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Rr. Jahrg. WUl^ilL Sonnabend den 1. Juli 1916 »«fchSft»st.lle und Ned«rt1o», , Dr-Ad»».«. LS. Hülbeinftrahe 4« Fernsprecher L136S ? PoftscheettorUo Leipzig Nr. 1479V »»»! eNage vlertelja-rU« und aanz De,ttlg »»; m Oeslerrct, ««»»>»» » MerteliS^IG » «» -* Us^land frei Hau» s Gin«eI>Nummer 1« 4- Ich« BollSzettung erscheint an allen I lochen tagen nachmittag». »regten und ganz »4»> »»: in Oesterreich «t» l WlKSMWg «»«eigen, «»»ahme don Gefch»st»an,e>aen bl» Iv Uhr. von Familteiianzeigen bi» 11 Uhr vor:,- Pr,«« für die Peltt-Epalt,eile »0 4. im Reklr- mcteil «« ^. flllr undeutlich geschriebene, sowie durch Hern- sprechcr ausgegebene lllnzeige» können wir dt» Verantwortlichkeit sür die Richtigkeit de» Texte»! nicht übernrhnien. kprechstunde der Redaktion: 11—IS Uhr dorm. Organ der Zentrumspartei. Einzige Tageszeitung für die katholische Bevölkerung im Königreich Sachsen. Ausgabe ä mit illustrierter Unterhaltungsbeilage und relig. Wochenbeilage Feierabend. Ausgabe 8 nur mit der Wochenbeilage. Ikl «Me WM Die Stellungnahme des „Osservatore Romano- znm italienischen Minister Meda Der offizielle Nachrichtendienst hat kürzlich die Neu bildung des Ministeriums des Königreichs Italien ge meldet. Dabei wurde auch der bisherig» Hittungsheraus- geber und Advokat Meda als Vertreter de» Katholiken, oder wie unsere liberalen Zeitungen sagten, der „Klerikalen" erwählt. Der „Osservatore Romano" hat nun als offizielles Organ des Heiligen Stuhles gegenüber der Behauptung, daß die italienischen Katholiken in der Person des ge nannten Herrn Meda einen Vertreter im jetzigen Mini sterium des Königreichs Italien besitzen, entschieden Ver- Wahrung eingelegt. Das offizielle päpstliche Organ führt aus, daß Meda nicht der Vertreter der italienischen Katho liken im Parlamente des Königreiches Italien war und sie deshalb auch nicht im Ministerium vertreten sind. Diese Erklärung des päpstlichen offiziellen Organes ist von prinzipieller Bedeutung. Sie stellt ein für allemal fest, daß das politische Prinzip Pius IX., demzufolge die italienischen Katholiken keine Ursache hätten, durch ihre Betätigung im parlamentarischen Leben und in der offi ziellen Politik des Königreiches Italien für diese eine Verantwortung auf sich zu nehmen, nach wie vor von« Hei ligen Stuhle aufrecht erhalten wird. Wohl haben die Päpste feit dem Tode Pius IX. den italienischen Katholiken die Erlaubnis gegeben, von Fall zu Fall bei den Gemeinde- und auch bei den Parlamentswahlen konservative oder- minder radikale Deputierte gegenüber offenbaren Kirchen- feinden mit ihren Stimmen zu unterstützen. Sie haben aber nie erlaubt, daß eine eigene Partei italienischer Katholiken im Parlamente und noch weniger durch Ein tritt in das Ministerium die Verantwortung für den Kon flikt des Königreiches Italien auf sich nehme und dadurch den am Heiligen Stuhle begangenen Rechtsraub in in direkter Weise billige. Dieser Rechtsstandpunkt des Heiligen Stuhles findet besonders im jetzigen Weltkriege seine volle Berechtigung. Die Katholiken Italiens haben gar keine Ursache dazu, sich dort zu Schleppern und Handlangern des radikalen und größtenteils freimaurerifchen italienischen Nationalismus zu machen. Die italienischen Katholiken haben vor Kriegs beginn unverhohlen ihre Parteinahme für die Neutralität Italiens im Weltkriege zum Ausdrucke gebracht. Sie wur den deshalb von den italienischen Freimaurern vaterlands loser Gesinnung bezichtigt. Mit Unrecht, denn seit Kricgs- beginn erfüllen sie ihre Verpflichtungen im Heere ebenso gut, ja besser als die übrigen Mitbürger. Priester, ja Bischöfe erfüllen ihre Pflichten als Seelsorger. Mehr darf man-aber von den italienischen Katholiken nicht verlangen. Sie können Unrecht nicht als Recht erklären. Der Heilige Stuhl ist im Weltkriege neutral und wird von seiner Neutralität ebensowenig abweichen, wie es Pius IX. im Jahre 1849 tat, von dem die damaligen Nationalisten auch verlangten, er möge den Krieg gegen Oesterreich er- klären. Er tat dies nicht und mußte deshalb in Verbannung gehen. Der den Vertreter der Katholiken spielende Minister Meda jst nur ein lombardischer Konservativer, der mit Hilfe katholischer Stimmen gewählt ist. Er galt bereits vor