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Sächsische Volkszeitung : 07.09.1928
- Erscheinungsdatum
- 1928-09-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192809074
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19280907
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19280907
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1928
-
Monat
1928-09
- Tag 1928-09-07
-
Monat
1928-09
-
Jahr
1928
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 07.09.1928
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Vinnen. Da» zweite Element: Einbau des Laien apostolates in die Verfassung der Kirche, wie Christus sie ge wollt, freudige Bereitschaft gegenüber den Weisungen der Führer, die Christus ihr gegeben hat. Die Katholische Aktion will die apostolische Tätigkeit der Laien jener der Priester an- gliedrn und ihre geschlossenen Reihen zu einer machtvollen Phalanx, zu einer «als, dono orckknata in der Hand der Bischöfe und des Stellvertreters Christi auf Erden machen. So ruft der Heilige Vater zur Katholischen Aktion auf. Co stellt er sie in dem herrlichen Rundschreiben „vdi oi-canc," hin als heilige Pflicht der Hirten wie der Gläubigen. Die Katholische Aktion kennt keine allgmein- gllltige äußere Form. Eie schafft sich ihre Form nach der jeweiligen religiösen und kirchlichen Lage der Länder und Völker, freilich immer in bemühter, grundsätzlicher Einordnung in die hierarchische Gliederung. Die Organisation ist das Aeußere. Was die Katholische Aktion vor allem anderen dem ganzen Zellenbnu des katholischen Lebens geben will, das ist die Seele: katholisches Selbstbewuhtsein, katholische Erund- satztrcue, einheitliches katholisches Denken, Wollen und Wirken. Die Katholische Aktion wird also in keiner Weise wert volle und lebendige katholische Organisationen mit religiösem Ziele, an denen das katholische Deutschland so reich ist, zer stören oder beeinträchtigen. Diese Organisationen mögen alle unter Wahrung ihrer Eigenart und Eigentätigkeit dem einen Leib der Katholischen Aktion als Glieder eingefügt werden, von ihr Geist und Richtung empfangend und wiederum deren Leben bereichernd. Die Katholische Aktion will auch nicht die relative Eigengesetzlichkeit der Kulturgebiete leug nen. Sie belicht daher den Organisationen der Katholiken mit rein kulturellem Ziel ihre Selbständigkeit, es ihnen anheim stellend, mit ihr in Arbeitsgemeinschaft zu treten. Sie ist eben sowenig Politik. Sie wird also den Katholiken nicht in rein polnischen und rein wirtschaftlichen Fragen eine bestimmte An schauung aufzwingen. Aber eines will sie erreichen und mutz sie erreichen: dem katholischen Volke Führer zu geben, die über all da, wo Kultur, Wirtschaft und Politik das Gebiet des Religiösen nnd Sittlichen berühren, klar und sicher auf dem Boden der katholischen Weltanschauung stehen. Weit entfernt, die Katholiken zu trennen und zu spalten, wird sie deshalb viel mehr da, wo die katholischen Interessen cs verlangen, Zu- sammcnschlusz und Einheit schassen. Enge Verbindung der Priester und Laien aus dem Ge danken des aeminsamen Apostolats für Christus, einheitliche Arbeit der katholischen Organisationen aus der Kraft einigen der, selbstloser christlicher Liebe, einheitliche Führung der Katholiken in allen Fragen des religiösen und sittlichen Lebens nach den Grundsätzen unseres Glaubens und den Weisungen der von Christus bestellten Lehrer und Hirten, das ist die unmittel bare Aufgabe, in deren Dienst die Katholische Aktion tritt. Ausbreitung des Reiches Christi, Anerkennung und steigendes Sichauswirken der Eottesorünung auf allen Lcbensgebietcn, im ganze» Bereiche der Natur und Uebernatur, das ist das letzte hohe Ziel, dem sie zustrebt. Die Gesinnung, in der sie arbeiten evill, i ö'Iis 6esinnung cien üdsrnatürliLsn 8b'8Xpb'8I<p wil, ist die Gesinnung übernatürlichen Optimismus, des über natürlichen Optimismus, mit dem die Katholiken Deutschlands den großen Eottestempel der katholischen Kirche in der Diaspora aufgebaut haben. Das