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Der neue Leipziger Leipzig. 6 Sepie,uvcr. Mit Genehmigung des Gcsaintininisicriuins ist die W-ilst dcS Professors Dr. mcd. de»t. Oskar Römer zum Rektor der Uni versität Leipzig für daS ttnivcrsilätsjahr 1928 29 bcstiftgt v -ekeu. Grundsleinlegung für ein Kriippelheim Leipzig, 6. Scp' I» Anwesenheit von Vertretern staatlicher und städtischer Be hörden ist gestern der Grundstein sür ein Krüpvelheli» gelegt worden, das aus privaten Mitteln an der Prenstcnstrastc in Probstheida errichtet werden soll. Die Einrichtung dieses neuen Heimes wird allen Ansprüchen moderner Krüppelpslege ent sprechen. Rücksüllige Einbrecher Leipzig, 6 September. Der Mechaniker Neidhardt aus Eythra bei Leipzig und der Installateur Richard Hartmann aus Leipzig hatten sich am Mittwoch vor dem Schöffengericht wegen Rnckfallsdiebstahls zu verantworten. Neidhardt, der bereits mit Zuchthaus vorbestrast ist. hatte am 10. Juli 1928 einen schweren Einbrnchsdiebstahl in eine Wohnung in der Lortzingstraße verübt, bei -cm ihm etiva 300 Mark, sowie Klei dungsstücke, Mäntel usw. in die Hände fielen. Das Gericht billigte Ncidlxirdt mildernde Umstände zu und verurteilte ihn wegen Nück- sallsdiebstahl zu 1 Jahr 6 Monaten Gefängnis und 3 Jahren Ehrcnrcchlsverlust. Hartmann erhielt wegen Hehlerei 2 Monate Ge fängnis. ) Tödlicher Unfall durch Abspringe» von der Straßenbahn. Am 4. September nachmittags kurz vor 8 Uhr ist eine Fabrikanten- witwe am Augustusplatz von einem fahrenden Straßenbahnzug der Linie 6 abgesprungen. Sie stürzte auf die Straße und kam mit dem linken Unterschenkel unter den nächstfolgenden Anhängcwagen zu liegen. Der linke Fuß wurde ihr vollständig zerquetscht. Sie wurde sofort nach dem Krankenhaus St. Jakob gebracht und ist dort wäh rend der Operation gestorben. ) Bon der Feuerwehr. Das Feucrwebramt gibt bekannt: Im 'Anonü 1928 wurde die Feuerwehr 114 mal alarmiert. Davon waren drei Groß-, zwölf Mittel-, 39 Kleini'eucr, zwei Esscnbrände, ei» Laudieucr, neun blinde Alarmierungen, vier Falschmeldungen, zehn Aufhebungen von Tieren und 34 sonstige Hilfeleistungen. — Auf den Sanitätswachen kamen insgesamt 2526 Fälle zur Behandlung. Die siabl der Krankentransporte betrug 1687, die zurückgclcgte» Fahrstrecken 17 794 Kilometer. ) Gin tätiger Einbrecher. Seit längerer Zeit treibt in Leipzig ein Einbrecher sein Unwesen, der verschlossene Vorsaaltüren durch ge ine Kunstgriffe zu öffnen vermag und der sich auf diese Weise in unbewohnte Wohnungen cinzuschleichen weiß, aus denen er olles stiehlt, ums ibm des Mitnelnncns wert erscheint. Zum letzten Male ist dieser Einbrecher in der Schmidt-Rülil-Straße beobachtet worden; dort wurde er aber in der Arbeit gestört und ist entflohen, ohne etwas stehlen zu können. (ftemnitr. !vvicl<su. PIsurn tz Tagung sächsischer Buchhändler. Bei der am Sonntag in Lim doch abgcbaltcnen Hauptversammlung des Buchhändlerver- boudcs sür das ehemalige Königreich Sachsen war der Hauptpunkt der Tagesordnung die Beratung und Beschlußfassung über die durch A.uorgauisalian des Börsenvereins erforderlich gewordene Acnde- n ug der Satzungen. Der Verband, der künftig den Name» Ver- E aa säcbsücher Buchhändler führen wird, hat beschlossen, im nächsten