Kriegsbeginn bei allen aufrichtigen und entschiedenen Katholiken Italiens als ein halber Modernist. — Dies zur Aufklärung für diejenigen, die aus ihm einen „Klerikalen" machen wollen. Italien im Siegesrausch Die Verkürzung der österrcichisch-ungarischen Front hat in Italien einen förmlichen Siegesrausch hcrvor- gerufen, der erkennen läßt, wie leicht manches Volk zu frieden zu stellen ist. Ein Bericht besagt darüber: „Wie vorauszusehen war, eröffnete sich die italienische Kammer unter allergrößtem Enthusiasmus und Sieges- taumel, verursacht durch die jüngsten Kriegsereignisse an der italienischen und russischen Front. Das bedrückte Ge fühl und die große Nervosität, was vor dem Sturze Salan- »»»»»»»»- f Das Neueste vom Tage EI »»»» ' »»»»»»«»^ "" Lei WM deMe WMU (Wiederholt, weil nur in einem Teil der gestrigen Auslage enthalten.', (W. T. B. Amtlich.) Großes Hauptquartier, 30. Juni 1916. Westlicher Kriegsschauplatz. Auch gestern und im Verlaufe der Nacht schlugen unsere Truppen englische und französische Vorstöße an mehreren Stellen, bei Richebonrg durch sofortigen Gegen- angriff. zurück Die feindlichen Gasangriffe werden ergeb nislos fortgesetzt. Die starke Artillerietätigkeit hielt mit Unterbrechungen an. Südöstlich von Tabure und beim Gehöfte Maisons de Champagne vorgehende französische Abteilungen wurden blutig abgewiesen. Links der Maas wurden an der Höhe 304 von uns Fortschritte erzielt. Rechts des Flusses gab es keine Jn- fanterietätigkeit. Die Gesamtzahl der bei unseren Erfolgen am 23. Juni und bei Abwehr der großen französischen Gegenangriffe eingebrachten Gefangenen beträgt 70 Offiziere, 3200 Mann. Hauptmann Bölcke schoß am Abend des 27. Juni beim Gehöft Thiaumont das 19. feindliche Flugzeug ab; Leutnant Parschau nördlich von Peronne am 29. Juni das fünfte. In djlc Gegend von Boureuiües (Argvm.en) wurde ein französischer Doppeldecker durch Abwehrfeuer ^herunter- geholt. Oestlicher Kriegsschauplatz. Abgesehen von einem für uns günstigen Gefecht nörd lich des Jlsen-Sees (südwestlich von Dünaburgl ist vom nördlichen Teile der Front nichts Wesentliches zu berichten. Heeresgruppe des Generals v. Linfingen: Südöstlich vor Liniewka blieben Gegenangriffe der von unseren Truppen erneut aus ihren Stellungen gemor- fenenen Russen ergebnislos. Es wurden über 100 Ge fangene gemacht. 7 Maschinengewehre erbeutet, Balkan-Kriegsschau Platz. Die Lage ist unverändert. Ober st e Heeresleitung. Englands Aushungerungsplan Berlin, 1. Juli. Wie die „Voss. Ztg." von einem Mitarbeiter aus London erfährt, verhandelt die englische Regierung mit Vertretern der neutralen Länder wegen der Einstellung jeglicher Ausfuhr in die Länder der Mittel mächte. Die Neutralen sollen dadurch entschädigt werden, daß England die gesamten Ausfuhrwaren für sich und seine Verbündeten an kaufe. Tic Neutralen müßten sich verpflichten, die Waren mit eigenen Schiffen nach England und Frankreich zu liefern und auf der Rückfahrt englische Güter mitzuneh in e n. Falls die Neutralen auf die englischen Bedingungen nicht eingehen wollten, würden ihnen Ro- Prcfsiv-Maßregeln angedroht. Dir irische Frage In der Berliner Philharmonie sprach gestern abend Chesterton Hill über Irland, wobei er u. a. ausführte, daß die Iren die vollständige Unabhängigkeit und Selbständig keit ihrer Nation erstrebten. Die Engländer hätten es ver standen, die Iren selbst als minderwertig hinzustellen. Sie seien zu arm, ihre Toten zu begraben. Irland sei indessen reich und fruchtbar genug, 20 Millionen Menschen zu er nähren. Der Ire sei arbeitsam, tüchtig, tapfer und genüg- sam. Durch Englands Politik seien Tausende der tüchtigsten Iren aus ihrer Heimat vertrieben. Ein Ausgleich zwischen England und Irland sei nicht möglich, da England niemals eine wirtschaftliche eigene Entwickelung dulden werde. Deutschlands Ziel, die Freiheit der Meere, könne nur er- reicht werden, wenn Irland frei sei. Agitation gegen das englische Dienstpflichtgesetz ,London, 30. Juni. (W. T. B.) Der Gewerkschafts kongreß hat mit großer Mehrheit einen Vorschlag, für die Aufhebung des Dienstpflichtgesetzes zu agitieren, abgelehnt. livsto Usuaxsgllvllv! Voi-Lüglivks piz»II»I08 usuo uncl göbrauobto, all» Hob:- Ukiä LtilLrtou, sovis rmoli 2oioü»uvA »»««0NIU9IS von 