Zusammenwirken glaubensmutigen Apostolates und der wunderbaren Hilfe des allmächtigen Gottes hat diesen Niesendom erstehen lassen. Mit der Gesinnung, mit der Generationen an ihm gebaut haben, sollen Sie Ihre Herzen und Ihre Kräfte der Katholischen Aktion weihen. Sie habe» Gott und die Wahrheit auf Ihrer Seite, Sie kämpfen für Christus und seine Kirche. Der Sieg wird Ihnen sicher sein, wenn Sie deren Leitung sich anvertrauen, durch die Christus sie leite» will. Daß der Gotteobau der Diasporakirche sich weite und ver vollkommne, daß das starke und heilige Band der Katholischen Aktion Ihr ganzes Land umspänne, Schutz vor Berirruna und Entzweiung, Einheit de, Denken» und Handelns, dafür spende ich Ihnen allen im Namen unseres Heilige» Vater» Pius XI. von Herzen den Apostolischen Segen. Mit großer Spannung hörte die Versammlung die pro grammatischen Ausführungen des päpstlichen Stellvertre ters und seine in sichtlicher Bewegung ausgesprochenen Wünsche für die Entwicklung der Diaspora. Kniend emp. fing man den apostolischen Segen. Von stürmischem Beifall begleitet, sprach hierauf der Bischof von Paderborn, Dr. Caspar Klein. Er gab seiner großen Freude über die Tagung des Katholikentages in Magdeburg Ausdruck. Zwei auf einander folgende Katholikentage in der Diözese Paderborn! Tief bewegt sprach der Bischof von den starken Eindrücken der großen Dortmunder Tagung: der Magdeburger Katho likentag habe eine besonders große Bedeutung. Indem der Bischof auf seine Aufgaben näher einging, betonte er mit Nachdruck den Geist der Liebe, der alle Beratungen be herrschen und den nachhaltigen Erfolg der Tagung sichern müsse. Die Diaspora dankt dem Katholikentag und wird aus ihm neuen Mut, neue Anregung, neue Beruhigung und Siegeszuversicht schöpfen. (Wir werden die Rede noch ausführlicher wiedergeben.) Die Versammlung dankte dem Bischof durch jubelnden Beifall. Der Stimmung angepaßt war die dann zu Gehör gebrachte Hymne von Kromolicki. Das Wort nahm sodann Oberbürgermeister Beims. Vegrützung durch die Sladt Er führte aus: „Der Magistrat der Magdeburger begrüßt den Katholiken tag. Die Stadt, in der Sie tagen, ist eine alte Stadt. Eie hat, wie Ihnen bekannt, eine wechselvolle Geschichte. Es gab Zeiten, da Magdeburg eine der mächtigsten und größten Städte Deutsch lands war. Danach folgte schwerste Niederlage. Und im Jahre 1K!1 die völlige Zerstörung durch Tilly. Damals war die Le- benskrast der Stadt gebrochen: Armut, Zweisel und Zwietracht, Mutlosigkeit hinderte Jahrzehnte hindurch den Wiederaufbau. Als die Erholunaeinsetzte, kam die Stadt zu Preußen und dieses ließ die Stadt Magdeburg durch den Festungsbau in Fesseln schlagen, die es mehr als zwei Jahrhunderte tragen mußte. Das war die Zeit, in der alle anderen Städte ihre Kräfte lebendig werden ließen. Magdeburg blieb zurück, weil cs innerhalb der Festungswälle eine größere Entwicklung nicht gab. Inzwischen sind die Wälle — wenigstens zum Teil — ge fallen. Magdeburg konnte sich nun regen, und es hat sich geregt. Heute sind Kräfte in dieser Stadt lebendig, die nachholen wollen, was Jahrhunderte verhinderten. Zwar sind auch hier, wie überall, die Schwierigkeiten groß. Die Sonne der staat lichen Liebe hat Magdeburg nicht beschienen uns ihre wärmenden Strahlen, die so mancher anderen Stadt im reichen Maße zuteil wurden und werden, reichen nicht von Berlin bis Mag deburg. Was hier geschaffen wurde, das entstand vielfach gegen den staatlichen Willen unter Erschwerungen mannigfacher Art aus eigener Kraft! Wir Magdeburger sind also von oben her nicht verwöhnt. Erst in jüngster Zeit besserten sich dies« Verhältnisse. Nun wird man cinwenden, daß ja die Stadthall«, in der wir tagen, ein Beweis dafür sei, daß Magdeburg der staatlichen Hilfe ent behren könne. Aber so liegen die Dinge nicht. Diese Halle war so nötig für die Geltung der Stadt als das liebe Brot für den Menschen: denn fast alle Magdeburger Saalbauten liegen im alten Festungsrayon, siird also leichte Holzbauten, die für größere Zwecke