Jahre seine 50. Hauptversammlung in Meißen abzuhalten. tz Töduch überfahren. Als in Niederhaßlau gestern «aebt kurz »ael, 1 Uhr der in Wilkau wohnhafte Händler Willi Brat- sisch aus einer Elastwirlichaft tretend die Straße überqueren wollte, 'u'f er direkt in einen aus Zwickau kommenden Personenkraftwagen hinein, wurde zur Seile geschleudert und blieb besinnungslos liegen. Ein sosoit hnbeigcruiencr Arzt konnte nur den inzwischen eingctre- leueu Tod seststcllcn. Der Verunglückte hinterläßt eine Frau niit drei Kinder». tz. Rationierung des Wasserverbrauchs. Die anhaltende Trockenheit liat in Wüsteubrand einen solchen Wassermangel s'elvorgcru'eu. piß die Wosscrwcrksleitung den Wasserverbrauch ratio nieren muß. Abwechselnd erhält an einem Tage das Oberdorf, am pö '-sie» Tage das Niederdorf bis auf weiteres Wasser zugeksihrt. K»i5 (Zer Die ner.2 Bahnlinie Lödau-Obercunswalde Löbau) k. September. Die neue Bahnlinie Löbau —Obereunewalde wird mit Einführung des Wintersahrplanes am7. OktoberinBe- trieb genommen. Die Nosenkhalsr DeooiionaUen Anläßlich des Iulüiäums des Gnaüenortes Rosenthal sind durch die Tcmwarensaörik Iohs. Reh in Kamenz sehr wert volle Devollonalien i» den .Handel gebracht worden, und zwar nicht, wie gestern gemeldet, durch die Denlsche Gesellschaft sür christliche Kunst, sondern durch den Diözesanausschufz der „Tagung sür christliche Kunst". Die Mooeile zu den Devolio- nalien sind, ivie wir erfahren, unter der besonderen Leitung von Herrn Professor Groß, Direktor der Kunstgemerbe- Akademie Dresden, von zweien seiner Schüler angefertigt worden. l. Fleischvergiftung. In Bernsdorf (O.-L.) erkrankten etwa vierzig Personen unter Vergiftungserscheinungen. Man nimmt an, daß sie aus den Genuß nicht einwandfreien Hackfleisches zu- rückzusühren sind. In einer Familie erkrankten neun Per- > sonen. l. Jugendliche Ausreißer. Zwei Knaben hatten ln Zittau einem Handwerksmeister aus einer Lade 300 Mark entwendet und j waren damit geflüchtet. Jetzt ist es gelungen, die beiden neun und zehn Jahre alten Diebe in Görlitz festznnchmen. wo sie durch ihr Benehme» und große Geldausgabe ausgefallen waren. Die jugend lichen Ausreißer, die von dem unterschlagenen Gclde bereits 160 M. verausgabt batten, wurden nach Zittau zurückgcbrockt und der Po lizei übergeben. l. Autounfall an der tschechischen Grenze- Ein rcichsdcutschcs Auto, das eben erst die Grenze passiert hatte, fuhr dieser Tage in Kaiserswald« einen Landwirt, der »eben seinem mit Kühen bespannten Erntewagen cinberging, um »nü schleifte ihn eine Strecke weit, so daß der Man» nicht uncrbcblichc Verletzungen erlitt. Zum Glück war daS Auto langsam gefahren. Es hatte den Wagen auf falscher Seite überholt, da den, Lenker nicht bekannt >var, daß man in der Tschechoslowakei links fährt I. Kirchliches Jubiläum in Hainspach. Die nordböhmische Pfarrgcmeinde Hainspach begeht vom 7. bis 9. d. M- ihr 300- jähriges Jubiläum. In der Rcsormationszeit evangelisch geworden, wurde Hainspach im Jahre 1628 wieder katholisch und gewann auch die Nachbargemeinden Lobendau, Schönau, Nirdorf und Zeidler in der Folge für den katholischen Glauben. Der Feier wird auch der Wcihbischof Frind beiwohnen, der am Sonntag das Pontifikalamt abhält. I. Motorradunfall. Auf