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Nummer 204 — 27. Jahrgang Crichetitt smat wvchentt. «tt den Musik. Gratisbeilagen »Die veil' und .Für iniiere kleinen Leute', sowie de» Texibeilage» ,Et. Benno-Blatt', .ltnterhalkmg und Wissen'. .Die Well der grau'. .Slerzllicher Ratgeber'. Das gute Buck,' „Filmrund, schau'. Monatlicher Bezug-vreiS g Mk. eluschl. Bestellgeld, kinzekiummer 1« 4. Sonnabend- u. Sonniagnummer SV ts. Hauvtschristletter- Tr. G. TeSczhk. Dresden. Freikag, -en 7. Seplember 1928 Verlagsort i Dresden Slnzrlgenpreiker Die Igeipaltene Petit,eile »» Familien- cm,eigen u. Stellengesuche Die Petitreklamezeile. 89 mm breit. 1 Für Anzelgeu außerhalb des Verbrettuugsgebiekes ck«>4 diePetitreklamezeile I.liv.ke.Osfertengeb.S« 4.ImFalle hbherer Gewalt erlischt icde Vervslichtung aus Lieserung sowie Erfüllung v. An,eigen. Aukirügen u. Leistung v. Schadenersatz. Geschäftlicher Teil Slrtnr Len,. Dresden. tSelchäftSftell«. Trucku.Verlag - Germania. A^-G. -ür Perlag und Druckerei. Filiale Dresden, Dies de»-«. I. Bolierstraüe>7. FemniiüIML. Postscheckkonto Dresden -Uauttonto Stodtban' TreSden Ar 81719 Für christliche Politik und Kultur Redaktion der Sächsischen BolkSzeitung TreSdon-Altitadl 1 Poiierslratze >7. Fernriu Arm und »1012. Well M i>ie MmsMe An-erkhalbsrün-ige „Anlerhattung^ zwischen Reichskanzler Müller und Briand Nur eine Fühlungnahme — Die Vertreter -er Besatzungsmächke sollen zusammentreten Noch keinerlei Klärung Die Weltfriedenspolitik sitzt in einer Sackgasse fest. Weder der Völkerbund noch der Kelloggpakt können dar über hinwegtäuschen. Kein Ereignis hat diesen Erstar rungszustand bisher deutlicher enthüllt, als die erste Vollversammlung der jetzigen Genfer Völker bundstagung. Als die Generaldebatte, die bisher immer den Höhepunkt der Genfer Sitzungen bedeutete, eröffnet werden sollte, war niemand da, der vor diesem Forum der Welt das Wort ergreifen wollte. Hatte man zur Weltlage wirklich nichts zu sagen? Ist man mit dein Stande der Weltpolitik so restlos einverstanden, daß sich jedes Wort der Kritik oder jeder Vorschlag der Besserung erübrigt? Oder aber ist der Völkerbund auf einem toten Punkt angelangt, ist er mit seiner Weisheit am Ende, hat er vor der Intrigenpolitik der Kroß- und Kleinmächte bereits die Segel gestrichen? Es mag ja sein, daß die jetzige Genfer Tagung nur von einer großen Frage beherrscht wird, von der Frage der N h e i n l a n d r ä u m u n g. Daß man deshalb die Grneralaussprache hinauszögert, weil man abwarten möchte, was sich zwischen den Hauptbeteiligten, Frank reich und Deutschland, in dieser Frage anspinnt. Der Pessimismus, der die Aufrollung der Räumungsfrage diesmal begleitet, scheint auch die Gesamttagung lähmend zu beeinflussen. Gestern hat zwar die erste Unter redung des deutschen Reichskanzlers mit dem französischen Außenminister stattgefun den. Anderthalb Stunden lang. Genau wie die Debatte Stresemann—Poincarö in Paris. Und das Ergebnis? Törichte Frage. Man hat überhaupt nichts erwartet, nichts erwarten dürfen, darum darf man überhaupt nicht enttäuscht darüber sein, daß diese Unterredung bisher keinerlei Klärung gebracht hat. Man hat alles schon vorher gewußt: daß Briand Herrn Müller liebens würdig empfangen würde, daß man keinerlei Abmachun gen treffen, sondern sich auf eine Besprechung