nicht in Betracht kommen. So wurde Magde burg von allen größeren Veranstaltungen gemieden. Will aber eine Stadt den Ansprüchen gerecht werden, welche sich aus der Wirtschaft und den allgemeinen Kulturbedürfnissen usw. ergeben, so muß sie große und würdige Räume schaffen und unterhalten. Darum haben wir nach dem alten Sprichwort gehandelt: ..Sich regen, bringt Segen!' Wir haben die Hände geregt, haben diese würdige und schöne Halle gebaut, und die Tatsache, daß der Katholikentag nach Magdeburg eingeladen werden konnte, ist eine der Erfüllungen unserer Hoffnungen. Wenn in Deutsch land der kommunalen Arbeit Widersacher entstanden sind, so erklärt sich das aus Entwicklungen, die der Präsident des vor jährigen Katholikentages in Dortmund mit dem Hinweis auf gewisse wirtschaftliche Tendenzen gekennzeichnet hat. Die Irrun gen und Wirrungen, di« immer die Folge größerer Kriege waren, mußten nach den ungeheueren Erschütterungen des Welt krieges besonders stark im Gemeindeleben hcrvortreten. Sie sind nunmehr im Abflauen bearirken: aber nocki ist vieles un geklärt, und unsicher kft die Basis, die Rechtsgrundlage der Städte. Wir in Preußen entbehren der Neugestaltung der kom munalen Verfassung und von den alten Gesetzen gilt, was Wilhelm Busch von der Kontorseife konstatiert«: „Hier sicht man ihre Trümmer rauchen: der Nest ist nicht mehr zu ge brauchen". (Heiterkeit.) Eine Rechtsverworrenheit liegt vor, und so erklärt sich das Bestreben der Allzuvielen, auf eigene Faust hineinzuregieren. So erklären sich auch die Angriffe der Wirtschaft gegen di« Stadtverwaltung. Wir geben zu, das in den Nachkriegsjahren schwere Fehler in den Stadtverwal tungen gemacht worden sind: aber wir wissen auch, mß die Ankläger ebenso große Fehler gemacht haben. T i e öffentliche wie die private Wirtschaft lebrn aus derselben Quelle, aus der Volkskraft. Und keinevondeidenLatVorrechterubeanspruchen. Wenn heute die Grundlagen jedes Städtelebens gefährdet wer den, so muß mit Nachdruck darauf hingewiesen werden, daß, wie die Dinge heute liegen, Deutschlands kulturelle uyd materielle Kräfte zum überwiegenden Teile in den deutschen Städten liegen, und daß daher die Grundlagen des Wohlergehens des deutschen Volkes sind. Verzeihen Sie mir, wenn ich unbescheiden, wie man unter dem Drucke der Zeit wird, meinen kommunalen Meinungen hier Ausdruck gab. Ich glaubte für diese aktuellen Zeitbeschwer den Ihr Interesse erbitten zu dürfen, denn wir sind eine Volks gemeinschaft, und was uns an Segen oder Leid trifft, das geht uns alle an: denn wir find allzumal Brüder. Magdeburg hat sich zur Zeit der Tagung mit Blumen ge- schmückt. Im Park „Vogelgesang" blühen zur Zeit mehr als 40 000 Dahlienstöcke, die an 100 000 dieser schönen farbenprächti gen Herbstblumen tragen. Sollten Sie während Ihrer Äagung eine freie Stunde finden, so fahren Sie hinaus zur Herbst- blumenfchau in Magdeburg. Und wenn auch in dieser hochansehn lichen Versammlung Interesse für den modernen Woh nungsbau lebt, so empfehle ich Ihnen einen Besuch der neuen Stadt an der Diesdorfer Straße, die durch Anlage und Bauausführung eigenartig ist. Ich bin sicher, daß die Magdeburger Bürgerschaft den Katholikentag und die Teilnehmer freudig grüßt. Mögen Ihre Arbeiten einen baldigen Erfolg haben! herzliche entstehen! Herzlich willkommen in dem alten und ewig jungen Magde burg! In weiterem sprach der Oberpräsident der Provinz Sachsen herzliche Willkommensworte. Dann wandte sich der Katholikentag seiner eigentlichen Tagesordnung zu. Prof. Dr. St eff es (Münster) er stattete ein großzügiges Referat über „Die katho lische Kirche im Geistesleben der Gegen war t". Da die Versammlung beim Redaktionsschluß noch tagte, bringen wir den weiteren Bericht über die Er öffnungssitzung in der morgigen Ausgabe. Das eine können wir heute schon feststellen: der Katho likentag erfreut sich in Magdeburg einer sehr freund lichen Aufnahme nicht nur durch die Behörden, son dern auch durch die nichtkatholische Bevölkerung, und die