eigenartige Weise verunglückte am Dienstagnochmittag der Kaufmann Seichter mit seinem Motorrade. Als er in Endersdorf lKreis Reichcnbach, Schles.) die sehr unüber sichtliche Kurve passierte, kam ihm ein Auto entgegen, das ihn mit einem Kotflügel am linken Bein streifte. S. verspürte wohl einen Schlag, dem er weiter keine Bedeutung beimaß, und fuhr weiter. Kurze Zeit später aber stellten sich so heftige Schmerzen ein, daß der Verunglückte das Weilerfahren einstcllen mußte. Er ließ sich nach der rechten Seite vom Rade fallen und blieb hier etwa zwei Stunden lang liegen, bis Passanten ihn fanden und die Reichen bacher Sanitätskolonne herbeiricfen. S. wurde in das St. Josefs krankenhaus gebracht, wo man feststellte, daß S. einen komplizierten Unterschenkclbrnch davongetragen hatte. l. Kriegsteilnehmer der Deutschen Reichsbahn. Vom 1. bis 3. September fand in Zittau sSa.) eine sehr stark besuchte Wie- üersehensfeier und Jahreshauptversammlung der Kriegsteil nehmer der Deutschen Reichsbahn statt. Der 1. Vorsitzende, Reichsbahn-Inspektor Hermsdorf, Dresden, begrüßte die etwa 800 Vertreter aus allen Teilen des Deutschen Reiches, ganz besonders den Vertreter des Generaldirektors der Deutschen Reichsbahn und die Vertreter der Reichsbahndirektionen. Am Sonntag vereinigten sich die Teilnehmer zu einer erhebenden Gedächtnisfeier mit Kranzniederlegung am Gedenksteine für gefallene Eisenbahner. Die nächste Feier, verbunden mit der zehnjährigen Gründungsfeier, findet vom 5. bis 7. Oktober 1929 in Dresden statt. C.-V.-Tressen In Rumburg. Sonnabend, den 15. Septem ber d. I. findet in Rumburg in Nordböhmen ein C.-V.» Tr essen statt, wozu alle A.-H. A. H. und Aktive des C.-V. im angrenzenden Sachsen herzlichst eingeladen werden. Ve- ! SNmmen aus dem Leserkreis Aus unserem Leserkreise gehen uns folgende Zeilen zu: Wer am letzten Sonntag dem Hochamt in der Katholischen Hofkirche beiwohnte, war wohl von der störenden Straßenmusik wenig entzückt. Ich Halle es sür eine Flegelei, die in einer Kirche versammelten Gläubigen durch so ein Benehmen zu stören! Es bleibt sich im Grunde gleich, welchem Verband die Musikkapellen angehörten, jedenfalls hat sich die in Frage kommende Organisation in ein schönes Licht gestellt! Die vom Verkehrsamt des Polizeipräsidiums angebrachten Schilder oor Kirchen, betreffen ja nur Kraftfahrzeuge, doch könnten politische Organisationen auf die Schilder auch achten und befolgen. Gib! es keine Möglichkeit das Umherziehen mit Musikkapellen während des Gottesdienstes an Kirchen zu verbieten? Wo ist der Verein zur Förderung des Fremdenverkehrs? Derartige Störungen des Gottesdienstes sind seit einiger Zell häufiger, auch andere Kirchen können ein Klagelied singen. Will Dresden den Ruf als Kunststadt auf kirchenmusikalischem Gebiete nicht verlieren, so muß man auch diese Kunst wie andere Kunst schützen. Anmerkung der Redaktion: Wir haben in unserer Dienstag-Nummer bereits in gleicher Weise zu dieser Frage Stellung genommen. Es wäre außerordentlich wünschens wert. wenn die Frage der Straßenumzüge mit Musik während der Gottesdienste von den zuständigen Stellen, gegebenenfalls vom Landtage einmal gründlich erörtert und geregelt würde sonder« Einladungen ergehen nicht. Treffpunkt, nachmittags 3 Uhr c. t. im Gasthof Hirsch in Rumburg, Marktplatz. Nach mittags Ausflug, abends gemütliches Beisammensein. Pienis coloribus! — C.