem Mantel kunstvoller Holzschnitzerei umkleidet. An ihm stand ein an die Plankung be festigtes schönes Piano. Kostbare Teppiche bedeckten den Boden: bequeme Sofas und Sessel reihten sich an den Wänden. Das hinterste Ende des Salons, unter dem Steuerrade, war durch eine getäfelte Querwand abge schlossen. Hinter dieser lag die Kajüte des Kapitäns, und daran anstoßend noch ein kleiner Raum, das Kartenzimmer, in dem die Navigation festgestellt wurde und einige an Bord befindliche Seekadetten Unterricht erhielten. Der erste und zweite Maat hatten ihre Kabinen am Eingänge zum Salon. Die Kabinen der Passagiere lagen weiter nach vorn zu beiden Seiten eines Gan ges, zu dem vom Salon aus ein paar breite Stufen abwärts führten. Wäh rend ich meine Schritte vorsichtig dahin lenkte, um bei dem fürchterlichen Schwanken des Schiffes nicht hinzuschlagen, hörte ich einen Teil des Ge spräches von drei an der Tafel sitzenden Herren. Der augenblicklich das Wort führte, war ein ostindischer Oberst namens Bannister, ein kleiner Mann mit quittegelbem, galligem Gesicht, aus dem unter buschigen überhängenden Brauen ein paar giftiger Augen hervorfunkelte: sie paßten ganz zu dem grauen Schnurrbart, der hart und drahtähnlich, wie ein Katzenbart abstand. Er spottete, zum Schiffsarzt Doktor Hemmeridge gewandt, über die ärztliche Kunst, die nicht einmal ein Mittel gegen die Seekrankheit besitze, wobei der dritte Herr, ein beleibter Holländer, Peter Hemskirk in seiner breiten Sprache bemerkte: 's sind dä Nerven. Dä Nerven, echote der Oberst, mit einem Blicke auf das Embonpoint des Holländers, na, werter Herr, La scheint Ihnen der Unterschied zwischen Nerven und Magen nicht bekannt zu sein. Ach, es ist alles einSI fiel Doktor Hemmeridge besänftigend ein. Die Seekrankheit geht jedenfalls vom Kopfe aus, und bitte, Herr Oberst, was ist denn das Gehirn anders als . Ha. ha! unterbrach ihn mit wieherndem Lachen der Angeredete. Da haben wir's. Wenn die Seekrankheit vom Gehirn ausgeht, nun dann — ha. ha! — dann ist es wohl kein Wunder, daß Mynheer hier, trotz seiner ersten Seereise, wie er sagt, dagegen gefeit ist. Das waren die letzten Worte, die ich von der interessanten Unterhaltung vernahm. Sie trafen noch mein Ohr, nachdem ich schon den breiten Gang erreicht hatte, an -essen beiden Seiten entlang sich die Passagierkajüten reihten. Aus einigen derselben klangen gedämpfte Klagelaute. Vor einer Tür hockte eine Negerin mit einem Ring durch die Nase, Len Kopf in einer weißen, turbanähnlichen Verhüllung. Sie stöhnte zum Erbarmen, während gleichzeitig ein Ki,d, das sie auf ihren Armen wiegte, schrie, als ob es am Spieße steckte. Gerade als ich an ihr vorbeiging, wurde die gegenüberliegende Tür heftig aufgerifsen. Ein junger Mann mit kreidebleichem Gesicht steckte den Kopf heraus und brüllte: Zum Kuckuck! HaltS Maul, Kröte! Das Ge- schaukel von diesem alten Troge ist schon ohne daS Geplärre genug, um ver rückt zu werden! He! Steward! Stew . . . DaS übrige blieb ihm im Halse stecken. DaS Schiff neigte sich stark zur Seite; die Tür flog auf lin der nur mit Hemd und Hose bekleidete junge Mann mir beinahe in die Arme. Die Ooldinsel. Seeroman von Clark Russell. Deutsche Bearbeitung von H. v. N. zur GSchfische»