Begeisterung, mit der die Magdeburger Katholiken den Katholikentag vorbereitet haben, ist beispiellos. Möge der Segen ebenso groß sein, der von ihr in die Diaspora fließt! Der Katholizismus in China Die katholische Presse Italiens nimmt von einer Erkl8- runa Kenntnis, die jüngst der chinesische Botschafter in Paris und frühere chinesische Außenminister Ceng Lo, der Vorsitzender bei der letzten Völkerbundstagung war, über die Tätigkeit der katholischen Kirche im Reich der Mitte machte. Der Diplomat erinnerte zunächst daran, daß in de» vergange nen Jahrhunderten infolge der imperialistischen Politik einiger europäischer Mächte ein Zwiespalt zwischen den chinesischen Katholiken und der großen Mehrheit des chinesischen Volkes klaffte. „Diese Sachlage", so äußerte der Staatsmann, „war ein Hindernis für eine gedeihliche Entwicklung des Katholizis mus in China. Nach dem Kriege ist eine Aenderung in der Politik des europäischen Westens eingetrcten, und auch in China verwechselt man nicht mehr die religiöse Tätigkeit des Katholizismus mit der Politik von Regierungen. Seitdem ist die katholische Religion von allen Hemmnissen befreit und kann ohne Schranken ihre Lchre von der Nächstenliebe zum besten der chinesischen Nation entfalten." ?rbr. ll. v. ?. Dos Grab von Jovana Don Hans Schmidt-Peschell. (10. Fortsetzung) In einer Ecke einer solch muffigen Zelle lag Pohl. Ihm war's, als ob er geschlafen hätte, denn er fühlte sich ein wenig erholt am ganzen Körper, und das schmerzhafte Brennen seiner Füße hatte nachgelassen. Sein Erwachen verursachte ein polterndes Geräusch, mit dem man die Luke von der Oesfnung in der Decke fortgenommen hatte. Und, nun fiel das Licht des sich langsam senkenden Tages zu ihm herein. Der Dunst hob sich und schlug mehr und mehr durch die Oesfnung hinaus. Bald darauf rasselte es an der Tür, sie wurde erschlossen, und ein Wächter trat in die Zelle. Mit einem Gefäß begab er sich zu dem Gefangenen, das er Ihm grob an den Mund setzte. Pohl labte sich in ein paar hastigen Zügen, denn es war frisches Wasser, das er zu trinken bekam. Dann ging der Wächter zur Tür zurück, setzte das Gefäß fort, um mit einem Napf gleich darauf wieder zu erscheinen. Er setzte ihn zu Füßen des Gefange nen nieder und verschwand. Dann wieder legte sich eine himmlische Ruhe um den Raum, dem nur durch den üblen Geruch etwas Höllisches angehaftet war. Allerdings be wegte sich Pohl nicht mit der Freiheit eines Engels, son dern ein einige Meter langer Strick lag immer noch fest um seinen Oberkörper und schnürte ihm die Hände unbeweg lich auf dem Rücken zusammen. Er hatte sich von seinem Lager erhoben und machte einige Bewegungen zur Er munterung seiner Fuß- und Beingelenke, ließ sich auf die Knie niedersinken, um dem Napf am Fußboden mit dem Munde näher zu kommen, und es kam ihm fast spaßig vor, aus dieser Stellung den Reis aus dem Gefäß heraus zu schlürfen, wobei das ganze Gesicht an der Fütterung teil- »ehmen mußte, zum mindesten aber die Nase, die sich neu gierig am tiefsten in den Brei hineinbohrte. Der Hunger aber lehrte ihn, wie es zu machen war, und mit der Art eines Hundes versuckte er die Zunge stark zu Hilfe zu neh men, die sich darauf die größte Mühe gab, so lang als mög lich sich zu strecken und ihre Arbeit zu verrichten. Später stand Harry Pohl mit dem Rücken an die Wand gelehnt und sein Blick schweifte durch das Gitter an der Decke hindurch bis weit hin, da, wo sich die Bläue des Himmels langsam zu verfinstern begann. Er überlegte. Und dieses Ueberlegen war ein Beweis für seinen uner- loschenen Mut. Würde er bei seiner Vernehmung ohne weiteres Farbe bekennen, sein Geheimnis den Richtern ver raten, so wurde es keine große Mühe kosten, seine Unschuld zu beweisen und glaubwürdig zu machen. Zweifellos würde er in kurzer Zeit die Freiheit wieder erreicht haben, und alle Gefahr wäre von ihm gewichen. Doch der frische Mut in ihm ließ ein Aber aufkommen und bei seiner Entschlie ßung stark Mitwirken. Denn, wenn er sein Geheimnis den Richtern