-B.-Philisterzirkel „Niederland". Keifte Quellen in Kipsdorf? Kipsdorf, 6. September Ans Veranlassung des hiesigen Gemeinderates und mit Unter stützung der Aibeitcrpensionskasse der Reichsbahn In Dresden, die ei» Erholungsheim in Kipsdorf unterhält, werden zur Zeit aps Grund der Angaben von Wünschelrutengängern hier Bohr nu tz e n vorgenommen, die bereits bis zur Tiefe von 80 Meter gelangt sind. Man erwartet, hier auf heiße Quellen zu stoßen. Ob und inwieweit das Wasser der neuen Thermalquelle mineralhallig und heilkräftig ist, bedarf noch eingehender Prüfung. Das Ergebnis der Arbeiten ist für die Zukunft Kipsdorfs als Erholung?- und Kurort von großer Bedeutung. d. Fabrikbrand. In der Nacht zum Mittw.'ch entstand in der Radeberger Da ch pa p p e n fab r i k G. m. b. H.. die zwischen Radeberg und Kleinwolmsdorf gelegen ist ein Grosz- feuer. Die Feuerwehren von Radeberg, Klq'nwolmsdars. Wallroda und Arnsdorf waren bald zur Stelle, mus ^en sich aber darauf beschränken, die angrenzenden Wohnhäuser zu schützen, da das Fabrikgebäude nicht mehr zu retten war. Die gesamte» Fabrikanlagen brannten nieder, das angrenzende Wohnhaus konnte gerettet werden. Leipziger Sender Freitag, 7. September: 15.00 Uhr: Konzert. 16.30 Uhr: Konzert 1805 Uhr: Leseproben aus den Neuerscheinungen aus dem Büchermarkt. 18.30—18.55 Uhr: Studienrat Friebel und Lektor Mann: Eng lisch für Fortgeschrittene. (Deutsche Welle, Berlin.) 18.55—19.20 Uhr: Ing. H. Behr: Technischer Lehrgang für Fach arbeiter und Werkmeister: „Kalkulation". (Deutsche Welle. Berlin.) 19.25—19.55 Uhr: Prof. Ottomar Enking, Dresden: „Grapho logie". II. „Geschichte und Methode der Graphologie". 20.00 Uhr: Wettervoraussage und Zeitangahe 20.15 Uhr: Klabund zum Gedächtnis. 21.00 Uhr: Konzert. 22.00 Uhr: Pressebericht und Sportfunk 22.15-24.00 Uhr: Funkbrettl. Wettrrberichk der Dresdner Wetterwarte Witterungsaussichten. Meist heiter, zeitweise wolkig, warm, vorübergehend auffrischende Winde aus westlichen Rich tungen. I ^ - ' - Wcktze Zade-ZWle Von M. R. Iünemann. Da. w.i das Riesengebirge mit den Jserbergcn zusammen- i -c und ^z-z.'-mais die schwarz-gelben Psahle der Donau» Mvua.chw standen, verlaust heute die Grenze der tschecho- siv s.ria. en Republik. Die elektrifizierte Riesengebirgsbahn stc.jzt reu Hirschkerg aus 890 Nieter Höhe hinauf und rutscht bei d:: Grenzstation Polann-Polubny wieder auf 600 Meter bch l.e. en he unter Der lebhafte Touristenverkehr wird von Pust- und Z.'ü'iebörtnn wenig in Anspruch genommen, ja, lve-n man als Fußgänger hiuüberwechielt. und also tschechischen Va-en be.riu. hat man das steinige Belt der Jser über die L'rl.