60 Llni-Ic Kiesi^s KÜustiM Zssittveir-v botivl LkSssuritbiUr,! »kisl - vkeesoLN dras in den Wandelgängen der Kammer herrschte, ist allge meiner Zuversicht auf die Erringung des Sieges gewichen. Zwischen Regierung und Parlament herrscht anscheinend die beste Uebereinstimmung. Selbst persönliche Kränkungen sind vergessen nnd vergeben. Der Sitzungssaal der Kammer ist überfüllt. Alle Siee sind besetzt: zu spät kommende Abgeordnete müssen stehen. Die Tribünen sind überfüllt, ebenso die Logen der Diplo matie und des Senates. Die Negierungsbank mußte ver längert werden infolge Erweiterung des Kabinetts, und sowohl von der äußersten Rechten wie von der äußersten Linken sind Sitze für die Regiernngsbank hinzngenoinmen worden. Salandra nahm seinen alten Platz rechts vom Zentrum ein. Als das Kabinett mit Boselli an der Spitze eintrat, erhoben sich die gesamte Kammer nnd die Zuhörer auf den Tribünen. Alle brachen in einen niemals gehörten, rauschenden Beifall aus, gleich als ob dieser Gefühlsaus- bruch die Erlösung von einer erwarteten Gefahr bedeute. Die Blätter erklären, daß noch niemals ein Ministerium bei seinem ersten Erscheinen in der Kammer derart mir Beifall begrüßt worden sei. Hochrufe auf Italien wurden laut. Die Abgeordneten schienen sich an ihrer Begeisterung selbst zu berauschen. Nur ans dem Zentrum ertönten auch Hochrufe auf Salandra. Diese Kundgebungen dauerten längere Zeit, bis der Präsident endlich die Sitzung eröffnen konnte. Die Kundgebungen erneuerten sich, als der Präsi dent von der Kammer die Erlaubnis erbat, an Cadorna und sein Heer Gruß und Dank zu entsenden für die heldenhafte Zurückwerfuug des Feindes über die italienische Grenze. Brausende Hochrufe auf Cadorna und das Heer wurden ausgebracht." Und in einem weiteren Bericht heißt es: „Der Siegss- jnbel der italienische Presse dauert an. Die bisher im Ruse des Neutralismus stehende „Stampa" hebt hervor, daß die italienischen Soldaten durch ihre jüngsten Großtaten die Krieger sämtlicher anderen kriegführenden Staaten weit in den Schatten gestellt hätten. (!) Zwischen dem Komitee der Fasci und Cadorna fand ein Austausch von Glückwunsch depeschen statt. Cadorna dankte für das Hobe patriotische Werk der Piazza-Partei. Das Piazza - Organ „Popolo d Jtalia" erkennt heute in begeisterten Worten an, daß das italienische Heer sich rehabilitiert habe. Es gelte jetzt, den fliehenden Feind vollends zu zerschmettern. (!)" Schließlich wird nach mitgeteilt: „Die „Agencia Ste fan!" meldet: Als die Königin Elena um die Mitternacht ein langes Telegramm des Königs erhielt, das den sieg reichen Vormarsch des italienischen Heeres und den über stürzten Rückzug der Oesterreicher meldete, weckte die Köni gin sofort den kleinen Prinzen, dem sie diese und andere gleich darauf eingetroffene Depeschen vorlaS. Die Königin begab sich dann sogleich nach dem im Ouirinal eingerichteten Lazarett, wo sie den Verwundeten die Freudenbotschaft mit teilte." Und nun muß man sich fragen, warum denn all diese Freude und der ganze Spektakel. Soweit die Angelegen heit die Italiener und unsere Verbündete direkt angeht, ist festzustellen, daß die Italiener an keiner Stelle der ganzen Kampffront einen Sieg errungen haben. Unsere Ver bündeten haben lediglich die Teile ihrer Eroberungen wieder freigegeben, die auf Grund der Kriegslage zur Schonung von Menschen nnd Kriegsgerät unbeschadet aller bisherigen Erfolge freigegebcn werden konnten. Die Räu mung der vorgeschobenen Kampflinien war vollkommen freiwillig, sie brachte dem österreichisch-ungarifchen Heere keinerlei Verluste, dagegen erhielt es eine bessere und stärkere Stellung. Wenn die Italiener sich hierüber freuen, so freuen sich sich unnötig, denn einen Erfolg oder gar einen Sieg erzielt man nur, wenn man dabei selbst etwas leistet. Das geschah aber hier nicht und deshalb hätte die Königin ihre Kinder und die Verwundeten ruhig schlafen lassen sollen, lieber die russischen Erfolge, an denen Italien naturgemäß ein indirektes Interesse hat, haben wir uns wiederholt verbreitet. Wir haben das Vorhandensein von russischen Erfolgen nie geleugnet, aber 1. sind sie nicht so groß nnd nicht von so nachhaltiger Wirkung, wie unsere Feinde sie darstellen nnd 2. ist noch nicht aller Tags Abend. X ,