verraten würde, so wäre er sich wohl in kurzer Zeit seiner Freiheit sicher, aber — sein Plan, den er als ein Stück Lebenswerk für sich betrachtete, wäre auf halbem Wege zu Wasser geworden und von der feuchtgcerigen Sonne der Umwelt anfgesogen. Die heikle Romantik, die sein Herz erfüllte, hätte ein ganzes Stück feines Stolzes aus feinem Leben gerissen. Und darum dachte er jetzt nach und neigte mehr und mehr dazu, seinem Plane treu zu bleiben. Als er sich von der Wand abhob, um ein paar Schritte durch den Raum zu fetzen, blieben einige Fasern des Taues an dem rauhen Mauerwerk hängen. Da plötzlich kam ihm ein Gedanke. Er stellte sich mit dem Rücken an die Kante der gemauerten Türleibung und begann in einer aus dauernden Bewegung das Tau an der scharfen Ecke zu zer reiben. Unaufhörlich setzte er diese Bewegung fort, bis er eine Erleichterung an den Händen spürte, dann erholte er sich einen Augenblick, um gleich darauf das Zerschneiden des Taues endgültig fortzusetzen. Und so kam es, daß der Ge fangene beim Einziehen der Nacht seinen Händen die Frei heit wiedergegeben hatte. Er wand und reckte sich, bewegte sich fast komisch, wie in irgendeinem exotischen Tanz, um seine Glieder an die Freiheit zu gewöhnen. Den gelösten Strick band er in seiner ganzen Länge wieder zusammen. An vier Meter konnten es sein, die er aus den Stücken er hielt. Dann nahm er den tönernen Napf, lauschte einen Augenblick durch die Stille und zerstieß das Gefäß mit einem gehörigen Ruck am Boden.- Die Scherben knüpfte er in das eine Ende des Taues und begann ein artistisches Spiel. Er versucht«, das Tauende mit den Scherben um eine Stange in der Deckenöfsnung zu werfen. Aber mit dei Geschicklichkeit eines langjährig Geübten gelang es ihm beim ersten Wurf. Langsam und mit etwas Nachhilfe ließ er das Ende mit den Scherben zu sich herunterkommen. Als er sich aber mit der ganzen Schwere feines Körpers unter einem kräftigen Ruck an das Seil hängte, gab es plötzlich ein klapperndes und polterndes Getöse. Die Stange hatte sich in der morschen Decke gelöst und war heruntergestiirzt. Harry Pohl war dabei im Schneidersitz am Fußboden ge landet und hatte einen ziemlich unsanften Streich der Stange davongetragen. Frohen Mutes aber erhob er sich, freute sich einesteils über die erweiterte Oesfnung, hatte anderenteils Bedenken, daß überhaupt noch eine Stange so fest fein würde, um sein Gewicht für kurze Zeit aufzuneh men. Der Versuch mutzte es lehren. Und bald war es ihm gelungen, die Scherben um eine andere Stange zu schlagen. Vorsichtig angelte er sich mit den Händen am Tau empor, dann erfatzte er die Stange mit der einen Hand, mit der anderen aber griff er fast gleichzeitig nach dem Rand der Oesfnung, um die Stange von der gefahrvollen Last zu befreien. Er zog sich an der Leibung hoch, bis es ihm mög. lich war, sich mit den Ellenbogen auf der Abdeckung des Daches zu stützen. Einen Augenblick verharrte er in dieser Stellung, um einmal tief die Frische der Nachtluft in sich aufzunehmen, und dann kam der letzte Ruck. In einem Satze sprang er vom Dach herunter und befand sich in der nächtlichen Stratze. Der Himmel schien seinen Streich zu begünstigen, hatte seine Gestirne eingezogen und wölbte sich tiefschwarz über die Stadt. Halb laufend schlich Pohl sich an der Häuserreihe entlang. ^ „Nur fort von hier", dachte er, und sein ganzes Sin nen war angespannt, vor dem Morgengrauen das Grab von Jovana zu erreichen. Darum gab es kein großes lleber- legen mehr, und unerschrocken schlich er fort. Plötzlich hörte er das Wiehern eines Pferdes. Der Plan eines Diebstahls wurde in ihm wach, der ihn derart erregte, datz die Be wegtheit seines Herzens ihn kaum mehr einen Schritt vor wärts setzen ließ. Ihn fröstelte bei dem Gedanken, seinem Glück oder Unglück so greifbar nahe zu sein, wenn nur die Zufälle abzuseben gewesen wären, die für gewöhnlich solch einen Streich begünstigen, oder aber völlig zerschlagen. (Fortsetzung folgt)
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