üe, in deren Besitz sich beide Reiche teilen, überquert, ohne eine Uniform gescheit zu haben. Und wenn man dann als Sommergast ungehindert hinüber- und hcrüberspazieren kann und sich zu NciUuz das ..Schlesische Himmelreich", zu Abend etwa die böhmischen Zmeiichgentnödel einverleiben kann, und b-'un RachmiUagiästee die knusprigen ci-clcrsnt österreichischen Kipfel" köstiich. munden, dann lut sich fernab von der ge räuschvollen Heersirisze der hohen Politik, fernab von den Hinter türen diploniatstcher Geheimlechnik rin ganz nrbanes. behag liches Gesiihl von ehrlichem, internationalem Verstünoigungs- wiilen aus, der hier aus engem Raum also durchaus praktisch gebaudhadt wird In dem engen Waldtal, fast so eng wie tief, surrt im Zehustundentag das ärgerliche Gebrumm von vielen hundert Webstühlen, die ein großer weißer Steinbau kasten mit über dreihundert Menschen von Sonne und Wiese und Sommer hartherzig eingesperrt hält. Alle Viertelstunde teilt ein metallisch hoher Ton von der Uhr im First die be haglich dahinschlendernde Zeit draußen in kleine Portionen: die hutzeligen, gepflegte» Dämchen, die hier im kleinen Kur haus ein bißchen Moor und Schwefel baden, sehen dann von den endlosen Slriädeächen auf, die man hier nicht als Heim arbeit zu deklarieren braucht, oder überlegen in ernster Hal tung, ob man vor dem Essen nicht zweckmäßig noch ein Stückchen Wiesenpsad ginge, den blaue Glockenblumen, gelber Löwen zahn und weiße Kamille säumen; der gichtische, klapprige Pensionaär der k. k. Armee vergleicht ärgerlich seine schon wieder nachgehende Taschenuhr und spricht einiges über sein Rheuma. Eine dickliche Mama ruft von ihrem gelbgeheftetem Roman ausgeschreckt nach ihren Sprösslingen. Vom kleinen Speise- laal her zieht ein ahnungsvoller Duft vom mittäglichen Wiener Schnitzel. Die voluminöse Dame aus Dresden erzählt Wortreich von ihren Einkäufen im Gebirge. La»ter Okkastonen. Und Herrlichkeiten aus der nahen Bijouteriestadt Gablonz. In der Beschaulichkeit des zusammengewürfelten enggegzogenen Kreises wachsen die Dinge und die Menschen im Quadrat. Alles gewinnt an Wichtigkeit, an Schwere, an hoher Bedeutung. Schwergewichte tragen die gegenseitigen Berichte vom guten oder schlechten Schlaf der letzten Nacht, von der Bekömmlich keit des harmlosen Kurgebrauchs, vom gestrigen Speisezettel und Vermutungen über den heutigen, — o ja, davon vor allen Dingen, — nun, und dann von den Preisen drüben in den anderen kleinen Sommerfrischen. Das Wetter aber und seine Prognosen nehmen den breitesten Raum ein: jedenfalls hat der liebe Gott alle Hände voll zu tun, darin es jedem recht zu machen. Zweimal am Tag rattert ein Lastkraftwagen und ein wackeliges Autobüschen zur Station hinauf. Die dichten Wälder und die Höhe schlucken den kleinen Zug. Nichts von der weiten Welt draußen, wenn der schwarzuniformierte Post bote einnial vergäße, die Sehnsüchte mit seiner sachlichen Lang samkeit und ein wenig unbecholfener Uebergabe — er hat eine Hnndschußverletzung — von Amtswegen zu stillen. Viel kor respondieren kann man so wie so nicht, denn cs gibt nur eine einzige Ansichtskarte, die vom kleinen alten Badehaus. Keine Personcnwage stört das geruhsame Kurlcbcn um die zehn allen Ladestellen herum. Man vergißt, nach Kalorien zu essen. (Und bei den schrumpeligen silberchaarigcn feinen Jüng- ferchen schlägt sowieso nichts mehr an.) Sonntags sausen Autos heran und kläffen gleich nach den) Imbiß unter den brcitüstigen Bäumen hochmütig wieder dabon. Weltercrprobte Touristenpaare wandern mit knickenden braunen Knien und hochbepackt vorüber, in die süße Schwermut der Wälder hinein. Auf den Höhen rings sind kleinfenstrige Bauden. Das stil volle kleine Badchaus mit