mit den anderen Besntzungsmächten vertrösten werde. Wann diese Besprechung, die dann wirklich „Verhandlungscharakter" tragen soll, anberaumt werden wird, weiß man auch nach der Aussprache mit Briand nicht. Man hört nur. Briand wolle bereits am Montag von Genf abreisen. Sein Ge sundheitszustand sei sehr wenig günstig. Vielleicht wird man einmal hören, daß die Besatzungsmächte zu Ver handlungen einloden — denn die Initiative sollte jetzt bei Briand liegen. Dann wird man vielleicht Räumungster mine nennen, die von denen des Versailler Vertrages kaum noch abweichen. Daß man sich über die französi schen Gegenforderungen, die zum Teil einer neuen Schmälerung unserer staatlichen Souveränität gleichkom men, zum Teil finanziell kaum erfüllbar sind, sehr bald einigen wird, ist wenig wahrscheinlich. Ein mehr denn mageres Ergebnis. Deutschland hat seinen Kanzler nach Genf ge sandt. um seinen Wünschen den größtmöglichen Nach druck zu verleihen. Dieser Kanzler ist noch dazu Sozialist, also ein Angehöriger einer politischen Richtung, deren außenpolitische Haltung auf französischer Seite kaum je mand angreifen wird. Deutschland hat mit der Ausspie lung dieses Trumpfes in Genf aber auch seine ganze Au torität eingesetzt. Es wäre eine schwere Disqualifikation des Völkerbundsgedankens und der Friedenspolitik schlechthin, wenn der Reichsanzler mit ganz leeren Hän den aus Genf zurückkehren müßte. Eine restlose Berei nigung der Räumungsfrage in Genf von heute auf mor gen konnte niemand erwarten. Wohl aber ein bestimm tes Programm, das Klarheit darüber schafft, in welcher Form die Räumungsfrage in den nächsten Wochen aus dem Zustand theoretischer Erwägungen in den Zustand praktischer Vereinbarungen und positiver Maßnahmen überführt werden soll. Hierin liegt tatsächlich eine ernste Prestigefrage für die jetzige neunte Völkerbundstagung. Die nächsten Tage werden zu zeigen haben, ob die Ver sammlung im Genfer Reformationssaal vor dieser großen Verantwortung zu bestehen vermag. Es wäre nicht gut, ivenn man den Sinn des „Pak tes von Paris", der doch eine logische Fortsetzung von Lo carno und Thoiry sein wist, schon vergessen würde, noch cbe der geistige Urheber des Paktes, Staatssekre tär Kellogg, mit der „Leviathan" sein Heimatland erreicht hätte. Die europäischen Staaten werden sich zu Ueber den Beginn des D e u t s ch e n K a t h o l i k e n- tages ln Magdeburg berichten wir ausführlich auf Seite 7 und 8 dieser Nummer. Genf. 8. September. Gestern in der siebenten Abendstunde fand die erste U n - terredung zwischen Reichskanzler Müller und dem französischen Reichsaußenminister Briand statt. Der Reichskanzler blieb in Begleitung des Dolmetschers anderthalbe Stunde bei Briand. Es wird betont, daß es sich nur um eine zwanglose Unterhaltung über die vorliegenden Probleme gehandelt habe, weshalb auch aus ein offizielles Kom- muniquL verzichtet worden sei. Bon deutscher Seite wird in Uebereinstimmung mit den ossiziösen französischen Stellen in Gens erklürt, daß der Gegenstand der Besprechung die Frank reich und Deutschland betreffenden Probleme, in erster Linie also die Rheinlandräumung bildeten. Die Besprechung hatte der Natur der Sache nach vorbereitenden Charakter. Beiderseits besteht der Wunsch, daß weitere Besprechungen mit den Besatzungsmächten In Gens folgen sollen. Die bisherigen Vermutungen sind also zugetroffen. Einer seits dürfte der Kanzler in der gestrigen Unterredung noch keinen offiziellen Antrag der deutschen Regierung vorgelegt, sich vielmehr der Situation entsprechend zunächst aus eine Dis kussion der deutschen Wünsche mit Briand beschränkt haben. Daher ist auch eine konkrete Antwort Briands. wie zu erwar ten, nicht erfolgt, sondern nur der Weg zu Besprechungen mit den anderen Besatzungsmächten vereinbart worden. Form und Zeitpunkt dieser Besprechungen ist noch nicht festgelegt. Man nimmt an, daß Briand an einem der nächsten Tage eine derartige gemeinsame Konferenz der in Genf anwesenden Vertreter von England, Italien, Belgien, Deutschland und Frankreich einberufen wird. Einzelbesprechun gen des deutschen Reichskanzlers mit den Delegationssührern der anderen Staaten, sind wie verlautet, vorher nicht in Aus sicht genommen. Eine franzöftsche Erklärung Genf, 6. September. Sogleich »ach der Unterredung zwischen Müller und Briand fand ein Empfang der französischen Presse beim Außenminister Briand statt, in dem betont wurde, das; es keine offiziellen Verhandlungen gewesen seien, sondern nur eine „Kon versation". Es bestehe beiderseits der Wunsch, daß die Be ziehungen zwischen den beiden Ländern iunncr mehr gefestigt wür den. TaS gesamte Problem bilde ein Ganzes und müsse erst mit den vier anderen daran beteiligten Mächten erörtert werden, che diese Besprechungen den Eharaktcr von Verhandlungen «unchnieu könnicn. Der französische Außenminister würde selbstverständlich dem Reichskanzler einen Gegenbe-such absiatten. Es wird mitgclcilt, das; Briand voraussichtlich am Monlag Genf verlassen werde, da sein Gesundheitszustand sehr wenig gün stig sei. An seiner Stelle würden die Führung der französischen Delegation Pa »l - Bonconr und Lon ch eur übernehmen Ein Akt der Unhöflichkeik Genf, 6. September. In Kreisen der englischen Abordnung wird gegenwärtig daraus hingciviesen, daß bisher von deutscher Seite keinerlei Initiative ergriffen worden sei. um eine Zusammenkunft zwischen dem Reichskanzler Müller und Lord Cushendun herbeizuführen. Man weist hierbei darauf hin. daß nicht die Absicht bestehe, von englischer Seite Schritte zu ergreifen, um eine Aussprache zwischen den beiden Staatsmännern zustande zu bringen. Hierzu kann von deutscher Seite zunächst darauf hingewiesen werden, das; Cushendun lediglich stellvertretender englischer Außenminister ist, während der deutsche Abordnungs- ^ fragen haben, ob es nicht ein Akt großer Unklugheit ist. die Nnumungssrage, wie es Poincare wist, immer wieder mit dem Reparationsproblem zu verflechten. Die Räu mungsfrage ist in erster Linie ein politisches Problem. Europa könnte hier gerade den Urhebern des Kellogg- paktes in Amerika gegenüber beweisen, daß es zu einer konsequenten Fortsetzung der Friedenspolitik bereit ist. In der Neparationsfrage selbst fühlt man sich ja in Eu ropa längst nicht mehr wtllensfrei und unabhängig von fiihrer Reichskanzler ist. Somit hätte der Form der Höst lichkeit nach zunächst Lord Cushendun die notwendigen Schritt, für eine Zusammenkunft mit dem deutschen Reichskanzler er. greisen müssen; ferner kann darauf aufmerksam gemacht worden, daß die englische Abordnung die Führung in den kom menden Rheinlandsverhandlungen eindeutig der französischen