den üppigen bunten Dahlienbeeten davor bleibt als Fermate seitab vom forschen Viervierteltakt der Marschmelodie. Dann gibt es Tage, wo die geharkten Wege, die einsam im Kübel gilbende Palme und die feuersprühcnden Georginen un ter der grauen Eintönigkeit unaufhörlich nicderplätscherndcn Regens stehen. Selbst der unvermeidliche Lautsprecher in der Kurhausveranda, deren fcuchtbeschlagene Scheiben mitleidsvoll die triefende Trostlosigkeit draußen verdecken, klingt schon naß und verschnupft. Dunkle Wärme quillt von der Ofenecke her. Vergriffene bunte Hefte tauchen aus verstaubtem Winkel auf und geben unter den grämlich verknitterten Gesichtern die Vi sion an das unerquickliche Wartezimmer daheim beim Zahn arzt. Der Nachmittag geht hin. Der frühe Abend. Die alten Herren ziehen sparsam an einem-undefinierbaren Kraut. Di« Damen hüsteln, tratschen, tauschen Kochrezepte. Erinnerungen aus der Zeit vor dem Kriege, Erfahrungen mit dem Hauswirt daheim und von vorteilhaften Einkäufen »um hundertsten Mal aus. Die Stimme vom Radio aus Königswustcrhausen quäkt unentwegt weiter. Einmal — wumtata — blättert sich ein alter Straußscher Walzer heraus. Die wichtigtuerische Unter haltung reißt kleckernd ab, verebbt, schläft ein. Ein verträum tes Lächeln aus Vackfischzeit. versonnene alte Augen, ein grauer Scheitel im wiegenden Takt . . . Nur langsam knotet sich der Faden des Gesprächs wieder an. Und um die Stunde, wenn in Berlin die zweite Kinovorstellung beginnt, löschen hier di« Gemüter und di« Lichter aus. Der Regen rauscht sein müde» Lied durch die schwarze Nacht. Anderntags sind sämtliche Wetiersachverständigen die Her eingefallenen. Strahlende Herbstsonne und eine durchsichtige blaue Glasglocke über dem tiefen grünen Waldtal. Alle Viertelstunden teilt ein metallisch hoher Ton von der Fabrikuhr die im Nhythmbs des Badelebens geruhsam tändelnde Zeit in kleine Portionen. Aber drinnen zwischen dem unerbittlichen unaufhörlichem Gebrumm surrender Transmissionen und klap-. pcrndcr Wcbstühle in dem großen weißen Fabrikgebäude zählt man nur nach dem maßvoll seltenen Tuten der Sirene. Ganz ungezählt rieseln die für die Kurgäste wichtigen Uhrschläg« draußen vom First herunter in die sechs grauen Werktage. Am Sonntag aber begegnet man sich auf gemeinsamer Ebene. Der Wald, die Chaussee, der Wiesenpfad ist für alle da. „Grüß Gott!" sagen die Arbeiter und ziehen höflich die Mütze. „Hab die Ehre!" tut der Werkbeamte verbindlich zu den Fremden. Es hat so den Anschein, als reiche die Fanfare vom Klassenhaß nicht bis hierhin . . . denn die große Stadt mit ihrer Not Und Armut, mit ihrem Haß und Neid, wo im engen Pferch der grauen, finsteren Sieinkästen der Bruder den Bruder um dreißig Silberlinge erschlägt, ist weit. Und hier ist ein kleines, weißgctünchtes Häuschen, ein Fleckel Erde für die Kinder, eine selbstgezimmerte Bank vor der Tür, und un term niederen Fenster blühen rote Levkojen. Hier ist Heimat. Vielleicht ist das der al.lertiesst« Grund, warum die zerräderten, müden Menschen mit dem be scheidenen Anteil am hannlosen Moor und Schwefel im alte« kleinen Kurhaus hier wirklich gesund werden . . . Exerzitien im Kloster Marienlhal bei JtNaur Jungfrauen: 10. bis 1k. September, Frauen: IS. bis 19. September.