Abordnung überlassen hat. Von englischer Seite ist hierüber keinerlei Unklarheit gelassen worden. Somit kann für das deutsche Interesse keine dringende Notwendigkeit bestehen, vor den Verhandlungen mit der französischen Abordnung in Füh lungnahme mit der englischen zu treten. Die Kritik Ser Kleinen ' V?. u. Genf, 5 September. Der mangels Wortmeldungen auf den heutigen Morgen verschobene Beginn der Generaldebatte nahm vor vollem Hause, in welchem auch Bernard Shaw als aufmerksamer Zuschauer saß, gegen 18 Uhr 40 Min. ihren Anfang. Nach dem Genfer Brauch hatte man den Vertretern der kleinen Staaten den Vortritt gelassen, zu welchem man vorläusig auch noch — China zu zählen scheint. Zum ersten Male betrat der Re- prventant der neugebildeten Nankingregierung, Wang- King-Ky, die Tribüne des Reformationssaales, um die Be reitschaft des neuen China im Bunde zu betonen und die For derung zu erheben, China als gleichberechtigten Kultur- und Weltfaktor zu behandeln, ein Anspruch, der bereits in dem in diesen Tagen bekannt gewordenen Gesuch Nankings um Wiederwählbarkeit tm Rate zum Ausdruck kam. Der Vergleich zum besetzten Rheinlanve drängte sich auf, als der Vertreter als Vorbereitung der moralischen Ab rüstung die Wiederherstellung der Souveränität der freien Staaten bezeichnet und die dringende Revision der ungleichen Verträge himvies. In der Rede des zweiten Sprechers des Morgens. Vlook- lands, waren am bemerkenswertesten die Ausführungen über die Behandlung der Minderheitensragen vor dem Genfer Tribunal. Mit Recht wies der Vertreter darauf hin, daß der von der interparlamentarischen Union und den Völkerbundslrgen verlangte ständige Minderheiten« nsjchuß allein di« Passivität überwinden könnte, welche durch die Ueberlastung des Dreierkomitecs der Mindcrheitcnkommission erzeugt wurde. Wir dürfen erwarte«: daß von deutscher Seite die Forderung stark vertreten wird, in den unerquicklichen Minderheitcn-Lei.stungrn des Völkerbundes einen Wandel einireten zu lasten. Die Kritik des Schweden Unden an der Abrüstung gab im allgemeinen die Gedankengänge wieder, weiche auch von deut scher Seite gegenüber den völlig erfolglosen Arbeiten der Ab rüstungskommission ins Feld geführt wurden. Trotz Kel- loggpakt keine Abrüstung, trotz aller vielfältigen Sicherheiten noch immer der Schrei nach Sec »ritt. Die Ausführungen des schwedischen Staatsmannes und Gelehrten wurden von den kleinen Nationen mit warmem Beifall «H» genommen. Rücktritt -es bulgarischen Kabinetts Sofia, 4. Sepiember. Da Ministerpräsident Liaptschcw die uuucrzügiich« Umbildung des Kabinetts unter Ausschluß des Kiregsministcr» Welkem entschieden verweigerte, ertiärtcn die Minister Vu« row, Christow und Bokoschewski ihren Rücktritt. Minister präsident Liaptschcw hat daraufhin die Demission de» ttz e sta m t k a b i »c t t c- einqereicht. der Wallstreet in Nenqork. Die Souveränität der Repa, rationsfrage liegt nicht mehr in Europa, lim so mehr sollte man im alten Europa darüber macken, daß die Zü gel der Weltpolitik nicht restlos dein Abendlande ent« gleiten. Die Regimenter am Rhein haben politisch un militärisch längst ihren Sinn verloren. Wann wird man endlich die Konsequenzen ziehen und die Friedenspolitik aus der Sackgasse herauszuführen, in die sie geraten ist. sicherlich nicht durch deutsche Schuld? iVl. v.